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Sport: FC Asien München

Die Bayern setzen auf das internationale Geschäft – vor allem in Fernost. Deshalb reist der Deutsche Meister für ein Freundschaftsspiel bis nach Japan

„Der Asiate sitzt mir im Nacken“, hat der Außenminister gesagt, als wir uns mit ihm verabreden wollen. Dann hat er gelacht und erzählt, dass er gerade in Vietnam war, dass er sich um koreanischen und chinesischen Journalisten gekümmert habe und dass er gerade die Reise nach Japan vorbereite. Aber dann hat er gesagt: „Kommen Sie einfach vorbei. Säbener Straße 51. Zweiter Stock. Fragen Sie nach Martin Hägele.“

So einfach kriegt man wohl bei keinem anderen Außenminister einen Termin, aber Martin Hägele hat ein offenes Ohr für Journalisten, denn er war selbst einer, bevor er im April 2005 den Job annahm, der etwas umständlich „Leiter internationale Beziehungen“ heißt. Und das wohlgemerkt nicht in irgendeiner Regierung, sondern beim FC Bayern München.

Am Sonnabend brach seine Mannschaft nach Japan auf. Flog zwölf Stunden nach Tokio. Spielt heute Abend gegen Urawa Red Diamonds. Fliegt zwölf Stunden nach München. Soweit die Fakten. Aber hinter dieser Tour de Force steckt natürlich mehr. Es geht ums Geschäft und Martin Hägele sagt den Satz, den er im Laufe des Gesprächs wie ein Mantra wiederholt. „Wir müssen die Marke FC Bayern international bekannt machen.“ Dabei hat Herr Hägele für einen Außenminister eine relativ eindimensionale Weltsicht: „Wenn wir ‚international’ sagen, dann meinen wir zu 90 Prozent Asien.“

Asien – es ist das Zauberwort im Fußballbusiness, dort ruht ein riesiges Potential. Engländer, Italiener und Spanier hatten die Region schon in den 90ern entdeckt. Nur die Deutschen haben den Trend verschlafen. Das Geld, mit dem sie Leo Kirch überschüttete, machte sie blind für die Welt und die Auslandsvermarktung ihres Fußballs. Das rächt sich heute: Während die Premier League 157 Millionen Euro durch die Auslands-Fernsehrechte einnimmt, sind es bei der Bundesliga lediglich 20 Millionen Euro. Die Vereine der Bundesliga spielen in Asien kaum eine Rolle. „Wir sind in Japan vielleicht Nummer sieben oder acht“, sagt Martin Hägele. Um genau das zu ändern, hat der FC Bayern ihn als Außenminister verpflichtet.

Früher war das internationale Geschäft einfach: Da schickte der Fan-Beauftragte Raimond Aumann einen Brief mit den neusten Infos an alle Fanklubs weltweit, und als man ihn fragte: „Auf welcher Sprache schreiben Sie denn ihren Fanklubs“, da sagte er: „Natürlich auf Deutsch. Wir sind ja ein deutscher Verein.“ Dann kam der Brief an, zum Beispiel bei Christophe Godon, dem Vorsitzenden des „Bayern-Fan-Clubs Orleans“ in Frankreich, und der setzte sich mit einem Konversationslexikon hin und übersetzte den Brief Wort für Wort. Heute ist die Webseite der Bayern, wenn auch nicht auf Französisch, so doch auf Englisch, Japanisch und Chinesisch abrufbar und das sagt eigentlich alles über den Wandel des FC Bayern hin zu einem globalen Verein.

In der Geschäftsstelle teilt sich der Außenminister seinen Tisch mit einer Vorstandssekretärin, und wenn man das hört, scheint das Haus des FC Bayern immer noch zu klein zu sein für die große weite Welt. „Na ja. Es ist nicht so ganz einfach“, gibt Herr Hägele zu. In Deutschland hasst oder man liebt den FC Bayern – auf jeden Fall kennt man ihn. „Aber erzählen Sie mal dem Japaner, dem Chinesen oder dem Inder etwas über Liebe und Hass im deutschen Fußball.“

Ungünstigerweise haben die Bayern keinen Star wie Ronaldinho oder Beckham, bei dem die Mädels kreischen und dem die Jungens nacheifern. Also sagt Herr Hägele: „Wir müssen einen behutsamen Weg gehen. Irgendwann müssen auch die Asiaten begreifen, dass es nicht nur auf kurzfristige Mode und Glamour ankommt, sondern dass Fußball ein Mannschaftsspiel und ein seriöses Geschäft ist.“

Ein erster Schritt in Richtung dieser Erkenntnis könnte das vergangene Jahr gewesen sein. Beim Spiel gegen den Tabellenvorletzten der J-League haben die Königlichen aus Madrid katastrophal gespielt. 3:0 lagen sie schon zur Halbzeit hinten. Die Japaner hatten eine Menge Geld gezahlt, wollten guten Fußball sehen und Beckham natürlich auch. Stattdessen gab es einen maßlos arroganten Auftritt einer besseren B-Mannschaft und Beckham blieb auf der Bank. Die Zuschauer pfiffen, die Medien richteten Real regelrecht hin. Manchester United erging es ähnlich. „Man darf die Asiaten nicht für dumm verkaufen. Die wollen auch nur guten Fußball sehen.“ Und während Herr Hägele das sagt, lächelt er, denn die Fehler der anderen sind auch seine Chance.

Manchester und Real wurde nach ihrem Fauxpas nahe gelegt, in der nächsten Zeit einen Bogen um Asien zu schlagen und etwas Gras über die Sache wachsen zu lassen, weshalb der FC Bayern diesen Sommer neben dem FC Sevilla und Celtic Glasgow der einzige europäische Verein mit einem Gastauftritt in Asien ist. Schon letztes Jahr spielten die Bayern in Japan – nur standen sie damals in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit eben im Schatten der glamourösen Vereine aus Madrid und Manchester. So ist dieses Jahr der Lohn wohl weniger die 1,5 Millionen Euro Gage, die der FC Bayern für seinen Auftritt kassiert, sondern die Möglichkeit, sich in Japan ungestört präsentieren zu können. Drei japanische Fernsehsender übertragen das Freundschaftsspiel gegen die Urawa Red Diamonds. Seit vergangenem Jahr kooperiert der FC Bayern mit den Red Diamonds. Er tauscht mit dem Partnerverein Trainer und Offizielle aus, sucht in Japan und Indonesien nach Talenten, tourt mit den Amateuren durch Indien, will auch in Vietnam abseits des großen Marktes Fuß fassen, nutzt die Verbindungen seiner Sponsoren in Fernost.

So entsteht ein großes Netzwerk. Die Rechnung dabei ist einfach. Je mehr Menschen den FC Bayern weltweit kennen, desto interessanter wird der Verein für internationale Sponsoren und desto höher sein Markenwert. So lässt sich der wirtschaftliche Erfolg auch nicht in verkauften Trikots messen, und als sei es eine völlig unangebrachte Frage, gerät Martin Hägele in Rage, wenn man ihn nach dem Trikotabsatz in Asien erkundigt. „Darum geht es doch gar nicht. Ich kann doch nicht hergehen mit der Erwartung in Vietnam 100 000 Trikots verkaufen zu wollen. Das Stück für 50 Euro! Das ist ja ein Monatsverdienst! Das wäre arrogant.“ Und dann sagt Herr Hägele noch den bemerkenswerten Satz: „Wir sollten uns auch nicht ärgern, wenn da in Vietnam und Thailand Kids in gefakten FC Bayern-Trikots rumlaufen. Hauptsache, die Leute zeigen ihre Zuneigung zum FC Bayern, und das tun sie, wenn sie in unseren Trikots herumlaufen."

Diese Strategie hat sich schon bei anderen bewährt. Anfang der 90er verkaufte der AC Mailand seine Fernsehrechte für einen Spottpreis nach China. Damals kam dort gerade das Fernsehen groß raus und eroberte das flache Land. Es gab wenig Programm und viele Wiederholungen. Das Statussymbol Fernseher lief rund um die Uhr und so sahen die Chinesen eben jedes Spiel des AC Milan 15 Mal. Trikots hat Milan damit sicherlich nicht verkauft – die haben die Chinesen flugs gefälscht. Aber einer der bekanntesten Vereine im bevölkerungsreichsten Land der Erde ist der AC Mailand so dennoch geworden.

In Deutschland steht der FC Bayern mit seinen Asien-Aktivitäten relativ alleine dar. Seitdem der HSV Naohiro Takahara verkauft hat, ist die Vereins- Homepage auch nicht mehr auf Japanisch abrufbar. Die Forderung nach Abschaffung des Ligapokals, der zeitraubend ist und ausgedehnten Promotionausflügen im Wege steht, erhebt der FC Bayern routiniert. Genützt hat es bisher nichts. Am Dienstag kommt die Mannschaft zurück. Am Mittwoch spielen sie das ungeliebte Turnier. Dann hat sie das Kerngeschäft wieder.

Aber auch dann ist Asien nicht vergessen. Wie immer werden die Chinesen die Homepage des FC Bayern bis zu 3 Millionen Mal im Monat anklicken; Titan Sports, die wichtigste chinesische Sportzeitung, wird wie immer alle vier Wochen ein Exklusivinterview mit einem Spieler kriegen; die Manager der Red Diamonds werden wieder zu Besuch kommen; die Talentscouts werden wieder durch Asien touren; und Außenminister Hägele wird für nächsten Sommer wieder eine Asienreise vorbereiten. Dieses Mal eine große – auch mit ein oder zwei Spielen in China. Und die Herren vom Bayern-Fan-Klub „Oans, zwoa g’suffa Shanghai“ werden auf ein Gastspiel vor Ort hoffen.

Peter Kasza[München]

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