zum Hauptinhalt

Sport: Fall Fischer vor dem Weltcup-Auftakt ungeklärt: Unehrenhafte Entlassung wird Politikum

DSB-Präsident und Verteidigungsminister beschäftigen sich persönlich mit dem BiathletenVON EMANUEL HEISENBERG BERLIN.In einer x-beliebigen Kleinstadt: "Aus - schei - deer" grölt die Gruppe Halbstarker einstimmig, als sie die Eckkneipe torkelnd in Polonaisen-Formation verläßt.

DSB-Präsident und Verteidigungsminister beschäftigen sich persönlich mit dem BiathletenVON EMANUEL HEISENBERG BERLIN.In einer x-beliebigen Kleinstadt: "Aus - schei - deer" grölt die Gruppe Halbstarker einstimmig, als sie die Eckkneipe torkelnd in Polonaisen-Formation verläßt.Auf ihren einst weißen Sweatshirts haben alle unterschrieben, die nach entbehrungsreichen Monaten ihre Bundeswehr-Entlassung feiern. Auch der Sportsmann Sven Fischer hat den Dienst fürs Vaterland hinter sich, in anschließende Freudentiraden ist der Biathlon-Olympiasieger jedoch nicht ausgebrochen.Über seiner Entlassung schwebt der Makel "unehrenhaft".18 Monate vor Ablauf seiner achtjährigen Dienstzeit bei der Sportfördergruppe in Oberhof mußte der Sportsoldat die Koffer packen.Offizielle Begründung: "Sven Fischer hat die Berufung in das Dienstverhältnis durch arglistige Täuschung erschlichen." Manfred von Richthofen, Präsident des Deutschen Sportbundes (DSB), hat sich, genauso wie Verteidigungsminister Volker Rühe, mit dem "Fall Fischer" persönlich befaßt."Die Entlassung muß noch einmal geprüft werden", betont Rühe.DSB-Präsident von Richthofen geht es vor allem um die Formulierung "arglistige Täuschung".Deswegen hat er einen "vertraulichen Brief an Volker Rühe" geschrieben, nachdem die DSB-Rechtsabteilung ausgiebig Fischers Stasi-Akten überprüft hatte. Auf der Hardthöhe ist man sich bewußt, mit Fischer einen Sympathieträger verloren zu haben."Wir bedauern, daß wir einen anerkannten Sportler und tadellosen Soldaten entlassen mußten, waren aber im Zuge der Gleichbehandlung in 1500 vergleichbaren Fällen dazu gezwungen", räumt Bundeswehr-Pressesprecher Wend ein.Fischers Einspruch vom 11.November wird derzeit in Bonn geprüft.Der Deutsche Skiverband (DSV) erklärt zwar, er stehe zu seinem Athleten, möchte aber nicht für Gerichtskosten aufkommen."Einen Widerspruch kann nur eine Person einlegen, nicht ein Verband", sagt Thomas Pfüller, Sportdirektor des DSV."Wir kritisieren keineswegs Entscheidungen der Bundeswehr." Die vorsichtige Haltung überrascht nicht, schließlich lebt der DSV von öffentlichen Zuwendungen. Finanziell ist der 26jährige abgesichert durch einen Arbeitsvertrag bei der Suhler Werbe und Marketing GmbH (WuM), einer 100prozentigen Tochter des WSV Oberhof.Das Bundeswehr-Gehalt übernehmen zwei persönliche Sponsoren und die Deutschen Sporthilfe.Der Verein möchte sicherstellen, daß Fischer den Kopf frei hat für den Sport."Er wird dann eine sportliche Antwort auf die Querelen geben", verspricht der Sprecher des WSV Oberhof, Thomas Marzian.Derzeit bereitet Fischer sich in Norwegen auf den Weltcup-Auftakt an diesem Wochenende in Lillehammer vor.Noch vor wenigen Wochen hat er seine Chancen, auf Anhieb ganz vorne mitzufahren, eher als gering eingeschätzt.Der Weltcupsieger des Vorjahres klagt über gesundheitliche Probleme, zudem sei die Vorbereitung nicht ideal verlaufen. Formal scheint die Entlassung berechtigt.Sven Fischer war 1989 als 18jähriger sechs Wochen lang als Informeller Mitarbeiter vom Ministerium für Staatssicherheit geführt worden, die Akte wurde damals aber wegen "Perspektivlosigkeit" geschlossen.Die geleistete Unterschrift hatte Fischer 1991 bei seiner Bundeswehr-Einstellung in einem Fragebogen nicht angegeben.Obwohl der Biathlet das Vergehen schon 1994 zugegeben hatte, reagierte die Hardthöhe erst jetzt."Wir haben überlegt, erst nach Nagano tätig zu werden", sagt Pressesprecher Wend."Aber nach dreieinhalbjähriger Recherche standen die Ergebnisse nun einmal jetzt schon fest." Mit einer olympischen Medaille in Nagano könnte der Biathlet die öffentliche Sympathie auf seine Seite bringen - wie 1994 in Lillehammer, als er der Staffel als Schlußläufer den Sieg sicherte.Vielleicht gibt es dann in Oberhof eine Polonaise, und für die muß Fischer sich nicht einmal bekritzeln lassen.

EMANUEL HEISENBERG

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false