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Sport: FC Energie Chaos

Beim Zweitligisten Cottbus fordern die wichtigsten Sponsoren den Rücktritt des Managers Klaus Stabach

Michael Fuß wird sich vorgekommen sein wie jemand, der die alten Klamotten seines großen Bruders auftragen muss. Der Stürmer des Berliner Oberligisten Tennis Borussia durfte am Freitag als Gastspieler für Energie Cottbus auflaufen und hatte für seinen Einsatz das Trikot mit der Nummer 7 bekommen. Der ursprüngliche Spielername auf dem Rücken war mit Klebeband unkenntlich gemacht. Die 7 gehört in Cottbus eigentlich Laurentiu-Aurelian Reghecampf. Oder besser: Gehörte. Wenige Stunden vor dem Testspiel des Fußball-Zweitligisten gegen Hertha BSC bestätigten die Cottbuser den Verkauf von Reghecampf an Alemannia Aachen. „Das nächste Desaster“, sagte Energies Trainer Petrik Sander. Kurz vorher hatte sich der bisherige Stammtorhüter Gunnar Berntsen das Kreuzband gerissen.

Die Cottbuser schaffen es kaum noch, auf alle Desaster zeitnah zu reagieren – so viele sind es zurzeit. In der Liga ist die Mannschaft zum Ende der Hinrunde in ernste Abstiegsgefahr geraten, die Spieler bekommen seit Oktober nur noch 70 Prozent ihrer Gehälter, Michael Thurk ist vor dem Cottbuser Chaos nach Mainz geflüchtet, in Reghecampf geht jetzt einer der letzten Leistungs- und Sympathieträger, und der Machtkampf um Manager Klaus Stabach nimmt immer abstrusere Züge an.

Noch am Freitagnachmittag hatte Präsident Dieter Krein den gemeinsamen Entschluss von Präsidium und Verwaltungsrat verkündet, dass Stabach bis zum Ende seines Vertrags am 30. September im Amt bleiben werde. Ein paar Stunden später sah sich Dieter Friese, Landrat des Kreises Spree-Neiße und Mitglied des Verwaltungsrates beim FC Energie, zu einer öffentlichen Richtigstellung genötigt: „Es gibt keinen solchen Beschluss, an dem der Verwaltungsrat beteiligt gewesen ist.“ Im Gegenteil: Friese forderte im Namen der wichtigsten Sponsoren Energies die sofortige Beurlaubung Stabachs.

Die Sparkasse Spree-Neiße hat sich nur für diesen Fall zu zusätzlichen Zahlungen an den Verein bereit erklärt. Dazu haben die Energieunternehmen Vattenfall und Envia M angekündigt, vertraglich zugesicherte Leistungen für die Jahre 2006 und 2007 vorzuziehen, um das finanzielle Überleben des Klubs zu sichern. Energies Schulden sollen bei 5,5 Millionen Euro liegen, im Etat für diese Saison fehlen laut Stabach gut 300 000 Euro. „Wirtschaftlich wird sich die Lage jetzt entspannen“, sagte Energies Manager nach den Verkäufen von Thurk und Reghecampf.

Das reicht seinen Kritikern jedoch nicht. Sie fordern „eine nachhaltige Sanierung“ und glauben nicht, dass die mit Stabach möglich ist. Andreas Beil, der Sprecher des Verwaltungsrates, sähe als Manager „lieber einen Finanzwirtschaftler mit Fußballkenntnissen als einen Fußballer mit Finanzkenntnissen“. Er selbst wird als möglicher Nachfolger Stabachs genannt. Doch trotz dessen angeblicher Inkompetenz muss auch Beil zugeben: „Wir haben unsere Schulden in einem beträchtlichen Umfang reduziert.“ Er spricht von einer halben Million Euro im vorigen Jahr, Stabach sogar von einer Million. „Aber das will ja keiner hören“, sagt der Manager.

Cottbus ist der zweite aktuelle Fall in der Zweiten Liga, in dem Sponsoren massiv Einfluss auf die Vereinspolitik nehmen. Beim Karlsruher SC hatte der Energieversorger EnBW die Entlassung des Trainers Reinhold Fanz gefordert – und auch durchgesetzt. In Cottbus sieht Dieter Friese vom Verwaltungsrat „keine Vertrauensbasis für eine weitere Zusammenarbeit“ zwischen Stabach und den Sponsoren. Was dem Manager vorgeworfen wird, sagt niemand. „Ich kenne die Leute persönlich, die meine Entlassung fordern“, sagte Stabach. „Aber ich kenne ihre Vorwürfe nicht.“

Die Macht der Sponsoren ist in Cottbus auch deshalb so groß, weil es in der strukturschwachen Lausitz nur wenige potente Geldgeber gibt. „Wir können uns die Partner eben auch nicht aussuchen“, sagte Friese. Stabach und Präsident Krein verteidigen die Entscheidungshoheit der legitimierten Vereinsgremien gegen die faktische Macht der Wirtschaft. „Karlsruher Verhältnisse wird es bei uns nicht geben“, sagte Krein. Auch der Verwaltungsrat wehrt sich gegen den Eindruck der Fremdbestimmung. Dabei ist es in Cottbus längst schlimmer als in Karlsruhe: Schon mit der Entlassung von Trainer Eduard Geyer war die Vereinsführung lediglich dem Wunsch der Sponsoren gefolgt.

Unter diesen erschwerten Bedingungen muss Geyers unerfahrener Nachfolger Petrik Sander die Mannschaft nun zumindest vor dem Absturz in die Regionalliga bewahren. „Die Spieler besitzen ja eine gewisse Teilschuld an dieser Situation“, sagte Sander. „Jetzt haben sie die einmalige Chance, das wieder gerade zu rücken.“ Bei ihrem 3:1 gegen Hertha BSC zeigten die Cottbuser sogar Ansätze gepflegten Fußballspiels, und beim zuletzt chronisch murrenden Publikum scheint angesichts der widrigen Umstände das einstige Energie-Gefühl wieder zu erwachen. Sich gegen Widerstände zu behaupten hat in Cottbus immer schon einen wichtigen Teil des eigenen Selbstverständnisses ausgemacht. Das Problem ist: Diesmal kommt der Widerstand aus den eigenen Reihen.

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