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Sport: Fair mit Pfiffen

Wie die Schiedsrichter von den Zuschauern in den Bundesliga-Stadien empfangen wurden

Kaum jemand kennt die Schiedsrichter des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) so gut wie Rudi Merk. Seit dem ersten Bundesliga-Spieltag 1963 betreut der 71 Jahre alte Vater des Schiedsrichters Markus Merk die Unparteiischen in Kaiserslautern. Doch noch nie in der Geschichte der Bundesliga standen die Schiedsrichter so sehr unter Druck wie an diesem Spieltag.

Nur zwei Tage zuvor hatte der Berliner Schiedsrichter Robert Hoyzer zugegeben, Fußballspiele manipuliert und Wettgewinne erzielt zu haben. Am 19. Spieltag standen die Unparteiischen unter besonderer Beobachtung. Erst am Freitag hatte der DFB einen Ringtausch der Schiedsrichter angeordnet. Das gab es in den 42 Jahren Bundesliga noch nie. In Kaiserslautern war Stefan Trautmann kurzfristig für Lutz Michael Fröhlich (Berlin) eingesetzt worden. Fröhlich hatte gemeinsam mit Manuel Gräfe, der eigentlich für das Spiel Dortmund – Mönchengladbach vorgesehen war, und zwei weiteren Berliner Kollegen den DFB über den Manipulationsverdacht informiert. Damit hatten sie den Schiedsrichterskandal ins Rollen gebracht.

Rudi Merk konnte aus Kaiserslautern nichts Ungewöhnliches berichten. Trautmann habe einen „ausgeglichenen Eindruck“ gemacht, sagte Merk. Trautmann hatte auch nichts zu befüchten. Die meisten Fans hielten sich an den Appell des DFB: „Seid fair“. In allen sieben Stadien hatten die Stadionsprecher gestern Erklärungen verlesen. „Lasst uns nichts Unvernünftiges tun“, sagte Marek Erhardt, Stadionsprecher des Hamburger SV. Und HSV-Trainer Thomas Doll wandte sich vor dem Anpfiff des Spiels gegen Mainz per Videoaufzeichnung an die Fans. „Verfehlungen Einzelner dürfen nicht auf dem Rücken aller Schiedsrichter ausgetragen werden“, sagte der Trainer. In Leverkusen wurden vor dem Stadion 10 000 Flugblätter verteilt, in denen die Fans zur Fairness aufgerufen wurden.

Die erste schwierige Entscheidung hatte der Bremer Schiedsrichter Peter Gagelmann in Stuttgart zu bestehen. Der VfB lag gegen Nürnberg 0:2 hinten, Stürmer Kuranyi hatte bei einem Zuspiel auf Babbel zunächst im passiven Abseits gestanden, dann aber aktiv ins Spielgeschehen eingegriffen. Gagelmann gab das Tor nicht. Die Stuttgarter Fans reagierten fair. Erst als Spielmacher Hleb gefoult wurde, verlangten die Zuschauer eine Gelbe Karte. Aus der Fankurve kamen Rufe wie: „Ohne Schiri habt ihr keine Chance.“ Völlig ruhig blieb es in Freiburg, wo der VfL Wolfsburg zu Gast war. Dort verhielten sich die Zuschauer, als habe es keinen Wettskandal gegeben. Der Schiedsrichter des Spiels, Hermann Albrecht, lobte auch die Spieler beider Mannschaften: „Ich muss den Spielern ein Kompliment machen, sie haben sich sehr fair verhalten.“

Nur vereinzelt tauchten gestern auf den Rängen Transparente zu den Vorgängen um Robert Hoyzer auf. Auf der Nordtribüne der Hamburger AOL-Arena entrollten einige Anhänger ein Plakat mit der Aufschrift „Kroaten-Mafia DFB“. Besonders der in Hamburg eingeteilte Franz-Xaver Wack hatte eine schwere Aufgabe vor sich. Denn der Hamburger SV war durch die Manipulationen im Pokalspiel gegen den SC Paderborn, das der HSV 2:4 verloren hatte, direkt benachteiligt worden. Doch nicht nur in Hamburg reagierten die Fans auf den Fußball-Skandal. Im Spiel Bielefeld gegen Hannover musste Schiedsrichter Felix Brych eine Variation des alten Spruchs „Schiri, wir wissen, wo dein Auto steht“ über sich ergehen lassen: „Schiri, wir wissen, dass du Oddset spielst“, stand auf einem Plakat.

„Vor dem Spiel war der Skandal das bestimmende Thema auf den Rängen“, sagte Werner Hackmann, Chef der Deutschen Fußball-Liga. Doch während des Spiels war die Affäre Hoyzer nur Nebensache. Den Jubel der Zuschauer und ihre Begeisterung konnte der Schiedsrichter-Skandal nicht verhindern.

Als Konsequenz aus den Vorfällen verlangten viele Anhänger, Schiedsrichteransetzungen künftig erst kurz vor den Spielen auszulosen. Ähnliches hatte der DFB an diesem Spieltag mit dem Ringtausch bereits getan. DFB-Präsident Theo Zwanziger hatte die Fans in den Stadien zudem dazu aufgefordert, „gerade an diesem Wochenende die Leistungen der Schiedsrichter mit Respekt zu begleiten“. DFB-Mediendirektor Harald Stenger hatte darum gebeten, „die Schiedsrichter nicht mit unsinnigen Äußerungen bei den Spielen zu begleiten“.

Boris Rupert, der die Internetseite von Borussia Dortmund betreut, behielt mit seiner Vermutung Recht: „Ich sehe keinen Grund, die Sache höher zu hängen als nötig. Die Leute können unterscheiden, zwischen dem, was gelaufen ist, und was laufen wird“, hatte er vor dem Spiel prophezeit. Die besondere Situation konnte den Fußball nicht beeinträchtigen. Insgesamt 270 000 Zuschauer sahen in den sieben Spielen 19 Tore. ck/fex/H.S./kad/ms/sk

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