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Entschuldigung fürs Gewinnen. Britta Heidemann (r.) reichte nach dem Halbfinale im Degenfechten Shin A-Lam die Hand. Es half nichts. Nach dem Kampf legte der Trainer der Südkoreanerin Widerspruch ein. Das Technische Komitee bestätigte aber nach langen Diskussionen die Deutsche als Siegerin, der entscheidende Treffer sei noch vor Ablauf der Uhr erfolgt.

© dapd

Fechterin Britta Heidemann: Eine Sekunde für die Ewigkeit

Britta Heidemanns dramatisches Halbfinale gegen die Südkoreanerin Shin A-Lam ist jetzt schon ein Moment der Spiele – und könnte das Fechten verändern.

Eine Sekunde kann eine Welt sein. Sie kann ein Drama auslösen, sie kann die Arbeit von vier Jahren Vorbereitung belohnen oder zunichte machen. Die letzte Sekunde im olympischen Degenfinale zwischen Britta Heidemann und ihrer Gegnerin Shin A-Lam könnte auf jeden Fall die berühmteste Schlusssekunde dieser Spiele werden.

In dieser einen Sekunde ist viel passiert. Heidemann griff an, die Südkoreanerin traf mit, beide erhielten einen Punk. Dann wiederholte sich das ganze nochmal, es stand 5:5.Bei Gleichstand wäre die Südkoreanerin ins Finale eingezogen. Schließlich setzte Heidemann jedoch den entscheidenden Treffer zum 6:5. Ganz schön viel für eine Sekunde. Heidemann stand als Siegerin fest. Doch dann nahm das Drama noch einmal seinen Lauf.

Was es mit dieser Sekunde auf sich hatte, war eben nicht so eindeutig. Zwischendurch zeigte die Uhr 0 Sekunden an, ehe sie wieder auf eine Sekunde vorgestellt wurde. Darauf hatten sich beide Seiten geeinigt, es lag offenbar ein technischer oder manueller Fehler bei der Zeitnahme vor. Shin A-Lam und ihr südkoreanischer Trainer glaubten anschließend jedoch nicht, dass der Treffer von Heidemann tatsächlich zählte. Sie legten Protest ein, und weil die Südkoreanerin nicht aufgeben wollte, blieb sie einfach auf der Planche sitzen.

Bildergalerie: Britta Heidemann und der Eklat auf der Planche

Da saß sie, erst einmal eine knappe halbe Stunde bis zur ersten Entscheidung des Schiedsgerichts. Und noch einmal eine ähnliche Zeit, als das Kampfgericht noch über den schriftlich eingereichten Protest der Südkoreaner entscheiden musste. Unter Tränen verließ die Südkoreanerin dann in Begleitung von zwei Offiziellen die Planche und verlor auch noch das Gefecht um Bronze. Die Zuschauer hatten sich mehrheitlich auf die Seite der Südkoreanerin geschlagen, dennoch wollte sie sich hinterher beim Publikum entschuldigen. „Es tut mir leid. Sie haben viel bezahlt und mussten mehr als eine Stunde warten.“

Britta Heidemann gewann nach ihrer Goldmedaille in Peking nun noch die Silbermedaille, aber auch sie wird ihren Finaleinzug bestimmt nicht so schnell vergessen. „Das Halbfinale war ein absolutes Drama. Es war aufregend, da zu sitzen. Es war verständlich, dass die Koreaner Protest einlegten. Das hätte ich auch gemacht, wenn ich den letzten Treffer nicht bekommen hätte“, sagte sie nach einer Nacht, in der sie „erstaunlich gut“ geschlafen habe. „Ich habe die Offiziellen und Trainer machen lassen. Einfluss auf die Entscheidung hatte ich ohnehin nicht.“

Video: Heidemann spricht über ihre "gigantische Silbermedaille"

Eine persönliche Angelegenheit zwischen Heidemann und Shin A-Lam wurde auch nicht aus der Angelegenheit. „Direkt nach der Entscheidung ist der koranische Trainer auf mich zugekommen und hat mich umarmt. Es war eine tolle Geste, dass er klargemacht hat, dass es kein Streit unter Athleten war.“

Auch Heidemanns Trainer Manfred Kasper tauschte sich danach noch mit seinem südkoreanischen Kollegen aus. Dass die Entscheidung des Kampfgerichts auch anders hätte ausgehen können, kam für ihn jedoch nicht in Betracht. „Was hätten sie denn anders entscheiden sollen? Was wäre denn gewesen, wenn sie Brittas Treffer nicht anerkannt hätten?“

Heidemann wünscht sich nun, dass die Zeit im Fechten noch einmal geteilt wird und es in Zukunft nicht nur Sekunden auf der Uhr gibt, sondern auch Zehntel und möglicherweise Hundertstel.

Ihr Trainer ist davon nicht unbedingt überzeugt. „Wenn wir nach Zehnteln gehen, sind es vielleicht Hundertstel, die entscheiden. Und wenn wir auch Hundertstel haben, reicht vielleicht auch das nicht. Es wird immer eine subjektive Komponente im Sport geben.“

Die letzte Sekunde dieses Halbfinale blieb jedenfalls im Ungefähren, vor allem auch, wie lang sie eigentlich dauerte. War es eine Sekunde und 99 Hundertstel? Oder waren nur die letzten Bruchteile der Sekunde übrig? „Ich weiß es nicht“, sagte Manfred Kasper, „ich hab noch nicht einmal eine Ahnung davon, wer eigentlich bei der Zeitnahme auf welchen Knopf drückt.“

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