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Sport: Familie Biathlon

Das Leben von Liv Grete und Raphael Poiree dreht sich bei der WM in Oberhof um Tochter Emma – und Goldmedaillen

Oberhof. Wind ist Liv Grete Poiree gewohnt. Schließlich ist die Bauerstochter in dem norwegischen Örtchen Eikelandsosen an der Atlantikküste aufgewachsen, wo ihr Vater ihr einen Schießstand gebaut hat. Bei der letzten Schießübung des Verfolgungsrennens der Biathlon-Weltmeisterschaften in Oberhof, bei dem es teilweise stark gestürmt hatte, musste Liv Grete Poiree dann auch mit einem ungewöhnlichen Problem fertig werden: „Ich hatte viel Wind erwartet, dabei war in diesem Moment gar keiner da.“ Sie wunderte sich – und verfehlte dreimal das Ziel. Das Rennen gewann sie dennoch vor der Mittenwalderin Martina Glagow.

Eineinhalb Stunden später stand Liv Grete Poirees Ehemann Rafael am Schießstand. Diesmal wehte tatsächlich starker Wind, der Franzose zögerte so lange, bis sein ärgster Verfolger Ricco Groß neben ihm auftauchte und den ersten Schuss abgab. „Ich wollte gut schießen und das Rennen nicht mit vier Fehlern beenden“, erklärte er später. Es wurde ein Fehlschuss, weshalb Poiree nur die Silbermedaille hinter dem Deutschen blieb.

Probleme mit dem Wind oder anderen Widrigkeiten sind für das Ehepaar freilich die Ausnahme. Die beiden 29-Jährigen gehören zu den dominierenden Figuren ihrer Sportart. Liv Grete Poiree gewann in Oberhof zweimal Gold, ihr Ehemann wurde im Sprint wenige Stunden nach seiner Frau Weltmeister. Beide gewannen in dieser Saison vier Weltcuprennen. Liv Grete führt im Gesamtweltcup, Raphael ist Zweiter, knapp hinter Ole Einar Björndalen. Den Geburtstag seines härtesten Konkurrenten wird der Franzose sicher nie vergessen: Der 27. Januar ist auch der Tag, an dem vor einem Jahr seine Tochter Emma geboren wurde.

Emma ist bei vielen Weltcups dabei, auch in Oberhof krabbelt sie, gefolgt von Mama oder Papa, durch das Oberhofer Mannschaftshotel. Ein Kindermädchen, eine Cousine von Liv Grete Poiree, betreut Emma, wenn ihre Eltern trainieren. Als Liv Grete am Samstag Weltmeisterin wurde, kümmerte sich ihr Mann im Hotel um die Tochter. Dann fuhr die Goldmedaillengewinnerin zu Emma – und Raphael Poiree holte Gold. Es war das erste Mal in der Geschichte des Biathlons, dass ein Ehepaar am selben Tag WM-Gold holte. „Liv ist eine Maschine. Ich bin nicht überrascht, dass sie gewonnen hat“, sagte Raphael Poiree am Samstag, „jetzt können wir eigentlich nach Hause fahren“. Emma wird zwar nicht zu den Sieger-Pressekonferenzen geschleppt, aber irgendwie ist sie doch anwesend: immer wieder geht es um sie und das starke und unproblematische Comeback ihrer Mutter nach der Babypause, in die auch die Weltmeisterschaft im vergangenen Jahr in Sibirien fiel. Diese erzählt lächelnd, dass Emma „ein liebes Kind ist und nachts gut schläft“. Sie selber habe nur noch halb so viele Ruhephasen und sei gezwungen, die Kräfte richtig einzuteilen. Das geht auch deshalb so gut, weil ihr Mann 50 Prozent der Kinderbetreuung übernehme. „Ohne ihn wäre ich heute nicht so gut gewesen“, sagte sie nach Goldmedaille Nummer eins. Raphael Poiree seinerseits schwärmt davon, dass „Babys das beste sind, was einem im Leben passieren kann“. Babys sind ein beherrschendes Thema in Oberhof. Denn seit Sonntag gibt es nicht nur Emma, sondern auch Emilia Sophie. Die Tochter von Sven Fischer kam am Sonntagabend zur Welt. Fischer raste nach seinem achten Platz im Verfolgungsrennen noch mit der übergestreiften Startnummer in den Kreißsaal. Doch weil Mama Doreen keine Biathletin ist, werden Emma und Emilia wohl kaum gemeinsam den Weltcup-Zirkus durcheinander bringen.

Als sie selbst ein Kind war, wollte Liv Grete Poiree, die damals noch Skjelbreid hieß, Truck- oder Busfahrerin werden, Raphael Poiree Feuerwehrmann. Dass es gut war, dass sie ihre Berufsziele änderten, wurde spätestens bei der WM 2000 in Oslo klar. Beide hatten schwere Monate hinter sich. Liv Grete Poiree hatte sich lange mit einer Lebensmittelvergiftung herumgequält, Raphael Poiree hatte im Sommer zuvor einen schweren Motorradunfall gehabt. In Oslo holten beide innerhalb weniger Stunden den Titel im Massenstart, fielen sich in die Arme und machten so ihre Beziehung öffentlich.

Auch der Vater von Liv Grete Poiree hat Anteil an ihrem Erfolg. Bis zu den Olympischen Spielen in Salt Lake City 2002 war er Ski-Techniker der norwegischen Biathleten. Inzwischen präpariert Raphael Poiree schon mal die Skier für seine Frau, so auch vor dem Weltcup im Januar in Pokljuka. Liv Grete Poiree siegte damit im Sprint. Weil die Ski so gut liefen, schnallte Raphael Poiree sie am folgenden Tag selber an – und siegte. Aber etwas anderes ist von Familie Poiree ohnehin nicht zu erwarten.

Helen Ruwald

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