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Alles unter einen Hut.

© dpa

Sport: Fehltritte neben dem Feld

Der deutsche Trainer Thomas Obliers betreut Nigeria – einen Verband, der durch Homophobie und Strukturlosigkeit negativ auffällt

Verärgert verließ Thomas Obliers die Arena in Sinsheim. Die nigerianische Frauenfußball-Mannschaft hatte soeben ihr WM-Auftaktspiel gegen Frankreich 0:1 verloren und Obliers wusste vor lauter Ärger nicht so recht, was er nun tun sollte. Immer wieder hatten sie im Training solche Situationen geprobt, doch als es darauf ankam, konnten sich zwei Nigerianerinnen im Abwehrzentrum nicht einigen, wer denn nun zum Ball geht und schon hatte die Französin Marie-Laure Delie das entscheidende Tor erzielt.

Seit vier Monaten ist Obliers für das nigerianische Frauenteam zuständig – als technischer Berater, wie es offiziell heißt. Eine irreführende Tätigkeitsbezeichnung, die von Obliers’ eigentlichem Aufgabenfeld ablenkt. „Ich leite das Training und bin für den taktischen und athletischen Bereich zuständig“, sagt Obliers. „Über die Aufstellung entscheide ich aber nicht.“ Dafür ist bei Nigerias Team Trainerin Ngozi Eucharia Uche, eine Nigerianerin, zuständig. „Warum das so ist, da müssen Sie den Verband fragen“, sagt Obliers und seine Antwort lässt erkennen, was er von dieser Konstellation hält.

Uche steht zurzeit wegen homophober Bemerkungen in der Kritik. „Homosexualität ist eine dreckige Sache, spirituell und moralisch sehr falsch“, sagte sie. Im Interview mit der „New York Times“ sprach sie davon, das „Problem mit den Lesben“ in ihrem Team gelöst zu haben, solch „dreckigen Praktiken“ könne sie nicht tolerieren. Sowohl der nigerianische Verband als auch die Fifa haben bisher noch nicht auf Uches Aussagen reagiert. Und auch Thomas Obliers hat sich bisher nicht dazu geäußert.

Neben der öffentlich geäußerten Homophobie lösen auch die sportlichen Strukturen Kopfschütteln aus. „Viele Spielerinnen waren es nicht gewohnt, zweimal am Tag ernsthaft zu trainieren. Nach einer kurzen Zeit haben sie sich aber daran gewöhnt“, sagt Obliers, für den auch die WM-Vorbereitung alles andere als normal verlief. Viele Spielerinnen stehen bei ausländischen Teams unter Vertrag und stießen spät zum Team. Die Bedingungen in Nigeria sind konträr zu der Erwartungshaltung im Land. „Fußball ist dort die Sportart Nummer eins“, sagt Obliers. Die Fußballerinnen werden auf der Straße erkannt. Im von Muslimen und Christen dominierten Nigeria hat Frauenfußball nicht so große Akzeptanzprobleme wie in anderen afrikanischen Staaten.

Auf dem eigenen Kontinent ist Nigeria fast konkurrenzlos, schon acht Mal gewannen sie den Africa Cup. Bei Weltmeisterschaften wartet das Team dagegen auf den Durchbruch. Nigeria qualifizierte sich bisher für alle fünf WM-Endrunden, erreichte aber nur einmal das Viertelfinale.

Thomas Obliers hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass sein Team die Vorrunde auch dieses Mal übersteht. Reden darf er darüber aber nicht. „Für sportliche Fragen wenden Sie sich bitte an den Verband“, sagt er lakonisch.

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