zum Hauptinhalt

Sport: "Es geht zu wie beim Untergang der Titanic"

HAMBURG .Über ein Jahrzehnt lang war Günter Sanders der mächtigste und international einflußreichste Funktionär des Deutschen Tennis Bundes.

HAMBURG .Über ein Jahrzehnt lang war Günter Sanders der mächtigste und international einflußreichste Funktionär des Deutschen Tennis Bundes.Doch in den Zukunftsplanungen des weltgrößten Tennisverbandes spielt der langjährige Geschäftsführer nun offenbar keine Rolle mehr: Der ehemalige VW-Topmanager, der nach dem Führungswechsel im Präsidium zunächst noch auf den Posten eines sportlichen Generalsekretärs abgeschoben werden sollte, scheint nun das prominenteste Opfer einer schweren Fehde hinter den DTB-Kulissen zu sein.

Sanders, der am Wochenende die Reise zum Davis-Cup-Spiel gegen Rußland schon gar nicht mehr antrat, soll auf Betreiben der neuen DTB-Regierung völlig kaltgestellt werden.In einem geheimen Organisationspapier des DTB, das am Osterwochenende in Frankfurt kursierte, wird auf dem Posten des Generalsekretärs der Name Sanders nicht mehr genannt.Angeblich ist bereits eine Headhunter-Firma mit der Suche eines neuen Mannes beauftragt.Sanders, der im Moment auch noch Turnierdirektor der German Open ist, hat unterdessen einen Anwalt zur Wahrung seiner Interessen eingeschaltet.Den DTB könnte der beabsichtigte Rausschmiß von Sanders teuer zu stehen kommen: Schließlich verfügt der smarte Mittfünfziger noch über einen hochdotierten Fünf-Jahres-Vertrag.

Die Affäre um den ehemals wichtigsten DTB-Angestellten ist allerdings nur der Höhepunkt der Turbulenzen, die gegenwärtig den drittgrößten deutschen Sportverband durcheinanderschütteln.Die vom Münchner Unternehmensberater Dieter C.Herbermann angestoßene Trennung zwischen den kommerziellen Betrieben des DTB und den Breitensport-Abteilungen hat in der Hamburger Verbandszentrale für nacktes Chaos gesorgt.Schon wird Ex-Präsident Claus Stauder mit den Worten zitiert: "Diese Entwicklung ist nicht in meinem Sinne."

Die Stimmung in der DTB-Geschäftsstelle am Rothenbaum beschreibt ein leitender Angestellter drastisch so: "Es geht zu wie beim Untergang der Titanic." Seitdem getrennte Mitarbeiterbesprechungen veranstaltet würden, wisse kaum noch einer, "was der andere gerade tut".Der eigenwillige Herbermann, von Mitarbeitern als "herrschsüchtiger Alleswisser" charakterisiert, hat offenbar das Tempo seiner Sanierungsbemühungen maßlos übertrieben.Der Gast-Arbeiter, der einen stolzen Tagessatz von 2500 Mark vom DTB aufs Konto überwiesen bekam, beendet angeblich noch in dieser Woche seinen Einsatz beim DTB.Als Geschäftsführer für die wirtschaftichen Betriebe und eigentlicher Sanders-Nachfolger ist nach neuesten Informationen überraschend der jetzige Prokurist Christian Thiemann vorgesehen.

Noch unklar ist, ob die Abteilung Öffentlichkeitsarbeit des Verbandes weiter ausgedünnt werden soll.Schon in den letzten Monaten hatte der systematische Personalabbau dazu geführt, daß der DTB seine Veranstaltungen kaum noch bewerben konnte.Im Vorfeld des Davis Cup blieben Marketing- und Werbekampagnen fast völlig aus.Ansonsten beschränkten sich die Rationalisierungsmaßnahmen bisher in der DTB-Holding auf die Entlassung eines Hausmeisters.

Auch im neuen DTB-Präsidium gibt es bereits Krach und Kontroversen.Der medienwirksame Vorstoß des neuen Sportwartes Dirk Hordorff gegen Teamchef Boris Becker - "Kann mir mal jemand sagen, was ein Teamchef genau macht?" - rief beim DTB-Präsidenten Karl Weber blankes Entsetzen hervor.Auch andere Spitzenfunktionäre kritisierten Hordorff.DTB-Präsident Karl Weber ist dagegen längst nicht so mitteilungsbedürftig wie etwa sein umstrittener Sportwart.Am Davis-Cup-Wochenende scheute der neue Chef jedweden Medienkontakt und ließ sich nur zu einem peinvollen Interview bei Premiere hinreißen.Bei der abschließenden Pressekonferenz nach der 2:3-Niederlage gegen Rußland saß Weber in der ersten Reihe der Journalisten.Als Kapitän Steeb seine Einschätzungen beendet hatte, glaubten viele, Weber werde einige Worte des Abschieds für den erfolgreichsten Davis-Cup-Spieler der deutschen Geschichte finden, für Boris Becker.Ein Irrtum: Der Präsident verließ wortlos den Saal.

JÖRG ALLMEROTH

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false