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Erstes Hertha-Training: Schneekönig Otto Rehhagel

Das erste Training unter Otto Rehhagel bei Hertha wird zum Medienereignis. Und dann schneit es auch noch. Der 73-Jährige selbst steht oder trabt am Rand - und erzählt den Spielern Geschichten von früher.

Raute oder Doppelsechs oder Libero – alles noch offen, aber die ersten Stammspieler dürften schon mal feststehen. Natürlich die bewährten Kräfte Peter Niemeyer und Lewan Kobiaschwili, dazu, ein wenig überraschend, die Nachwuchsleute Fanol Perdedaj und Sascha Burchert. Otto Rehhagel muss sich einen Überblick verschaffen. Im Schneetreiben sehen alle Spieler irgendwie gleich aus, wer kann da schon groß herausstechen außer den orange leuchtenden Hütchen? Natürlich die Vier, die dem Winter in kurzen Hosen gegenübertreten. Echte Männer wie Rehhagel, er trägt natürlich keine Mütze.

Der Schnee übernimmt die Regie bei dieser ersten Trainingseinheit des Fußball-Bundesligisten Hertha BSC unter Otto Rehhagel. Um kurz nach zehn kommen seine Spieler aus der Kabine, nach einer kurzen Ansprache, sie bedient alle Erwartungen. Vom Einschwören auf das gemeinsame Ziel bis zu den Anekdoten von früher. Seit Dienstag wissen auch die Spieler aus erster Hand, dass ihr neuer Trainer bald 50 Jahre mit seiner Beate verheiratet ist.

Das Comeback des Berliner Winters kommt ungefähr so überraschend wie das von Otto Rehhagel. Entsprechend schwer tut sich die Rasenheizung. Rehhagel steht an der freigeschaufelten Seitenlinie, er gestikuliert und redet ohne Unterbrechung, mit seinen Assistenten René Tretschok und Ante Covic und mit Manager Michael Preetz. Nach einer halben Stunde ist der Platz komplett zugeschneit und aus dem nahe gelegenen Hertha-Internat rückt eine Batterie Nachwuchsspieler mit Schneeschaufeln an. Die Profis drehen ein paar Runden um den Platz, sie machen ein paar Dehnübungen und dann ein Spielchen.

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Michael Preetz hat genug gesehen, er schüttelt den Schnee schiebenden Jungs die Hand und verabschiedet sich ins warme Büro. Zurück bleiben neben Trainer und Mannschaft und gut zwanzig Kameraleuten um die hundert Zuschauer, sie verteilen sich rund um den Platz. So viele kommen normalerweise bei bestem Sommerwetter nicht auf das Olympiagelände. Der Bezahlsender Sky überträgt live und interviewt dazu einen älteren Herrn, er hat den anderen älteren Herrn vor knapp 50 Jahren schon als Spieler in Berlin erlebt.

Die Spieler zeigen sich beeindruckt vom neuen Trainer

Um 10:37 Uhr fällt das erste Tor der Ära Otto Rehhagel. Tunay Torun erzielt es mit einer spektakulären Grätsche, auch das wird dem Trainer gefallen haben. Wenn er es denn gesehen hat, denn das viele Reden und Gestikulieren macht es schon mal notwendig, dem Spielchen den Rücken zuzuwenden. Viel zu sehen gibt es eh nicht. Der Ball in Neonrosa hüpft unberechenbar wie eine Flipperkugel über den knöchelhohen Schnee, mal bleibt er liegen und mal nicht. Überraschend viele Ballkontakte hat Torhüter Burchert, der in seinen kurzen Hosen als Feldspieler aushelfen darf.

Nach einer halben Stunde ertönt ein Pfiff, einer dieser berühmten Rehhagel-Pfiffe, für die er keine Pfeife braucht, sondern nur zwei Finger. Mit seinen nicht minder berühmten kurzen und hektischen Schritten eilt Rehhagel auf den Platz. Reden und gestikulieren, gestikulieren und reden. Rehhagel packt den Brasilianer Ronny an den Schultern und schiebt ihn ein par Meter durch den Schnee. Der Rest der Mannschaft lauscht andächtig, und schon geht es weiter.

Nach einer guten Stunde hört es auf zu schneien, pünktlich zum Ende der Premieren-Show. Otto Rehhagel läuft durch den Pulk der Kameras und lässt über den Vereinssprecher ausrichten, dass es nichts auszurichten gibt: „Herr Rehhagel ist hier, um die Mannschaft zu trainieren und nicht die Medien.“ Gute Sache, findet Peter Niemeyer, „die Kameras sind nicht auf uns gerichtet, sondern auf den Trainer, das nimmt ein bisschen Druck von der Mannschaft.“

Der Mittelfeldspieler Niemeyer hat mal für ein paar Jahre in Bremen gespielt und gilt daher als Experte in Sachen Rehhagel, der immer noch im Ruf eines ewigen Bremers steht. Ist allerdings schon ein Weilchen her. Otto Rehhagels Zeit bei Werder ging 1995 zu Ende, da war Peter Niemeyer zehn Jahre alt, zuletzt hat er ihn im Frühling auf einer Pokalparty gesehen. In Berlin. Was denn der Trainer gesagt habe über seine ersten Trainingseindrücke? Blöde Frage, denkt sich Niemeyer wohl, was soll man schon groß sagen zu einem Stündchen Schneefußball? Er lacht kurz und führt im Weiteren aus, der Herr Rehhagel sei „sehr zufrieden damit gewesen, dass wir trotz der widrigen Bodenverhältnisse sehr gut kombiniert haben“.

Perfekte Vorbereitung halt für das wichtige Spiel am Samstag in Augsburg, beim Nachbarn am unteren Rand der Tabelle. Wahrscheinlich werden nicht alle Kameras nur auf Otto Rehhagel gerichtet sein. Zu erwarten sind sechs Grad über Null, Sonnenschein und eine intakte Rasenheizung.

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