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Vorbei und rein. Der deutsche Torhüter Ron-Robert Zieler muss Jewgeni Konopljanka zum 0:2 ziehen lassen. Foto: dpa

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Sport: Fehler im System

Die deutsche Elf läuft naiv in ukrainische Konter und muss am Ende mit einem 3:3 in Kiew zufrieden sein

Kiew - Nach einer guten halben Stunde warf Ron-Robert Zieler den Ball auf den Boden und gleich einen Fluch hinterher. Für gewöhnlich führt sich ein Neuling in der Nationalmannschaft nicht so auf, doch der Torwart von Hannover 96, der gestern sein erstes Länderspiel bestreiten durfte, hatte allen Grund dazu. Seine Vorderleute hatten es den ukrainischen Gegenspielern wirklich viel zu leicht gemacht. Die Mannschaft von Trainer Oleg Blochin führte 2:0, und das nicht mal unverdient. Was für ein bitteres Debüt, wird sich Zieler gedacht haben, auch wenn es am Ende vor 69 720 Zuschauern zu einem 3:3 (1:3) für die deutsche Nationalelf reichte, der das personelle und taktische Experimentieren nicht bekam.

„Das Recht dazu nehme ich mir auch raus vor der EM, und es zeigt, wo wir uns noch verbessern wollen“, sagte Löw hinterher. Der Bundestrainer nutzte das Testspiel gegen den EM-Co-Gastgeber zum Probieren. Gleich sieben Stammspieler ersetzte Löw. Neben Manuel Neuer, der erst am Dienstag in Hamburg im Testspiel gegen Holland das deutsche Tor hüten wird, und den verletzungsbedingten Ausfällen von Bastian Schweinsteiger und Miroslav Klose sowie der verordneten Pause für Philipp Lahm, verzichtete Löw zunächst auf die üblich Verdächtigen wie Thomas Müller, Per Mertesacker und Lukas Podolski.

Für Neuer durfte eben Ron-Robert Zieler vorspielen, nur leider verlief das nicht wie gewünscht. Der 22-Jährige, der noch kurz vor dem Halbzeitpfiff ein drittes Gegentor schluckte, dieses Mal nicht ganz schuldlos, weil er beim 30-Meter-Schuss von Nasarenko etwas zu weit vor dem Tor stand, war nicht irgendein Debütant. Er war der 50. Neuling der Löw-Ära. Ohnehin ging gestern eine Mannschaft ins Spiel, die – wenn man so will – als reine Löw-Mannschaft durchgeht. Allen elf deutschen Startspielern hat Löw erst zum Debüt in der Nationalmannschaft verholfen. So beispielsweise das offensive Mittelfeld-Duo Mesut Özil und Mario Götze, welches erstmals von Beginn an spielte. Leider fiel das Duo zunächst negativ auf, weil es nach einer deutsche Ecke, bei der kleinere Spieler wie Özil und Götze den Rückraum decken sollen, den ukrainischen Konter, der durch Jarmolenko zum 0:1 führte, nicht unterbinden konnten. Auch das 0:2 nahm seinen Anfang in einer Offensivaktion der Deutschen, genauer gesagt in einer Ecke. Der kopfballstarke Mats Hummels, der aufgerückt war, verlor den Ball. Den schnellen Konter nutzte Konopljanka zum 2:0. Ein wenig rächte sich Löws Wagnis, mit einer Dreierabwehrkette zu fungieren, wobei Holger Badstuber zentral wirkte, an den Seiten assistiert von Hummels (links) und Jerome Boateng (rechts). Dennis Aogo sollte nur bei gegnerischem Ballbesitz die deutsche Abwehrlinie als Vierter auffüllen, was bei Kontern des Gegners überhaupt nicht klappte. Und auch sonst konnte einem Zieler etwas leid tun, weil sowohl das Stellungsspiel im Defensivverbund als auch die Abstimmung und Zuordnung in der neuen taktischen Abwehrvariante nicht stimmten.

Nach vorn ging bei den Deutschen vor allem in der ersten Hälfte nicht viel. Dabei hatte Löw seinen Torjäger Mario Gomez sogar noch einmal aufgewertet, indem er den Stürmer von FC Bayern zu dessen 50. Länderspieleinsatz die Kapitänsbinde anvertraute. Gomez führte die Nationalelf gestern Abend auch stolz ins renovierte Stadion zu Kiew, wo im nächsten Jahr am 1. Juli der neue Europameister gekürt wird. Und fast wäre Gomez auch die Führung gelungen. Nach einer Viertelstunde hatte ihn Toni Kroos mit einem klugen Pass perfekt in Szene gesetzt, doch Gomez scheiterte am Torwart. Viel mehr brachte die deutsche Offensive im ersten Abschnitt nicht zu Stande, immer wieder verfingen sich die Bemühungen im Dickicht zweier ukrainischer Defensivlinien. Der Gastgeber hatte sich einzig aufs Kontern verlegt. Für den Lichtblick sorgte Kroos, der mit einem schönen Schuss in den Winkel das zwischenzeitliche 1:2 erzielte.

In der Halbzeit korrigierte Löw. Für Christian Träsch kam André Schürrle und für Sami Khedira Simon Rolfes, der das bis dahin ziemlich fahrige Spiel der Deutschen etwas beruhigte. Nach gut einer Stunde und einer Ecke erzielte der Leverkusener per Abstauber das 2:3. Vor allem aber durfte auch Ron-Robert Zieler im zweiten Abschnitt zeigen, weshalb er seine Berufung verdient hatte. So lenkte er einen Schuss von Kapitän Andrij Schewtschenko in dessen 104. Länderspiel mit den Fingerspitzen zur Ecke.

Nach einer Stunde beendete Löw zumindest ein Experiment, indem er das wirkungslose Duo Özil/Götze aus dem Spiel nahm. Es kamen Thomas Müller und Lukas Podolski. Vor allem Müller zeigte, warum er für gewöhnlich erste Wahl ist. Mit einem Schuss von der linken Ecke des 16-Meter-Strafraums erzielte er das 3:3. In den Schlussminuten ging es noch einmal hoch her. Und dann hatte Ron-Robert Zieler doch noch seinen Auftritt, als er kurz vor Schluss mit einer Fußparade eine Niederlage verhinderte. Tsp

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