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Ganz ohne Stehplätze. Der Fankongress im Kosmos.

© dpa

Fankongress 2012: Aktive Ultras: Das Böse unter der Sonne

Beim Fankongress in Berlin wurde am Wochenende über die Zukunft des Fußballs diskutiert. Unser Kolumnist Frank Willmann war vor Ort und erlebte, wie wohl erzogene Menschen höflich aneinander vorbeiredeten.

Stilsicher hatten DFB und DFL dem deutschen Fußvolk noch kurz vor Beginn des Berliner Fankongress 2012 verkündet, auch weiterhin am Verbot der Pyrotechnik festzuhalten. Als Beweis wie schrecklich der Bundesbürger das Abbrennen von Pyrotechnik findet, wurde eine Umfrage präsentiert. Vom DFB und der DFL in Auftrag gegeben. Raus kam dabei die geile Schlagzeile: 84,4 Prozent der Fans gegen Pyro-Technik – 79,5 Prozent fordern harte Bestrafung.

Natürlich wurden keine Stadionbesucher nach einem Bundesligaspiel befragt. 2000 anständige Bürger konnten von der heimatlichen Couch aus reüssieren. Knapp die Hälfte interessiert sich für Fußball. Zwei Suggestivfragen galt es zu beantworten:

"Das Abbrennen von Pyrotechnik im Stadion ist verboten. Soll dieses Verbot bestehen bleiben?" Antwortoptionen: ja/nein
"Pyrotechnik ist gefährlich. Sie ist schädlich für den Fußball und soll deshalb hart bestraft werden. Stimmen Sie dem zu?" Antwortoptionen: ja/nein

Noch Fragen?

Der aktive Ultra/Fan – das Böse unter der Sonne. Diverse Hysteriker unter uns rücken, auch aus Gründen der Quote, Ultras gern in die Blut- und Tränenecke. Dieses vernimmt die Polizei mit Freuden. Sicherheitsbehörden sind Meister im Pauschalisieren, wenn es um die schrecklichen Untaten jugendlicher Fans geht. Schaut Sie sich mal den Anmarsch eines Gästeblocks eines schicken Bundesligaspiels an. Rechts und links Polizisten in Kampfroboterkluft. Dazwischen eine Horde Jungs die letztlich die Liebe zur gemeinsamen Sache, ihren Fußballclub, vereint. Die Fans werden vom Bahnhof zum Stadion geleitet wie eine Rotte beißwütiger Köter. Nichts mit farbenfrohen Gesängen und buntem Reigen.

Umso erfreulicher das Motto des Fachkongress: Wie schaut der Fußball in der Zukunft aus und welche Rolle spielen die Fans dabei?

Es schien für ein Wochenende, als würden die Fankurven lauter jugendfrische, intelligente, sympathische Studenten mit einem Hang zur dunklen Kleidung beherbergen. Knapp sechshundert Fußballmenschen hatten sich im ehemaligen Kino Kosmos zu Berlin eingefunden.

Falsche Wahrnehmung: Manche Ultras sehen sich als Elite

Obgleich deren Poesie, vielleicht aus Enttäuschung über den Eventzirkus der Clubs, mitunter Spuren der Komik trägt. Wenn Ultras die homogene Gemeinschaft der Kurve wichtiger wird als die abstrakte Liebe zum Verein, zu den Spielern. Und gefeiert wird um sich zu feiern. Manche Ultras sehen sich als Elite. Eine Koketterie die beim Normalfan oder den älteren Semestern nicht gut ankommt.

Für DFB-Walross Zwanziger gab’s offensichtlich in Berlin nichts holen. Er reiste nicht an. Bangigkeit vor der Kritik, ein Schuss Dünkelhaftigkeit, vermutlich hatte man ihm kein Heizkissen versprechen können. Der DFB schickte seinen smarten Sicherheitsexperten Hendrik Große Lefert (HGL) und den obersten Fanbeauftragten. HGL lieferte eine gelackte Vorstellung in Sachen: wie sage ich nichts und das möglichst eloquent. Einerseits den Fans einen halbes Ohr zeigen, andererseits keinen Millimeter von allen DFB-Dogmen abweichen. So tun als ob.

Was kam dabei heraus? Ein Aneinandervorbeireden der netten Jungs vom Fanblock und der geschulten Rhetoriker des DFB und der DFL. Beworfen wurde sich nur mit Wattebäuschen. Alles sehr sachlich, selbst die anschließenden Diskussionen, wo Jeder als Mit-Diskutant seine Befindlichkeit loswerden konnte, verlief niedlich im Sande.

Der Hauptfeind der Fans, die liebe Polizei, erschien zur Veranstaltung trotz Einladung nicht. Das ist bedenklich. Wenn über Pyrotechnik, Gewalt und die Erteilung von Stadionverboten diskutiert wird, erwarte ich in einer Demokratie Vertreter von Polizei und Staatsanwaltschaft auf dem Podium. Diese Ignoranz zeigt deutlich, wie wenig die Ordnungshüter an einem Austausch interessiert sind.

Natürlich war auch der Berliner Fußballverband höchstens inkognito unterwegs. Die Funktionäre im Widerstand. Hat man euch keine Grußworte überlassen? Herzbrechendes Funktionärsschicksal: Auch Schnittchenjäger benötigte der Kongress nicht. Wozu brauchen wir Bonzen überhaupt? Sind sie nicht bereit, sich den Belangen ihrer Fans zu stellen, weg damit.

Einen Dialog mit dem DFB habe es noch nie gegeben, meinte eine junge Frau, als über Stadionverbote diskutiert wurde. Ein Dialog zwischen Sicherheitsbehörden, DFB und Fans blieb auch diesmal aus.

Wobei es DIE Fankultur natürlich nicht gibt. Einige Gruppen blieben der Veranstaltung fern, da sie ihnen zu sehr nach Mainstream schnüffelte. Für sie gilt die alte Regel, dass "… der DFB Fußballmafia sei und die Bullen Knechte des Schweinesystems."

Klingt nach Schwarzweißdenken – ist es auch. Allerdings eine weit verbreitete Haltung.

Die streitsüchtige Fraktion mit den gezupften Augenbrauen, den teuren Klamotten und den kantigen Gesichtern ohne jeden Witz, suchte ich vergebens im friedlichen Getümmel des Fankongress. Ihnen ist es scheißegal was der DFB zu Gewalt und Pyro zu sagen hat. Sie praktizieren die Romantik ihrer Subkultur. Die dem Normalbürger so fern ist wie der Erde der Venus.

Auch den Normalfan traf man beim Fankongress weniger. Allerdings viele intellektuelle Veteranen der Fankultur. Wir haben gemeinsam unser Haupthaar geschüttelt.

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