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Sport: Europa umwirbt die spielstarke Konkursmasse

Wie jugoslawische Basketballer zu einem EU-Paß kommen / Die Talentquelle versiegt nichtVON DIETMAR WENCK BERLIN.Im Basketball-Weltverband FIBA wird überlegt, die Zahl der startberechtigten Klubs pro Land in der Europaliga von drei auf zwei zu verringern - damit nicht wie bisher Vereine aus der Türkei, Griechenland, Italien, Spanien und Frankreich 15 der 24 Plätze in der Eliteklasse besetzen.

Wie jugoslawische Basketballer zu einem EU-Paß kommen / Die Talentquelle versiegt nichtVON DIETMAR WENCK BERLIN.Im Basketball-Weltverband FIBA wird überlegt, die Zahl der startberechtigten Klubs pro Land in der Europaliga von drei auf zwei zu verringern - damit nicht wie bisher Vereine aus der Türkei, Griechenland, Italien, Spanien und Frankreich 15 der 24 Plätze in der Eliteklasse besetzen.Doch die Wiege des europäischen Basketballs liegt in Wirklichkeit anderswo.Alba Berlins Trainer Svetislav Pesic hat einmal gesagt, dieser Sport sei das beste jugoslawische Produkt der letzten 20 Jahre.Zahlen bestätigen den Serben.Mit Cibona Zagreb, Olimpija Ljubljana, Partizan Belgrad und KK Split stehen derzeit vier Teams aus dem ehemaligen Jugoslawien in der Europaliga.Mehr als 70 Spieler sind über die meisten der 24 Klubs verteilt.Und neun Vereine haben sich einen "Jugo" als Cheftrainer gewählt.Der frischeste im Amt ist von ihnen Milovan Bogojevic, der Vater des Alba-Spielers Vladimir Bogojevic; er betreut seit kurzem Partizan. Die Dominanz wundert Pesic nicht."Die jugoslawische Liga besteht nicht mehr", sagt er, "dort gab es vor dem Bürgerkrieg acht Mannschaften, die zu den Top 20 in Europa gehörten." Nun gebe es statt dessen "sechs sehr schwache Ligen", und es sei normal, daß viele ins Ausland gegangen sind: "Spieler entwickeln sich am besten, wenn sie gegen die besten Gegner antreten." Gäbe es nach wie vor nur eine Liga im ehemaligen Jugoslawien, glaubt Pesic, wären viele von ihnen noch dort.Nun bemüht sich die europäische Konkurrenz um die als spielstark, dazu noch fleißig und pflegeleicht geltende Konkursmasse aus Serbien und Montenegro, Kroatien, Slowenien, Bosnien und Mazedonien.Dabei werden teilweise kuriose Wege beschritten, um diese Spieler zwar zu verpflichten, aber mit ihnen keinen der zwei Plätze für Nicht-EU-Ausländer zu besetzen, die gern Amerikanern vorbehalten werden. Als Alba sein letztes Auswärtsspiel bei Kinder Bologna bestritt, wurde dort vom Hallensprecher ein gewisser Radoslav Nesterovic bejubelt, der im Spielberichtsbogen als Radoslav Makris firmierte.Der gebürtige Slowene hat jetzt auch einen griechischen Paß - und Namen.Bei Ülker Istanbul steht Aziz Bekir (türkischer Paß) alias Adis Beciragic (bosnischer Paß) unter Vertrag.Andere, wie Petar Naumoski (Efes Istanbul), Dragan Tarlac, Milan Tomic, Franko Nakic, Dusan Vukcevic (alle beim letzten Vereins-Europameister Olympiakos Piräus), Bane Prelevic (AEK Athen) oder der erst 20jährige Predrag Stojakovic, Europas erfolgreichster Korbschütze (PAOK Saloniki), haben ebenso eine doppelte Staatsbürgerschaft.Wie man dazu kommt, wird hinter vorgehaltener Hand so geschildert: eine Frau (nennen wir sie Sledjana) und ein Mann (nennen wir ihn Georgios) erklären schriftlich, daß sie sich vor vielen Jahren einmal im Urlaub begegnet sind, und was dann geschah, nun ja.Der Ehemann erfuhr nie etwas von der Affäre, das Kind wuchs bei der Mutter auf und wurde ein Riesen-Basketballer.Nun kann die Mutter dieses Geheimnis plötzlich nicht mehr mit ihrem Gewissen vereinbaren.Dafür wechseln dann einige Dollars den Besitzer.Und die scheinbar wahrhaft, aber in Wirklichkeit unwahrhaft völkerverbindende Geschichte ist rund. Natürlich gibt es dann noch Stars wie Predrag Danilovic, Zoran Savic (beide Kinder Bologna), Aleksandar Djordjevic (FC Barcelona) oder Dejan Bodiroga (Real Madrid), die so stark sind, daß sie auch als "richtige Jugoslawen" einen hochdotierten Vertrag bekommen.Nur vier Europaligateams, ZSKA Moskau, Estudiantes Madrid, FC Porto und Albas nächster Gegner EB Pau-Orthez (morgen 20.30 Uhr live im Info-Radio) versuchen, ohne "Jugo" auszukommen.Porto steht bereits als Absteiger fest, Madrid und Pau sind stark gefährdet.Wer glaubt da an einen Zufall? Wenigstens glaubt Svetislav Pesic nicht, daß die Talentquelle so schnell versiegt.Die Zukunft sieht rosig aus."Daß es keine eigene Liga gibt, könnte die Entwicklung vielleicht bremsen", sagt er, "aber trotz des vierjährigen Sport-Embargos wegen des Krieges sind die jugoslawischen Junioren Dritter bei der WM geworden, die noch jüngeren Kadetten Europameister." Bediene dich, Europa.

DIETMAR WENCK

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