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Sport: Europa stürmt gegen Italien

Warum die EU-Kommission wegen Wettbewerbsverzerrung gegen Fußballklubs der Serie A ermittelt

Von Mariele Schulze Berndt

und Ozan Sakar

Brüssel/Berlin. Uli Hoeneß hatte schon immer seine Zweifel an der Seriosität italienischer Fußball-Bilanzen. Oft genug hat der Manager des FC Bayern München in den letzten zehn Jahren polternd betont, dass die Schuldenmacherei „dort unten“ irgendwann zum Kollaps führen werde. Jetzt hat die Europäische Union den italienischen Fußball-Spitzenklubs genau diese Schuldenmacherei vorgeworfen und prüft seit dieser Woche, ob das so genannte Schuldendehngesetz den europäischen Wettbewerbsregeln entspricht. Dem italienischen Fußball drohen damit Wettbewerbsstrafen in Millionenhöhe und neue Insolvenzen.

Uli Hoeneß begrüßte ebenso wie die Deutsche Fußball-Liga (DFL) am Mittwoch die Ermittlungen. Hoeneß sagte dem Tagesspiegel: „Wir werden uns als Klub nicht weiter mit dem Thema beschäftigen, das macht der Monti schon alleine.“ Hoeneß kritisierte aber, dass sich Italien nicht außerhalb der europäischen Regeln stellen könne.

„Es besteht konkreter Verdacht, dass das Gesetz de facto eine Staatsbeihilfe für die Serie-A-Klubs ist“, argumentiert EU-Wettbewerbskommissar Mario Monti. Nach Angaben der Kommission haben sich andere europäische Fußballklubs darüber beschwert, dass der italienische Regierungschef Silvio Berlusconi, selbst Chef AC Mailand, des Champions-League-Siegers, Steuervorteile für die Fußballvereine durchsetzte. Wenn Steuervorteile für Unternehmen den europäischen Wettbewerb verzerren, muss auch EU-Binnenmarktkommissar Frits Bolkestein den Fall untersuchen. Die Fußballvereine sind schließlich nicht nur Sportklubs, sondern gleichzeitig millionenschwere Aktiengesellschaften. Die italienische Regierung hat jetzt zwei Monate Zeit, um die Vorwürfe der EU zu entkräften. Fallen die Antworten nicht befriedigend aus, hat das ein Bußgeld und ein Vertragsverletzungsverfahren zur Folge. Die italienische Regierung hat bereits signalisiert, schnellstens nach einer Lösung zu suchen.

Da die italienischen Fußballvereine hoch verschuldet sind, hatte das italienische Parlament im Februar ein Bilanzgesetz beschlossen, das es den Fußballvereinen ermöglicht, die Marktwertverluste der Spieler über einen längeren Zeitraum abzuschreiben als bisher. So können die realen Verluste eines bestimmten Jahres niedriger angegeben werden. Nach Ansicht der EU würden Anleger durch solche Bilanzen getäuscht.

Außerdem besteht nach Brüsseler Einschätzung die Gefahr, dass die betreffenden Vereine kurzfristig die Ablösesummen und Spielergehälter in die Höhe treiben und sich so sportliche Vorteile verschaffen können, obwohl ihre finanzielle Situation dies eigentlich nicht erlaubt. Für vier Klubs der Serie A, Inter Mailand, AC Mailand, AS Rom und Lazio Rom, soll dies überlebenswichtig sein. Denn sie verbuchten in der Saison 2002/2003 nach Zeitungsberichten Verluste von rund einer Milliarde Euro. Den Großteil ihrer Kosten machen die Spielergehälter aus. Das Brüsseler Verfahren gegen das Gesetz drückt auch auf die Aktienkurse der börsennotierten Klubs. Die Aktien von AS Rom und Lazio Rom fielen um rund fünf Prozent ihres Wertes. Die beiden Hauptstadt-Vereine wären nach italienischen Zeitungsangaben ohne das Berlusconi-Dekret mit 313,5 Millionen Euro statt 121 Millionen Euro (Lazio) beziehungsweise mit 240,8 Millionen statt 104 Millionen Euro (AS Rom) verschuldet.

In Deutschland sind die Bundesliga-Klubs nicht so abhängig von einzelnen potenten Geldgebern wie in Italien. Das deutsche Lizenzierungsverfahren verhindert zudem, dass hoch verschuldete Klubs überhaupt eine Spielberechtigung bekommen. Für den Fall, dass beispielsweise Bayern München gegen Auflagen der Deutschen Fußball-Liga verstoßen würde, müsste die DFL Sanktionen aussprechen. Das könnte dazu führen, dass ein Spieler wie Roy Makaay nicht zum Rekordmeister wechseln darf. Deshalb findet auch Uli Hoeneß, dass die anderen europäischen Klubs sich ein Beispiel am „seriösen deutschen Lizenzierungsverfahren“ nehmen sollten (siehe Kasten rechts).

Der von der EU kritisierte Bilanztrick liegt darin, dass die Dauer, in der Verluste beispielsweise durch Transfereinnahmen abgeschrieben werden können, auf zehn Jahre erhöht worden ist. Den EU-Wettbewerbsregeln entspricht es, dass Unternehmen ihre Verluste innerhalb einer dreijährigen Periode beziehungsweise im Zeitraum ihrer wirtschaftlichen Nutzung abschreiben können. Diese Regelung gilt auch für Fußballvereine. Grundlage für die Zahl der Jahre, in denen die Verluste abgeschrieben werden können, ist hier die Vertragslaufzeit. Die EU-Kommission will deshalb prüfen, ob einigen Vereinen Steuervorteile gewährt werden, die andere nicht in Anspruch nehmen können, obwohl ihre Finanzlage ähnlich schwierig ist. Der Coach des FC Bologna, Carlo Mazzone, hat die prekäre Lage der Italiener so beschrieben: „Jahrelang haben die Klubchefs mit dem Geld gespielt wie beim Monopoly. Jetzt merken sie: Es ist echtes Geld.“

Mariele Schulze Berndt, Ozan Sakar

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