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Sport: Fantastisch unsicher

Das Deutsche Tourenwagen Masters ist erfolgreich wie nie – dennoch kämpft die Rennserie ums sportliche Überleben

Klettwitz - Für Mika Häkkinen war wieder alles wieder „fantastisch“. Seit der zweimalige Formel-1-Weltmeister aus Finnland im Deutschen Tourenwagen Masters dabei ist, beschreibt er seine Eindrücke stets mit diesem einen Wort. Die bisher von ihm nicht gekannte Nähe zu den Fans, seine nach zweieinhalb Jahren Rennpause immer besser werdenden Ergebnisse, die Zweikämpfe – alles ist auch auf dem Lausitzring für den 36-jährigen Mercedes-Rennfahrer „fantastisch“.

Dass die gesamte DTM-Szene mit seinem Comeback eine enorme Aufwertung erfahren hat, registriert Häkkinen nur mit einem Lächeln. Auch öffentlich wird nicht so häufig darüber gesprochen. „Mika soll nicht der Quoten-Weltmeister sein, sondern für uns Rennen gewinnen“, sagt Norbert Haug, der Sportchef bei Mercedes. Am Sonntag hätte das schon beinahe geklappt: Trotz eines völlig misslungenen Boxenstopps wurde Häkkinen bei seinem zweiten DTM-Einsatz hinter seinem Markenkollegen Gary Paffett und Tom Kristensen im Audi Dritter.

Das Deutsche Tourenwagen Masters hat so einen wie Häkkinen dringend gebraucht, trotz der alles in allem guten vergangenen Saison mit insgesamt 769 000 Zuschauern. Denn Häkkinens optimistische Einschätzungen dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich das DTM mitten im Überlebenskampf befindet. Mit nur drei verschiedenen Herstellern (Audi, Mercedes, Opel) bewegt sich das Tourenwagen Masters an der unteren Grenze. Für die Saison 2006 hat Opel sogar seinen Ausstieg angedroht – das wäre gleichzeitig das sichere Ende für das DTM. Die Rechnung ist deshalb einfach: Je größer der Zuspruch ist, desto sicherer wird die Zukunft der Rennserie sein. So gesehen kam Häkkinen genau zum richtigen Zeitpunkt. Ein ähnlich positiver Effekt wäre wohl nur erreicht worden, wenn eines der drei DTM-Teams den Italiener Alexander Zanardi verpflichtet hätte.

Zanardi ist neben Häkkinen einer der großen Sympathieträger im Motorsport. Doch der frühere Formel-1-Fahrer, der 2001 bei einem Unfall auf dem Lausitzring beide Beine verloren hat, fährt – mit Prothesen – für BMW in der Konkurrenzserie Tourenwagen-Weltmeisterschaft. In der neuen Serie des Motorsport-Weltverbands Fia ermitteln 30 Fahrer in zehn Rennen in dieser Saison erstmals ihren Titelträger, nachdem zuvor nur um die EM gefahren wurde. Neben der Formel 1 und der Rallye-WM ist die Tourenwagen-WM damit eine von drei Fia-Serien mit Weltmeisterschafts-Prädikat. „Das Interesse an der Tourenwagen-WM wird erheblich wachsen“, prophezeit Mario Theissen, der Motorsportdirektor bei BMW. Gegen diese Konkurrenz wird das Deutsche Tourenwagen Masters nur bestehen, wenn es gelingt, weitere Stars wie Häkkinen in die Serie zu locken.

Die Voraussetzungen dafür sind nicht so schlecht. Volle Tribünen, die starke Verankerung in Europa, relativ überschaubare Kosten, Live-Übertragungen und immer wieder die Nähe zu den Fans – das alles kann die WM nicht bieten. Norbert Haug nennt das Masters „ein gut gefülltes Glas“, auch wenn die Deutschen ein Volk seien, „das gern das halb leere Glas sieht“. Haugs Verdienst ist es, dass das Glas in dieser Saison deutlich sichtbar voller geworden ist: Er holte Mika Häkkinen zu Mercedes. Der Finne war sich seiner neuen Rolle als Hoffnungsträger der Rennserie von Anfang an bewusst und übertraf die Erwartungen sogar noch. Auch Heinz-Harald Frentzen, Jean Alesi, Bernd Schneider und Allan McNish fuhren früher in der Formel 1, doch sie erreichen nicht die Popularität des Finnen.

„Es kommen viele neue Fans seinetwegen“, beschreibt Mattias Ekström aus dem Audi-Team die Rolle Häkkinens, „und das ist gut für uns alle.“ Es gibt nur noch einen Fahrer, der Häkkinens Strahlkraft wirklich übertreffen könnte: der siebenmalige Formel-1-Weltmeister Michael Schumacher. Audi-Teamchef Hans-Jürgen Abt hatte zum DTM-Saisonauftakt gesagt: „Falls Michael auf die Formel 1 keine Lust mehr hat – wir haben für ihn immer Platz.“ Das dürfte ein Traum bleiben; der öffentlichkeitsscheue Deutsche dürfte sich wohl kaum im geselligen DTM-Kreis wohl fühlen. Auf dem Lausitzring ist Schumacher aber ohnehin kein Thema mehr gewesen – auch ein Verdienst von Mika Häkkinen. „Ich bin super glücklich“, sagte der Finne nach dem Rennen. „Der Boxenstopp hat mich einen Platz gekostet, aber ansonsten ist das Rennen fantastisch gelaufen.“

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