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Geht doch. Beim 1:1 gegen Chelsea zeigten Liverpools Mannschaft und Trainer Jürgen Klopp wieder ein bisschen etwas von der alten Energie. Foto: Thompson/dpa

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FC Liverpool: Jürgen Klopp: Zurück zur Leidenschaft

Jürgen Klopp steckt mit dem FC Liverpool in der Krise – und ist längst nicht mehr unumstritten.

Endlich lächelte er wieder. Den ganzen Januar war Jürgen Klopp fast nur mit gerunzelter Stirn zu sehen. Aber am Dienstagabend grinste der Trainer des FC Liverpool, als er vor der Kamera der BBC stand. Er war wieder stolz auf seine Mannschaft, die gerade 1:1 gegen den FC Chelsea gespielt hatte. Es war vielleicht nicht der große Sieg, den sich manch ein englischer Fan gewünscht hatte. Aber dennoch eine Verbesserung – und ein möglicher Wendepunkt.

Seit Wochen steckt die Liverpooler Mannschaft in einer Krise. Seit dem Jahresanfang konnte sie in neun Spielen lediglich einen Gegner besiegen: den Viertligisten Plymouth Argyle. Im Laufe des Januars flog Liverpool aus zwei Pokalwettbewerben, der Rückstand zum Tabellenführer FC Chelsea liegt nun bei zehn Punkten. Aber nach dem 1:1 gegen die Londoner sagte Klopp: „Das war ein Fußballspiel, das jeder gerne guckt. Es waren 22 hochtalentierte Spieler auf dem Platz: Die in den roten Trikots haben Haltung, Bereitschaft, Leidenschaft gezeigt.“

Klopps Spieler haben tatsächlich eine Leidenschaft entdeckt, die ihnen im Januar gefehlt hat. Gegen die derzeit beste Verteidigung Englands sind sie mutig nach vorne gelaufen. Vor allem in der zweiten Hälfte haben sie um jeden Ball gekämpft – so wie es sich für eine Mannschaft von Jürgen Klopp gehört.

Mit der gleichen Energie war Liverpool im Herbst aufgetreten, als das Team zwischen August und Dezember 15 Spiele lang ungeschlagen blieb. Das war der temporeiche, spannende Fußball, den Klopp den britischen Fans versprochen hatte, als er vor fast 18 Monaten dort ankam. Er führte die Mannschaft zu dominanten Siegen über Watford, Crystal Palace und Leicester City, und etablierte die Reds als Chelseas gefährlichsten Herausforderer im Titelkampf.

„Wir alle im Verein müssen lernen, die Nerven zu behalten“

Das war jedoch alles vor den berüchtigten Weihnachtstagen im englischen Fußball. Der große Test für jeden Titelanwärter in der Premier League ist es, das volle Weihnachtsprogramm ohne eine erhebliche Krise zu überleben. Bis dahin lief es, doch das Programm hatte viel Kraft gekostet. Es folgte der Januar. Wegen des Afrika-Cups musste Klopp wochenlang auf den Senegalesen Sadio Mané und Kameruns Joel Matip verzichten. Andere Spieler wie Jordan Henderson mussten wegen kleiner Verletzungen pausieren, und der brasilianische Superstar Philippe Coutinho wurde erstmals seit einem Monat wieder fit. Der Mannschaft fehlte nicht nur die Energie des Herbstes, sondern auch die Struktur. Als Klopp zu teils verrückten Rotationen gezwungen wurde, wurden die grundsätzlichen Schwächen der Mannschaft sichtbar.

Und nach drei Heimniederlagen in nur acht Tagen sah sich der einst so geliebte Trainer zuletzt scharfer Kritik von Medien und von Fans ausgesetzt. Tatsächlich funktionierte ohne Adam Lallana als zentralem Taktgeber das ganze Mittelfeld oft nicht. Nach vorne ist das Team zu sehr auf die speziellen Momente eines Manés oder eines Coutinhos angewiesen. Diese Schwächen kann man nur mit viel Energie und Leidenschaft kompensieren. Gegen Chelsea nun war beides phasenweise wieder zu sehen – nicht nur auf dem Feld, sondern auch an der Seitenlinie.

Als Liverpools Torwart Simon Mignolet einen Elfmeter hielt, rastete der deutsche Trainer aus. Er schrie den vierten Offiziellen an. „Niemand kann uns besiegen!“, sollen die Worte gewesen sein. Vielleicht aus neu entdeckter englischer Höflichkeit oder vielleicht auch mit Blick auf die drei vorigen Niederlagen entschuldigte sich Klopp sofort dafür. Zu seiner Überraschung antwortete der vierte Offizielle, dass es kein Problem sei. Im Gegenteil: Er liebe Klopps Leidenschaft.

Englands Legende Gary Lineker hatte Klopp vor ein paar Tagen noch eine gewisse Respektlosigkeit gegenüber dem FA-Cup vorgeworfen. Mit seiner Rotation hätte er den traditionsreichen und beliebten Pokalwettbewerb verachtet. Am Dienstagabend hatte sich Lineker wieder beruhigt und lobte Klopp. „Wir alle im Verein müssen lernen, die Nerven zu behalten“, sagte auch der deutsche Trainer nach dem Spiel. „Lasst uns cool bleiben.“ Und leicht sarkastisch merkte Klopp an: „Ich bin froh, dass wir ein kleines Signal senden konnten, dass wir noch Teil der Liga sind und Fußballspielen können – manchmal sogar richtig gut.“

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