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Sport: Feier ohne Meister

Zwei Tage nach der Finalniederlage verabschieden sich die frustrierten Spieler der Eisbären von ihren Fans

Berlin. Pierre Pagé sitzt in seinem Büro im Sportforum Hohenschönhausen. Viel Platz hat der Trainer der Berliner Eisbären in dem Zimmer nicht. Einige hundert Videokassetten brauchen eben Platz. Pagé sitzt zwischen den Stapeln, die für ihn nutzlos geworden sind. Auf den Videos sind Spielaufzeichnungen seines Teams und der gesamten Konkurrenz aus der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) aus einer Saison, die für Pagé und seine Mannschaft am Freitag in Frankfurt mit einer Enttäuschung endete. 4:3 für die Lions im vierten Finalspiel: Frankfurt Meister, Eisbären Zweiter. Pagé schaut auf den Videostapel zum Thema „Frankfurt Lions“. Dann lacht er und sagt: „Mist“.

Es ist Sonntagnachmittag, seit knapp zwei Tagen ist die Saison für die Eisbären vorbei. Für Pagé ist sie das aber noch nicht. „Nach so einem Erlebnis brauchst du vier Tage, um dich zu beruhigen. Ich schreibe mir immer noch Dinge auf, wache nachts plötzlich auf und denke über Spieltaktik nach.“ Schrecklich sei das, sagt der Trainer. „Zwei Jahre haben wir ganz oben gestanden, so schlecht war das alles nicht.“ Das stimmt. Nur wurde das nicht mit dem Titel honoriert. Und das Scheitern, erst recht das zweite, hat Nachwirkungen. Nun wird vieles in Frage gestellt bei den Eisbären. Auch vom Trainer selbst. „Es war peinlich, dass wir in den Play-offs keinen Torwarttrainer hatten.“ Daran allein kann es doch aber kaum gelegen haben? Natürlich nicht, sagt Pagé. „Aber man muss seine Möglichkeiten maximieren.“

Peter John Lee schaut vorbei. Der Manager sieht müde aus. Er flucht. „Was ich mir alles anhören muss, ist unglaublich. Kein Kampfgeist und dieses Zeugs. Die Spieler haben sich gerade noch mal das Spiel vom Freitag angeschaut, die sind alle fertig. Mein Gott, so schlecht können wir nicht gewesen sein, immerhin waren wir im Finale.“ Ralph Krueger habe ihn angerufen, sagt Lee, und der Schweizer Nationalcoach habe ihm gesagt: „Lass dich nicht davon irritieren, wenn behauptet wird, dass zehn Dinge bei euch nicht gestimmt habe. Euch haben nur Millimeter gefehlt. Wäre der Puck beim dritten Spiel nicht so unglücklich vom Eis abgesprungen und zum Frankfurter 3:3 ins Tor geprallt, dann würdet ihr jetzt eine Meisterfeier abhalten.“

Sicher hat den Eisbären das Glück gefehlt. Auf der anderen Seite waren die Frankfurter entschlossener und am Ende verdienter Sieger. Das muss auch Pagé zugeben. Und dann will der Trainer doch nach vorn schauen. „Wenn wir zu lange Selbstmitleid haben, dann verpassen wir den richtigen Zug. Wir müssen unseren Frust kontrollieren, schnell aus dem Loch heraus kommen. Wir haben in der nächsten Saison nur drei Möglichkeiten: schlechter, genauso gut oder besser.“

Pagé lehnt sich zurück, auch er sieht geschafft aus. Doch nun muss er wach wirken. Durch die Wand dröhnt schon „Hey, wir wollen die Eisbären sehen“, die Vereinshymne von den Puhdys. Die Fans wollen ihren Trainer feiern, wollen ihre Spieler feiern. 2000 Anhänger sind auf den Tribünen im Sportforum. Das Fest zum Saisonabschluss. Es klopft an der Tür. Pagé muss weg, aufs Eis zu den Fans. Im Gehen sagt er noch: „Die Eisbären werden Meister, wahrscheinlich noch mehrmals in ihrer Geschichte. Das garantiere ich.“

Sie sind eben alle bei den Eisbären dieser Tage ein wenig aufgekratzt. Da hält man sich dann schon gern an etwas fest, was man gerne gehabt hätte. Immerhin, die Anhänger feiern ihr Team trotzdem. Verteidiger Micki Dupont ist schon beim Team Canada, bereitet sich auf die am Freitag beginnende WM in Prag vor. Keith Aldridge fehlt aus familiären Gründen. Sonst sind alle da.

Die Spieler kommen schließlich aufs Eis – in Turnschuhen. Sie hätten natürlich lieber Schlittschuhe an. Das fünfte Finalspiel hätte am Sonntag im Sportforum stattgefunden. Stattdessen gibt es eine Tombola, eine Autogrammstunde und dann noch ein paar Liter Freibier für die Fans vor der Halle. Überschäumende Stimmung will logischerweise nicht aufkommen. Am frühen Sonntagabend endet sie dann, die Saison 2003/2004 der Eisbären. Eine Saison, die sportlich vielversprechend begann und trauriger kaum hätte enden können.

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