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Wagt es ja nicht! Mirko Slomka ist gegen eine Reform der Europa League.

© AFP

Europa League: Zwischen Genuss und Überfluss

Für die großen Klubs ist die Europa League eine Strafe, den kleinen sichert sie das Überleben. Ein Ortstermin in Spanien.

Valencia - Vor dem Stadion hat der Süßholzverkäufer einen schlechten Tag. Die Gäste interessieren sich nicht für seine Ware. Der Konkurrent mit dem Bier ist deutlich beliebter. Einen Euro kostet die Dose. Unschlagbares Angebot, finden die Fans aus Hannover und greifen zu. Die Stimmung ist ausgelassen. Die Menge singt, es werden Fotos gemacht. Über 2000 Fans haben sich am Nikolaustag aufgemacht nach Spanien. Bei null Grad sind sie am Morgen losgeflogen, drei Stunden später werden sie bei 16 Grad von strahlend blauem Himmel und Sonnenschein in Valencia begrüßt. „Schon allein deshalb hat sich die Reise gelohnt“, sagt einer.

Drinnen im Estadio de la Ciudad spielt UD Levante gegen Hannover 96 in der Europa League. Beim Einmarsch ertönt keine markante Hymne wie in der Champions League. Große Namen sucht man unter den Aufstellungen der Teams vergeblich. Das 25000 Zuschauer fassende Stadion ist nur zur Hälfte gefüllt. Helfer bewegen am Mittelkreis das Logo des Wettbewerbs trotzdem eifrig auf und ab.

Beide Mannschaften sind schon für die nächste Runde qualifiziert, sportlich hat das Spiel kaum Wert. Viel Wind um nichts? „Nein, das kann man so nicht gelten lassen. Für uns ist jedes Spiel in der Europa League ein Erlebnis“, sagt ein Frosch. Los Granotes, die Frösche, so werden Levantes Fans in Spanien genannt. Der Klub wurde vor 102 Jahren gegründet, international feiert man in dieser Saison aber Premiere. „Wir genießen das“, sagt Trainer Juan Ignacio Martínez, den alle nur JIM nennen. „Die Teilnahme an der Europa League ist die Belohnung für eine sensationelle Saison.“ Levante wurde im Vorjahr Sechster, obwohl man von allen Vereinen in der Primera Division zu denen mit den geringsten finanziellen Mitteln zählt. In der Europa League kann die Union Deportiva nun die Kassen auffüllen. Eine Million Euro Antrittsgeld erhält jeder Verein von der Uefa, dazu kommen Siegprämien, Fernsehgelder, Zuschauereinnahmen. Im Idealfall generiert der Europa-League-Sieger mehr als sieben Millionen Euro.

Für kleinere Klubs ist die Europa League eine wichtige Einnahmequelle

In Deutschland läuft der Wettbewerb beim Spartensender Kabel 1. Die Einschaltquoten sind mau, vor allem in der Gruppenphase schauen nur wenige zu. In Spanien ist das nicht anders, die Spiele werden hauptsächlich im Bezahlfernsehen gezeigt. Vor allem bei den größeren Klubs, die es nicht in die Champions League geschafft haben, bleiben die Stadien oft leer.

Für kleinere Vereine aber ist die Europa League eine wichtige Einnahmequelle, und daran soll sich auch nichts ändern. Behauptet jedenfalls Michel Platini. „Die Europa League ist großartig, und wir müssen sie unterstützen. Sie ist, anders als die Champions League, offen für alle Teams“, sagte der Uefa-Präsident am Freitag in Nyon. „Wir müssen an alle 53 Verbände denken. Wir müssen sehen, wie wir die Europa League stärken können.“ Er habe nie gesagt, dass er die Europa League abschaffen wolle, betonte der Franzose. Man überprüfe im Moment lediglich die internationalen Wettbewerbe mit Blick auf mögliche Änderungen und Verbesserungen für den Zeitraum von 2015 bis 2018.

Seit der Saison 2004/05 wird die Vorrunde in Gruppen ausgespielt. Das garantiert eine gewisse Anzahl an Spielen, ist aber nicht so spannend wie zu der Zeit, als es sofort im K.-o.-Modus losging. Damals hieß der Wettbewerb noch Uefa-Cup, 2009 wurde er in Europa League umbenannt und auf 48 Teilnehmer aufgebläht. Nun gibt es zwölf Vorrundengruppen, von denen man sich im Höchstfall die Hälfte merken kann. Platini, der sich gern als Anwalt der Kleinen gibt, wollte vor allem mehr Teams aus Osteuropa die Möglichkeit zu internationalen Spielen geben. Sie sollen ihm zukünftig die Wiederwahl sichern.

Die Fans in Spanien interessieren sich mehr für die Spiele der Primera Division

Der Vorschlag einer möglichen Abschaffung der Europa League geistert vor Platinis entschiedenem Dementi einige Wochen lang durch Europa. Und findet wenig Freunde. Die großen Klubs, darunter auch der FC Bayern, protestierten vehement gegen eine Aufstockung der Champions League. Auf der anderen Seite wollen die kleinen Vereine die Europa League beibehalten. „Für uns hat die Europa League in den vergangenen zwei Jahren das Besondere ausgemacht“, sagte Hannovers Trainer Mirko Slomka nach dem 2:2 bei UD Levante. Bei den Anhängern trifft Slomkas Aussage auf Zustimmung. „Durch die Spiele in der Europa League sind wir überall rumgekommen, haben andere Städte kennengelernt und viel gesehen“, sagt einer. „In der Champions League spielen am Ende immer dieselben, da wird irgendwann auch das Reisen langweilig.“

Dem Süßholzverkäufer vor dem Stadion scheint das egal zu sein, er ist längst nach Hause gegangen. Internationale Gäste sind einfach nicht seine Klientel. Er hofft auf Sonntag. Dann ist wieder Primera Division.

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