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Sport: Fast wie Gerd Müller

Der Bochumer Thomas Christiansen führt die Torjägerliste an

Von Richard Leipold

Bochum. Fünf Tore nach dem zweiten Spieltag – mit dieser Quote liegt Thomas Christiansen nur knapp hinter Gerd Müller. Der beste deutsche Stürmer war vor einem Vierteljahrhundert mit sechs Treffern, verteilt auf zwei Runden, in die Saison gestartet. Wie einst der Rekordschütze aus Bayern ist Christiansen ein schüchterner Vertreter seiner oftmals zur Lautstärke neigenden Zunft. Die Selbstdarstellung liegt ihm nur auf dem Platz, vorzugsweise im Strafraum des Gegners. Bleiben nach fünf Toren noch Wünsche offen? Wer die Bochumer Verhältnisse kennt, könnte die Frage zunächst verneinen. Alles „Treffer für die Mannschaft“, sagt der dänische Spanier, der auf der Suche nach sportlichem Glück offenbar erst in Deutschland fündig geworden ist – auf der vierzehnten Station seiner Europareise. Vor dem Hintergrund dieser Biografie hegt Christiansen noch einen Wunsch. Er will in Bochum bleiben, „so lange wie möglich“. Für einen kickenden Vagabunden wie ihn wäre es schön, einmal zu erleben, wie es ist, als Fußballprofi einen Arbeitsvertrag zu verlängern.

Als Thomas Christiansen noch eine Karriere beim FC Barcelona vor Augen hatte, kannte er den VfL Bochum, wenn überhaupt, nur dem n nach. Bei den Katalanen suchte er einst das große Glück, fand es aber nur kurz, wie zwei Einsätze in der spanischen Nationalelf belegen. Von Johan Cruyff entdeckt, verlor das Talent einst das Duell gegen Jordi Cruyff, den Sohn des berühmten Trainers und noch berühmteren Spielers aus Holland. So war Barcelona nur der Ausgangspunkt eines langen Marsches durch die Instanzen des internationalen Fußballs für den Stürmer aus Dänemark, der eine spanische Mutter und einen spanischen Pass hat.

Als Christiansen vor gut anderthalb Jahren ins Ruhrgebiet kam, erging es ihm zunächst so ähnlich wie einst beim Weltklub Barca. Er wurde keine feste Größe – obwohl ihm beim VfL kein junger Cruyff im Wege stand. In zwölf Spielen gelang ihm ein Treffer und sonst nicht viel. Nach dem Abstieg des VfL fand Christiansen in Bochum den Boden für seinen ganz persönlichen Aufstieg, der auch dem Klub zugute kam. Mit 17 Toren half der Stürmer den Westfalen als viertbester Schütze der Zweiten Liga wieder auf die Beine. Inzwischen scheint der 29 Jahre alte Profi höheren, am Ende vielleicht sogar höchsten Ansprüchen gerecht werden zu können. Beim Start in Nürnberg gelangen ihm doppelt so viele Tore wie in der ersten Halbserie seiner Bundesligakarriere. Eine Woche später gegen Cottbus erhöhte er sein Pensum auf drei Treffer.

Dass er zur Rückrunde der Saison 2000/2001 nach Bochum kam, verdankt Christiansen einem Zufall. Als der damalige VfL-Trainer Ralf Zumdick den Abwehrspieler Sören Colding von Bröndby Kopenhagen beobachtete, fiel ihm auch Christiansen auf, der für den dänischen Klub Herfölge BK zwei Tore gegen Bröndby erzielt hatte. Zumdick ist längst weg, doch bei Christiansen hatte der sonst wenig erfolgreiche Trainer offenbar ein Talent entdeckt, das anfangs verborgen geblieben war. Von Neururer aus dem Mittelfeld ins Sturmzentrum versetzt, blüht der Spanier in der Bundesliga richtig auf. Wer im Fußball so viel unterwegs war wie Christiansen, verliert seine Bodenhaftung dennoch nicht. „Es ist ganz hoch gegangen“, sagt er, „und dann wieder bin ich tief gefallen.“ Ähnlich wie der VfL, der sich einst als Aufsteiger für den Europapokal qualifiziert hatte und zwei Jahre später abstieg. Christiansens neue Heimat Bochum ist nicht Barcelona, aber auch nicht schlechter als Osasuna, Oviedo, Santander oder Villareal. Eine im Ruhrgebiet weit verbreitete Mentalität hat der Spanier sich schon zu Eigen gemacht. „Mit beiden Beinen auf dem Boden bleiben.“

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