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Sport: Essen für den Erfolg

Muslimische Profifußballer dürfen im Ramadan künftig das Fasten brechen – die Vereine sind erleichtert, streng Gläubige entsetzt

Berlin - Der Zeitpunkt ist ein wenig ungünstig. Die deutsche Nationalmannschaft wird am 11. August gegen Dänemark das erste Länderspiel nach der WM bestreiten. Und genau an diesem Tag müssten Mesut Özil, Sami Khedira und Serdar Tasci den Ramadan beginnen, den Fastenmonat, zu dem sie ihr Glaube, der Islam, eigentlich verpflichtet. Bis zum 8. September dürften die Profis dann von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang keine Nahrung und keine Flüssigkeit zu sich nehmen. Eigentlich. Denn Özil, Khedira und Tasci werden das nicht tun. Sie fasten schon seit Jahren nur an spielfreien Tagen, alles andere finden sie nicht praktikabel. Viele Muslime im Profisport handhaben das so. Nun haben sie von einer der höchsten Autoritäten des Islam Rückendeckung erhalten: Die Al-Azhar-Gelehrten, ein hoch angesehener Gutachterrat, haben auf Anfrage des Zentralrats der Muslime in Deutschland (ZMD) muslimischen Profifußballern ausdrücklich erlaubt, das Fasten zu brechen.

„Der Arbeitsvertrag zwischen dem Spieler und dem Verein zwingt den Spieler zu einer bestimmten Leistung, und wenn diese Arbeit laut Vertrag seine einzige Einkommensquelle ist und wenn er im Monat Ramadan die Fußballspiele bestreiten muss und das Fasten Einfluss auf seine Leistung hat, dann darf er das Fasten brechen“, heißt es in der Erklärung, die vom ZMD gemeinsam mit dem Deutschen Fußball-Bund und der Deutschen Fußball-Liga veröffentlicht wurde.

Die Initiative kam vom ZMD, der sich nach der Kontroverse um fastende Fußballer beim Zweitligisten FSV Frankfurt während des Ramadans im vorigen Jahr zum Handeln veranlasst sah. „Es war wichtig für die Spieler, aber auch für die Vereine, eine Rechtssicherheit zu haben“, sagt Aiman Mazyek, Generalsekretär des ZMD. „Vor allem für die Bundesliga und Nationalmannschaft, wo mittlerweile viele Muslime Leistungsträger sind.“ Beim FSV Frankfurt hatten Soumaila Coulibaly, Pa Saikou Kujabi und Oualid Mokhtari während des Ramadans gefastet, ohne den Verein davon in Kenntnis zu setzen. Sie erhielten eine Abmahnung, weil eine Vertragsklausel sie ausdrücklich dazu aufforderte, dies zu tun. „Wenn der Trainer weiß, dass ein Spieler von früh bis spät keine Flüssigkeit zu sich nimmt, dann wird er ihn sicher nicht zwei Trainingseinheiten in der prallen Sonne machen lassen“, sagt FSV-Geschäftsführer Bernd Reisig, „dann wird er sich etwas anderes für ihn ausdenken.“

In der zunehmend multireligiösen deutschen Gesellschaft könnte dieses Gutachten vielen Sportlern Erleichterung bringen. Erleichterung, ohne schlechtes Gewissen auch während des Ramadans trainieren zu können. Extrem gläubigen Spielern wie Serdar Tasci fällt die Nicht-Einhaltung des Ramadans sehr schwer, das schlechte Gewissen quält sie. „Der Muslim sucht nicht die Schlupflöcher, sondern es ist eher umgekehrt: Er möchte fasten“, erklärt Aiman Mazyek. „Nun kann er ruhigen Gewissens sagen: Wenn es überhaupt nicht mehr geht, ist es in Ordnung, wenn ich es verschiebe.“ Das ist auch bei Krankheit, Schwangerschaft, im Alter oder bei Berufen mit extremer körperlicher Betätigung durchaus erlaubt.

Nach Aussage von Aiman Mazyek beschränkt sich das Gutachten nicht nur auf den Fußball, sondern ist auf andere Sportarten übertragbar, teilweise auch auf den Amateurbereich. Den Freizeitsport nimmt Mazyek jedoch ausdrücklich aus. Bislang waren viele Sportler großem Druck der Familie ausgesetzt. „Spieler, die von sich aus gern aufs Fasten verzichtet hätten, hatten ein Rechtfertigungsproblem in der Familie“, sagt Bernd Reisig. „Jetzt haben sie eine Erklärung in der Hand, die ihnen ganz klar rät, als Hochleistungssportler lieber nicht zu fasten, weil das Gesundheitsrisiko zu hoch ist.“

In den heißen Sommermonaten warnen Ärzte vor Dehydrierung, Muskelverletzungen und Kreislaufproblemen. Noch höher ist das Risiko, wenn sich die Sportler aus Angst vor Sanktionen nicht trauen, dem Verein vom Fasten zu erzählen. Beim FSV Frankfurt war die Vertragsklausel eingefügt worden, weil ein Spieler vor zwei Jahren während der Fastenzeit ohne Absprache ein Nahrungsergänzungsmittel genommen hatte, von denen die meisten auf der Dopingliste stehen. „Es hätte verheerende Konsequenzen für Verein und Spieler, wenn ein solcher Spieler positiv getestet würde“, sagt Reisig.

Alle sind von der neuen Regelung freilich nicht begeistert. Natürlich gebe es „hier und da böse Mails von strengen Muslimen, die entsetzt sind“, sagt Mazyek. Er betont, dass es sich ohnehin nur um eine Empfehlung handle, nicht um eine Vorschrift. Dennoch hoffen viele Vereine, dass die Spieler die Empfehlung annehmen. Wie der FSV Frankfurt. Zwar haben Coulibaly, Kujabi und Mokhtari den Verein inzwischen verlassen. Doch es sind immer noch mehrere Muslime im Team, darunter Jawhar Mnari – einer der wenigen Profis, die den Ramadan stets ohne Abstriche durchgezogen haben. Wie er sich entscheiden wird, ist bislang nicht bekannt.

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