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Sport: Fasziniert vom "Schach auf dem Rasen"

Für den American-Football-Spieler Wanja Müller ist die neue Saison doppelt wichtigVON DIETMAR WENCK BERLIN.Ausgerechnet im wichtigsten Spiel seiner jungen Karriere hatte Wanja Müller alles vergessen.

Für den American-Football-Spieler Wanja Müller ist die neue Saison doppelt wichtigVON DIETMAR WENCK BERLIN.Ausgerechnet im wichtigsten Spiel seiner jungen Karriere hatte Wanja Müller alles vergessen.Rund 1000 Spielzüge speichert der 19jährige normalerweise in seinem Kopf.Soviel braucht man schon, wenn man ein guter Lenker im American Football sein will.Wanja Müller ist ein solcher Lenker - die Amerikaner sagen Quarterback -, und zwar der beste seines Alters auf dem alten Kontinent.Deshalb führte er eine Jugend-Europa-Auswahl an, die Ende Januar im Vorspiel der Super Bowl zwischen Green Bay Packers und New England Patriots in New Orleans gegen Mexiko antrat.In der ersten Hälfte führten die Europäer mit einem fehlerfreien Wanja Müller noch 6:3; Anfang der zweiten wurde er von einem Mexikaner derart über den Haufen gerannt, daß er eine Gehirnerschütterung erlitt.Das erschütterte auch seine Mannschaft, denn der Berliner, der nicht ahnte, wie schwer er getroffen war, machte wohl weiter, aber er brachte die Spielzüge durcheinander und warf zweimal den Ball genau in die Arme der Gegner.Europa verlor 6:30. Macht nichts.Von dem Zusammenprall hat er sich ebenso erholt wie von der Niederlage der Patriots (mit seinem großen Vorbild Drew Bledsoe) gegen die Packers.Auf Wanja Müller warten schon die nächsten großen Aufgaben.Er soll die Berlin Adler in der Bundesliga mit seiner Regie und seinen Pässen vor dem Abstieg aus der Bundesliga bewahren.Ein 19jähriger als Stammspieler? "Ich glaube es erst, wenn ich beim ersten Spiel dastehe und anfange", sagt Müller halb zuversichtlich halb ungläubig.Da die Adler kaum Geld für den Einkauf teurer Amerikaner haben, stehen seine Chancen gut.Holger Korber, einer seiner Trainer, sagt: "Es wird nicht leicht für ihn, er muß lernen.Aber wir wissen, was er kann." Er hat schon gezeigt, was er kann.Zum Beispiel im vergangenen Jahr, als die Adler und Lokalrivale Rebels um den Bundesligaplatz rangen.Auf der anderen Seite stand mit Clifford Madison Müllers Vorgänger, Entdecker und Lehrmeister auf der Quarterback-Position.Wanja Müller nutzte seine Chance, warf zwei saubere Pässe auf Frank Stahnke, die Adler blieben erstklassig.Bei der Jugend-EM wählte ihn eine Jury zum besten Spielmacher.Nicht schlecht für einen, der vor wenigen Jahren noch bei Bundesligaspielen in Pausen die Wasserflaschen auf den Rasen schleppte."Großen Respekt" habe er "vor den Alten", die soviel erreicht haben, viermal Deutscher Meister waren.Nun soll er sie anführen. Wanja ist der Sproß einer sportbegeisterten Familie - sein Onkel Rainer Müller war 1970 gemeinsam mit Jürgen Barth Tandem-Weltmeister, sein Cousin Patrick Falk ist Basketball-Profi beim SV Oberelchingen und gewann mit Alba Berlin 1995 den Korac-Cup.Er selbst kam über einen Schulkameraden zum Football."Klein und dick", sagt Müller, sei er als Junge gewesen, aber fasziniert von diesem "Schach auf Rasen".Geistig und körperlich fit müsse man sein.Die Arbeit daran begann.Einen Schulaufenthalt in den USA nutzte Wanja Müller, um im Kraftraum Gewicht zu machen.Wichtig für einen Quarterback.15 Kilogramm hat er zugelegt, inzwischen ist der 1,85 m große Abiturient bei 93 kg angelangt.Die Masse an den richtigen Stellen ist ein gutes Argument gegen Verletzungen. Sollte sich sein Traum, ein College-Stipendium in den USA, erfüllen, will Wanja Müller "Sports Management" studieren; wird es damit nichts, wäre auch ein Lehramtsstudium in Deutschland in Ordnung.Nicht aus den Augen verlieren wird Wanja Müller in jedem Fall die Weltliga.Bisher spielen dort die Galaxy aus Frankfurt und Rhein Fire aus Düsseldorf.Die Bildung eines Berliner Teams ist im Gespräch.Warum nicht mit mir, denkt sich Wanja Müller, zumal die amerikanischen Macher der Liga planen, künftig mehr regionale Spieler zu integrieren, gerade auf seiner Position.Daher ist die Saison mit den Adlern für ihn doppelt wichtig: Wer sich in der Bundesliga durchsetzen kann, dem steht vielleicht die Welt(-liga) offen.

DIETMAR WENCK

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