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Sport: Ewald-Prozess: Anwalt will Freispruch - Weshalb der Ex-DDR-Sportchef wohl nicht ins Gefängnis muss

Vielleicht gib es ja im Doping-Prozess einen geheimen Hinweis des Gerichts: Wer ein gutes Plädoyer hält, muss beim Urteil mit Nachteilen rechnen. Vielleicht?

Vielleicht gib es ja im Doping-Prozess einen geheimen Hinweis des Gerichts: Wer ein gutes Plädoyer hält, muss beim Urteil mit Nachteilen rechnen. Vielleicht? Bestimmt gab es diesen Hinweis, anders ist das alles nicht mehr zu erklären. Oberstaatsanwalt Klaus-Heinrich Debes kämpfte sich durch sein Manuskript wie ein Tropenforscher mit der Machete durch den Urwald, Nebenkläger-Anwalt Michael Lehner stammelte sich förmlich zu seinem Schluss-Satz, und gestern argumentierte sich Frank Osterloh, der Verteidiger von Manfred Ewald, aufgeregt wie ein Abiturient bei der mündlichen Prüfung, zu seiner Forderung: Freispruch für den früheren DDR-Sportchef. Nur Hans-Peter Mildebrath, der Verteidiger von Ex-Sportmediziner Manfred Höppner, hielt ein rhetorisch vernünftiges Plädoyer. Er forderte kein bestimmtes Strafmaß, bat das Gericht aber um Milde.

Osterloh hangelte sich in seinem Plädoyer von der Siegerjustiz-Propaganda ("Man neidet dem DDR-Sport die Erfolge") über waghalsige Thesen ("Die blauen Tabletten hätten ja auch Vitamine sein können") bis zur Anstiftung zum Rebellentum ("Jemand muss als Erster die falsche Rechtssprechung des Bundesgerichtshofs zur Verurteilung von Delikten aus der DDR-Zeit erschüttern. Diese Kammer könnte das sein"). Osterlohs Fazit: Ewald ist unschuldig, weil Doping in der DDR nicht strafbar war, außerdem habe man ihm die Vorwürfe sowieso nicht beweisen können. Mit zittriger Stimme sagte Ewald Ähnliches: "Was man mir vorwirft, habe ich nicht getan."

Mildebrath räumte immerhin die Schuld von Höppner ein, betonte aber, dass der ärztliche Regisseur des DDR-Dopingprogramms "körperliche Schäden aufs Minimum reduzieren wollte". Am Schluss bat er, im Auftrag seines Mandanten, die Opfer noch mal um Entschuldigung.

Morgen wird das Urteil gesprochen, und wie es ausfallen wird, ist ziemlich klar. Sowohl Höppner als auch Ewald werden zu Haftstrafen auf Bewährung verurteilt. Ins Gefängnis muss keiner der beiden. Das dürfte für viele Beobachter ein ziemlicher Schlag sein. Für die Doping-Opfer sowieso, für Staatsanwalt Rüdiger Hillebrand allerdings auch. Hillebrand hatte unter anderem die Anklage im Pilotprozess vertreten. Man darf davon ausgehen, dass er damit rechnete die Haupt-Verantwortlichen des DDR-Dopings in Haft kommen werden.

Rein theoretisch wäre das auch möglich gewesen. Doch nach den ersten Doping-Urteilen war damit nicht mehr zu rechnen. Denn in den Dopingprozessen greift eine Besonderheit des DDR-Rechts. Und nach dem wurde in den Dopingprozessen verhandelt. Danach sind Personen, die als unmittelbare Täter auftreten, härter zu bestrafen als die in der Hierarchie dafür Verantwortlichen. Die können aber - obwohl das dem Rechtsempfinden vieler Beobachter widerspricht - lediglich wegen Beihilfe angeklagt werden. Das bedeutet, dass die Trainer und Ärzte, die Pillen an Sportler weitergaben oder Dopingspritzen setzten, als Haupttäter gelten und die höchsten Strafen erhalten müssen. Die Schreibtischtäter müssen milder beurteilt werden, weil sie keinen direkten Kontakt zu den Sportlern hatten. Nur wenn die als Anstifter angeklagt worden wären, hätte man sie - grundsätzlich - härter bestrafen können. Doch dazu hätten Funktionäre wie Ewald einen Arzt oder Trainer gegen dessen Willen zur Dopingpillen-Abgabe zwingen müssen. Ähnlich hart wie kleine Trainer oder Ärzte können Schreibtischtäter wie Ewald und Höppner nur aufgrund der Vielzahl der Opfer verurteilt werden. In diesem Fall wirkt die Masse der Doping-Opfer strafverschärfend.

Im Pilotprozess wurde Trainer Rolf Gläser sowie der frühere Sektionsarzt Dieter Binus aber nur zu Geldstrafen verurteilt. Gläser und Binus haben selber noch Dopingpillen an Sportler abgegeben. Da sie mehrere Fälle zu verantworten hatten, hätte man sie theoretisch zu einer Gefängnisstrafe verurteilen können, für die es keine Bewährung mehr gibt. Mithin zu mehr als zwei Jahren Haft. Die Höchststrafe für einen einzigen Fall beträgt allein schon zwei Jahre Gefängnis. Damit hätte es eine Vorgabe für weitere Dopingprozese gegeben. So aber konnten die anderen Kammern schlecht Schreibtischtäter ins Gefängnis schicken. Die Relation hätte nicht mehr gestimmt. Warum die Staatsanwaltschaft schon im Pilotprozess keine Berufung gegen die Urteile eingelegt hatte, ist nicht klar. Wären Trainer und Ärzte wie Gläser und Binus ins Gefängnis gekommen, dann hätten auch Ewald und Höppner nun mit solchen Strafen zu rechnen.

Aber so gebrechlich wie Ewald während des Verfahrens auf der Anklagebank gesessen hatte, wäre er möglicherweise sowieso haftunfähig gewesen.

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