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Sport: „Es wird zu viel Fußball gespielt“

Joseph S. Blatter, Präsident des Fußball-Weltverbandes, über den Machtgewinn der großen Vereine und den Kraftverlust der Spieler

Herr Blatter, Sie sind wegen der am Freitag stattfindenden Auslosung der Qualifikationsgruppen zur Weltmeisterschaft 2006 nach Frankfurt am Main gekommen – eine feierliche Veranstaltung. Dabei ist Fußball in Deutschland doch eigentlich ein weniger festliches Thema in diesen Tagen.

Sie spielen auf die Stärke des deutschen Nationalteams an? Ach, das ist eine Turniermannschaft, das werden Sie sehen. Und für die Europameisterschaft im kommenden Jahr hat sie sich sogar auf direktem Weg qualifiziert. Zugegeben, das hat auch die Schweiz geschafft – aber immerhin!

Nun sagen Sie nicht, dem deutschen Fußball gehe es gut.

Vom Interesse her schon. In anderen Ligen sieht es anders aus. Wir haben bemerkt, dass zu viel Fußball gespielt wird.

Wie meinen Sie das?

Zu viel Ware verdirbt den Markt. Das Angebot ist zu groß, die Nachfrage geringer, für die Klubs gibt es weniger Einnahmen. Die Vereine tragen aber so viele Spiele im Jahr aus, dass sie mehr Profis unter Vertrag nehmen müssen. Und somit rennen sie in die Schwierigkeiten hinein. In der Bundesliga geht es noch, das ist bei weitem nicht so krass wie in Italien oder Spanien. Es muss was getan werden: Wir müssen den Fußball unter Kontrolle halten.

Was heißt das: unter Kontrolle halten?

Es bedarf einer Finanzkontrolle. Und einer Belastungsgrenze für Spieler. Was passiert, wenn man zu viel spielt? Die Spieler haben keine Zeit, sich zu erholen, und plötzlich haben wir Doping im Spiel! Im Fußball! Das ist das Schlimmste, was uns passieren kann.

Sie haben schon genug Stress mit der G14, der Vereinigung der mächtigsten europäischen Fußballvereine.

Ich rede mit der G14 als Organisation nicht mehr. Ich habe das einmal gemacht und das war nicht gut.

Karl-Heinz Rummenigge, der Vizepräsident der G14, fordert 70 Millionen Euro für die Klubs von der Fifa, wenn die Spieler zur Nationalmannschaft reisen. Ist das der Grund?

Ich verstehe die Debatte nicht. Sollen sie sich an die Landesverbände wenden, die sind zuständig, die bekommen Geld von uns und entscheiden, was sie damit tun. Die G14 ist keine anerkannte Institution in Europa und im Fußball.

Sie sind verärgert.

Wissen Sie, wir haben uns getroffen. Die haben aber nicht ihre Manager oder Präsidenten geschickt. Stattdessen kam das Sprachrohr der G14. Das hatte keinen Anstand.

Wie deuten Sie die Provokation?

Die Klubs werden mächtiger. Und deshalb werden wir Verbände uns in Zukunft ändern müssen. Wir dürfen keine Funktionäre im klassischen Sinne mehr sein, sondern führende Manager. Der Fußball steht nicht nur für die Reichen, nicht für 100000 Profis weltweit, sondern auch für 250 Millionen normale Fußballer.

Das hört sich idealistisch an.

Neulich habe ich mit dem Präsidenten eines italienischen Klubs gesprochen, der hat gesagt: Ihr seid zu romantisch. Ja, vielleicht ist das so. Aber es nutzt auch nichts, wenn Klub-Gewaltige in die Welt hinausschmettern, dass sie vors Gericht gehen. Wir sollten uns an einen runden Tisch setzen. Das kommende Jahr wird nicht nur Festlichkeiten mit sich bringen.

Kritisiert wird von den großen Klubs auch Ihr Konzept einer Vereinsweltmeisterschaft. Ist das nicht zu viel Fußball?

Wir überlegen, den Konföderationscup nur noch alle vier Jahre auszutragen. Der Fußball muss sich rar machen, um attraktiv zu sein.

Dann können Sie auch die Eintrittspreise anheben. Sie sind unzufrieden mit den Preisen der WM, weil das Organisationskomitee eine vierte, preiswerte Kategorie einführen will.

Jedes WM-Spiel ist etwas Besonderes, und wer an etwas Besonderem teilhaben will, sollte auch besonderen Aufwand betreiben.

Aufgezeichnet von André Görke.

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