zum Hauptinhalt

Sport: FAZIT DER XVIII.OLYMPISCHEN WINTERSPIELE IN NAGANO AUS DEUTSCHER SICHT: Gegen-Leistung in Eis und Schnee erbracht

Die Zuschüsse des BMI zahlen sich aus / Spitzenposition besser als erwartet behauptetVON SEBASTIAN ARLT NAGANO.Die deutschen Sportfunktionäre seien doch nur "geil" aufs Medaillenzählen, hat Franziska Schenk geschimpft, das über 1000 Meter gestrauchelte Eisschnellauf-Model.

Die Zuschüsse des BMI zahlen sich aus / Spitzenposition besser als erwartet behauptetVON SEBASTIAN ARLT NAGANO.Die deutschen Sportfunktionäre seien doch nur "geil" aufs Medaillenzählen, hat Franziska Schenk geschimpft, das über 1000 Meter gestrauchelte Eisschnellauf-Model.Unter diesem Aspekt dürften es für die so Gescholtenen erregende Spiele gewesen sein.Aber Spaß beiseite: Die deutsche Mannschaft hat wohl alle ernst zu nehmenden Prognosen übertroffen, wurde mit insgesamt 29 Medaillen (12 Gold/9 Silber/8 Bronze) beste Mannschaft unter den 72 teilnehmenden Ländern bei den XVIII.Olympischen Winterspielen von Nagano.Die Mannschaft hat sich in Japan sehr gut präsentiert, nur wenige Flops (alpine Männer, Curling, Eishockey) gab es schließlich zu registrieren. Als "Spiele der Wahrheit" war die Veranstaltung in den japanischen Alpen für die deutschen Sportler, aber auch für das System aus Talentsichtung, Förderung sowie finanzieller und beruflicher Absicherung vorher apostrophiert worden.Die Winterspiele von Albertville 1992 hatten für den damals erstmals wieder gesamtdeutschen Sport als "Aufnahmeprüfung" gegolten, bei der man Platz eins (insgesamt 26 Medaillen - 10 Gold/10 Silber/6 Bronze) in der Länderwertung belegt hatte.Damals gingen acht von zehn Goldmedaillen an Sportlerinnen und Sportler aus Ostdeutschland.Zwei Jahre später, bei der "Zwischenprüfung" in Lillehammer (24 Medaillen - 9/7/8), war noch ein großer Teil des Potentials von 1992 hinübergerettet worden.Es fand eine Stabilisierung statt.In Nagano hatte sich zeigen müssen, ob es geschafft wurde, ein flächendeckend gutes System für den Leistungssport in Deutschland aufzubauen.Zweifellos ist dies gelungen, vor allem durch die "Sponsoren" Bundeswehr und Bundesgrenzschutz.Gut drei Viertel aller Medaillen wurden von Angehörigen dieser beiden Einrichtungen eingeheimst. Deutschland also ganz oben.Doch es war erfreulich, zu sehen, daß niemand ob dieser Stellung in Chauvinismus verfiel.Überhaupt stellt sich die Grundsatzfrage: Was bedeutet es für ein Land, das trotz allem immer noch zu den wohlhabendsten in der Welt zählt, eine führende Rolle im Wintersport oder auch im Sport generell zu spielen? Natürlich ist der (Leistungs-)Sport schon lange nicht mehr die angeblich schönste Nebensache der Welt.Aber sind Erfolge auf der Bühne des Weltsports wirklich "der Ausweis der Leistungsfähigkeit eines Volkes", wie es Bundesinnenminister Manfred Kanther immer verkündet? Sind Medaillen wirklich "ein nationales Anliegen" (Kanther)? Diese Nation hat sicherlich weit wichtigere Anliegen. Für den Staat, der den Sport als einen für die nationale Repräsentation offensichtlich wichtigen Faktor hält, ist es jedenfalls keine Frage, als Geldgeber aufzutreten.360 Millionen Mark Fördermittel für den Sport gibt das Bundesministerium des Inneren (BMI) jährlich.215 Millionen Mark davon gehen an "zentrale Maßnahmen im Bereich Spitzensport", allein 70 Millionen Mark bekommt der Wintersport.Es kann nicht verwundern, daß Zahlmeister BMI - mit Verweis auf den Steuerzahler - für finanzielle Leistungen Gegen-Leistung in Eis und Schnee sehen will.Das Zauberwort heißt Legitimation.Das BMI muß im Verdrängungskampf der Ministerien ebenso sportliche Erfolge vorweisen, um die Zahlungen für den Sport zu rechtfertigen, wie andererseits der Sport gegenüber dem BMI Medaillen und Plazierungen vorzählen muß.Alle Beteiligten bekennen sich zu diesem "Spiel". Im Dezember 1997 wurde auf Druck des BMI das 28seitige "Nationale Spitzensport-Konzept" vom Deutschen Sportbund (DSB) verabschiedet.Eine Art Beruhigungspapier für den Geldgeber Staat.In vorauseilendem Gehorsam hatte der DSB obendrein gleich angekündigt, unbedingt die führende Position Deutschlands unter den besten drei Ländern im Weltsport festigen zu wollen.DSB-Präsident Manfred von Richthofen sieht darin etwas ganz Normales: "Ich finde es richtig, wenn man sich ein Ziel setzt." Am 5.Mai heißt es für die Verantwortlichen des Spitzensports in Deutschland, beim BMI den Output, die erbrachten Leistungen, vorzutragen.Gemeinsam wird dann ausgewertet.Sicherlich sind die Funktionäre mit dem Erfolg von Nagano im Rucksack in einer guten Position.Wenn dem Staat daran gelegen ist, daß der deutsche Sport weiter eine führende Rolle spielt (wovon auszugehen ist), dürften die Zuwendungen auch zukünftig nicht gekürzt werden.Die Sport-Funktionäre, aber auch die Sportler, können aufatmen.Denn auch die Aktiven wissen: Ohne Unterstützung von "oben" wären sie nicht konkurrenzfähig, wenn es um Medaillen geht. Wobei gerade für die deutschen Sportführer absolut kein Grund besteht, sich selbstzufrieden zurückzulehnen.Sie sind nach wie vor in der Pflicht, gemeinsam (!) Doping- und Stasi-Verwicklungen im Sport in Deutschland Ost und West aufzuarbeiten.Und zwar offensiv.Und nicht erst kurz vor den Olympischen Spielen in Betriebsamkeit zu verfallen, weil das Thema - völlig unerwartet? - wieder hochgekocht wurde.Man solle aufhören, "mit Kanonen auf Spatzen zu schießen", hat Walther Tröger, der Präsident des Nationalen Olympischen Komitees für Deutschland (NOK), in diesem Zusammenhang erklärt.Aber alle "Vögel" fliegen zu lassen, wäre ebenso ein falscher Weg.

SEBASTIAN ARLT

Zur Startseite