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Noch zu tun. Arbeiter befestigen einen Sichtschutz am Nationalstadion in Warschau, in dem am Freitag das EM-Eröffnungsspiel Polen gegen Griechenland ausgetragen wird.

© dapd

Fast geschafft: Polens Stadien sind fertig geworden

Zwar die Stadien in Warschau, Posen, Breslau und Danzig rechtzeitig zur Europameisterschaft fertig geworden, dafür stehen die Polen noch vor unfertigen Straßen und Bahnstrecken.

Überall wird gebaut, gemalt, gewerkelt und verschönert. Noch müssen, in letzter Minute, Wege und Straßen ausgebessert oder sogar erst noch fertiggestellt werden. Die Arbeiten rund um die Austragungsorte und die Stadien machen in den Tagen vor der Fußball-Europameisterschaft hier in Polen vielen das Leben schwer. Die EM-Euphorie muss warten. Aber vor allem jüngere und weitgereiste Polen zeigen viel Verständnis und freuen sich auf die Zehntausenden von ausländischen Fußballfans. Und niemand will, dass sich bewahrheitet, was im Ausland befürchtet worden war: dass Polen und die Ukraine ihre Umbauten für die EM gar nicht bis zum Anpfiff fertig bekommen.

In der polnischen Hauptstadt Warschau hat sich der alte Schandfleck der Stadt, der Ostbahnhof, in eine moderne Stahl-und-Glas-Konstruktion verwandelt. Digitalisierte Anzeigetafeln kündigen die Züge und deren Verspätungen neben polnisch nun auch auf Englisch und Russisch an. Das muffige Gewühl von einst ist freundlicher Nüchternheit gewichen. Gerade noch rechtzeitig konnte der Bahnhof vor dem Fan-Ansturm eröffnet werden. Bewahrheitet hat sich hier und andernorts damit eher eine Erwartung ausländischer Beobachter vor Ort: dass es die Polen mit ihrer Improvisationsgabe am Ende doch noch schaffen würden.

Der polnische Einfallsreichtum zeigt sich bereits in den Bahnhofsunterführungen auf der Stadionseite. Statt gründlich zu renovieren, wurden hier Löcher kurzerhand mit Platten abgedeckt, eine nette Gehunterlage draufgeklebt, und verdeckt ist alles bis zum Ende der EM. „Viel Kosmetik“, sagt auch Andrzej P., der in den nahen Wohnblocks lebt, „doch die neuen Tramhaltestellen sind dafür von hoher Qualität.“ Ohne Fußball-EM hätte der verarmte Stadtteil Praga, in dem das neue Nationalstadion liegt, darauf wohl noch Jahre warten müssen, ist der Rentner überzeugt. „Allein schon deshalb freue ich mich über die EM“, sagt er.

Die EM-Stadien im 360-Grad-Panorama bei Google Street View:

Viele Polen klagen allerdings über die Euro 2012, vor allem wegen des Zustands des Straßen- und Schienennetzes. Beim Anflug auf die polnische Hauptstadt ist der braune Erdring um die halbe Stadt deutlich zu sehen, genauso wie die versprochene Autobahn A 2 nach Berlin aus der Vogelperspektive nur selten asphaltschwarz aufscheint.

Die polnische Regierung hat vor der EM noch schnell die Autobahn-Maut erhöht

Polens Planer vom Dienst verwenden deshalb jetzt viel Fantasie auf die neuralgische Strecke. Eigentlich hätte ein chinesisches Konsortium die Autobahn fristgerecht zur EM zu einem Schleuderpreis bauen sollen. Wenige Monate vor der EM erwies sich das indes als Flop. Nun versucht ein tschechisches Konsortium, ein Autobahn-Provisorium zumindest befahrbar zu machen. Je nach Spielausgang in den Vorrundengruppen werden nämlich zusätzlich Zehntausende von Fans aus Deutschland und Holland erwartet, von denen Tausende im Pkw anreisen sollen.

Auch die Autobahnstrecke zum Spielort in Danzig ist nicht rechtzeitig fertig geworden. Wer von Berlin aus nach Danzig über die A 2 fährt, muss zwischendurch auf Landstraßen ausweichen, um auf die A 1 zu gelangen. Recht gut sind zwar die Spielorte in Breslau und Posen zu erreichen. Die Fahrt nach Breslau über die A 18 ist sogar mautfrei, wenn auch auf dem ersten Streckenabschnitt wegen der alten Betonplatten sehr holprig. In die Ukraine aber muss man ohnehin über längere Landstraßenabschnitte weiterfahren.

Kurz vor EM-Beginn hat die polnische Regierung dafür noch die Maut auf den Autobahnen ausgedehnt und erhöht. Allerdings sind immer nur Teilabschnitte mit Maut belegt, und deren Höhe ist wiederum nicht einheitlich geregelt. Die Fahrt nach Posen von der deutschen Grenze aus kostet beispielsweise rund 7 Euro 50 und nach Lodsch fast 19 Euro.

Von den insgesamt versprochenen 900 Kilometern Autobahn- und 2100 Kilometern Expressstraßen sind nach Expertenangaben höchstens 40 Prozent fertig geworden. Die Regierung spricht stattdessen von 80 Prozent, doch wurden nachträglich teilweise Planvorgaben nach unten korrigiert. Statt der angekündigten knapp drei Stunden zwischen Warschau und Danzig fährt man übrigens auch zu den EM-Spielen mehr als vier Stunden mit der Bahn.

Einzig der Ausbau der Flughäfen und Fußballstadien ist gelungen. Von den gut 20 Milliarden Euro Investitionen sind jedoch nur sechs Prozent in die Stadien sowie ein Prozent in die Flughäfen geflossen. Der große Nachholbedarf lag klar bei Straße (75 Prozent der EM-Investitionen oder rund 15 Milliarden Euro) und Schiene (elf Prozent). Als Entschuldigung für die verspätete Bahninfrastruktur führt die Regierung nun den Umstand an, dass die Uefa die Spielortpaare im Nachhinein geändert habe. So wurde etwa die Nebenlinie zwischen Danzig und Posen plötzlich wichtiger als die Hauptlinie Warschau– Danzig.

All diese Infrastruktur-Modernisierungs-Versprechen seien unnötig gewesen, kritisierte dieser Tage Michal Listkiewicz, der Ex-Vorsitzendes des Polnischen Fußballverbandes. „Die EM wird eh ein Fest“, sagte er, „vor allem, wenn auch das Wetter mitspielt.“

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