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Verspielt. Pep Guardiolas Ballbesitz-System hat seinen Schrecken verloren.

© AFP

FC Bayern München: Pep Guardiola und die Systemfrage

Nach dem Aus des FC Bayern München in der Champions League hat das Ballbesitz-System von Pep Guardiola seinen Schrecken verloren. Der Trainer gibt zwar Fehler zu, will seine Taktik aber nicht grundlegend verändern.

Als sich die Mannschaft wieder traf, rund 40 Stunden später, war Stufe eins des individuellen Verarbeitungsprozesses beendet. Wahlweise haben die Spieler und Verantwortlichen des FC Bayern München den freien Tag daheim mit Schlucken, Schütteln und Weinen verbracht, wie sie noch in der Nacht der Demontage angedeutet hatten. „Das Leben geht weiter, so ist Sport“, hatte Arjen Robben gesagt, als das Debakel gerade ein paar Minuten vorbei war. Und doch wird dieses Halbfinale in der Champions League, die 0:4-Niederlage gegen Real Madrid im eigenen Stadion noch länger über dem FC Bayern hängen wie dunkle Wolken.

Es hat sich angedeutet in den vergangenen Wochen, dass ein großes Kapitel in der Münchner Erfolgsgeschichte zu Ende gehen wird. „Wir haben ein Stück zu wenig Leidenschaft in die Waagschale gelegt, um dem Gegner Probleme zu bereiten“, stellte der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge fest.

Das war schon beim 0:1 im Hinspiel in Madrid so. Fast zwei Jahre spielten die Bayern auf höchstem Niveau, erlaubten sich keine Schwächephase, weder körperlich noch mental, da musste fast zwangsläufig irgendwann ein Knick kommen. Dass dies ausgerechnet im unpassendsten Moment passiert, in der entscheidenden Saisonphase, in der sich nichts korrigieren lässt, ist für den FC Bayern bitter, aber auch „eine Herausforderung“, wie Sportvorstand Matthias Sammer sagt. „Und ich liebe Herausforderungen.“ In erster Linie ist es allerdings eine für den Trainer.

"Der Trainer hat es nicht gut gemacht", sagte Guardiola über sich selbst

Pep Guardiola muss sich eine Diskussion über sein Ballbesitz-System gefallen lassen, das lange als Nonplusultra galt, noch in den vergangenen Monaten, als die Bayern die Konkurrenz in der Liga und auch in der Champions League mit ihrem Passspiel verzweifeln ließen. Es war aber nur eine Frage der Zeit, bis die Gegner eine Lösung finden würden. Das passierte zuletzt nun immer häufiger, auch weil beim Triple-Sieger das Feuer nicht mehr ganz so stark loderte.

Nun ist Guardiolas Plan deshalb nicht außer Mode geraten, sondern er muss ihn nur überdenken, verfeinern und vor allem Alternativen kreieren, falls sein Code wie von Real Madrids Carlo Ancelotti geknackt wird. „Wir haben ein Stück weit unsere Grenzen aufgezeigt bekommen“, fand Rummenigge. Guardiola selbst hat in der Nacht, als der FC Bayern entzaubert wurde, sein System in Frage gestellt oder vielmehr die Ausführung. „Wir müssen uns Gedanken machen, ob das mit diesen Spielern das beste Rezept ist“, gab er zu.

Das Pokalfinale gegen Dortmund ist diesmal nicht nur eine Frage der Ehre

In den vergangenen Monaten hat Guardiola bereits bewiesen, dass er nicht dogmatisch auf seinen Plänen beharrt. Er weiß mittlerweile einen wuchtigen Mittelstürmer wie Mario Mandzukic zu schätzen und hat erkannt, dass manchmal sogar lange Bälle den Zweck heiligen, wenn es sonst kein Durchkommen gibt. Aber immer hielt er an der Ballkontrolle fest, und das will er grundsätzlich auch weiterhin. „Ich kann nicht ändern, was ich lebe, was ich fühle.“ Aber die Niederlagen gegen Real Madrid und vielleicht auch die gegen Borussia Dortmund in der Bundesliga haben gezeigt, dass Guardiolas Flexibilität innerhalb des Systems vielleicht nicht groß genug ist. Vor allem dann nicht, wenn die Mannschaft ihrer Bestform hinterherläuft.

Gegen Madrid opferte er den Mittelfeldspieler Lahm für den Außenverteidiger Lahm. Das Zentrum, die Schaltzentrale in Guardiolas Plan, war deshalb nur noch mit Toni Kroos und Bastian Schweinsteiger besetzt, weil Thomas Müller sich eher am Strafraum orientiert. Diese Formation stellte sich im Nachhinein als falsche Entscheidung heraus. So, erkannte Guardiola, „haben wir Real nicht kontrollieren können“. Nur zwei Spieler im zentralen Mittelfeld aufzubieten, sei „ein Riesenfehler“ gewesen. „Der Trainer hat es nicht gut gemacht“, sagte er über sich.

Guardiola kann zeigen, wie es besser geht im Pokalfinale am 17. Mai gegen Dortmund, „damit wir aus einer guten eine sehr gute Saison machen“, so Sammer. Der Pokal, der sonst nicht ganz so hohe Wertschätzung in München genießt, ist dieses Mal nicht nur eine Frage der Ehre, sondern ein Fingerzeig, ob das Ende der Erfolgsserie und die madrilenische Demütigung der Anfang einer neuen Ära sein können.

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