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Sport: Fertig machen zur Landung

Von Hartmut Scherzer Bordeaux. Als hätte er nicht schon genug Ärger, muss sich Jan Ullrich, wo immer er sich in den USA versteckt hält, noch zusätzlich ärgern.

Von Hartmut Scherzer

Bordeaux. Als hätte er nicht schon genug Ärger, muss sich Jan Ullrich, wo immer er sich in den USA versteckt hält, noch zusätzlich ärgern. Hatte der deutsche Radprofi nicht immer auf eine Schwäche Lance Armstrongs gehofft, um nach 1997 ein zweites Mal die Tour de France zu gewinnen? Nun schwächelt der Supermann aus Texas – und sein Rivale der letzten beiden Jahre ist wegen einer Verletzung und des umstrittenen Konsums von Amphetamin-Pillen in Amerika abgetaucht. Die 89. Tour, der ein Solo Armstrongs und die große Langeweile vorausgesagt worden war, ist plötzlich spannend.

Nach der Niederlage des dreimaligen Tour-Siegers im ersten großen Zeitfahren und dem vergeblichen Griff nach dem Gelben Trikot gibt es Zweifel am großen Favoriten. Lance Armstrong ist verwundbar. Dennoch: Der 30-jährige Favorit hat lediglich ein Zeitfahren um elf Sekunden gegen den Kolumbianer Santiago Botero verloren und noch lange nicht die Tour. Und vom Gelben Trikot auf den Schultern des Spaniers Igor Gonzalez de Galdeano trennen ihn gerade mal 26 Sekunden. Einen „kleinen Zwischenfall“ nannte daher Armstrong die Niederlage, nachdem er die erste Enttäuschung überschlafen hatte und am Ruhetag mit den anderen Fahrern von Lorient nach Bordeaux geflogen war. „Ich habe die Tour nie im Zeitfahren gewonnen, immer im Gebirge. Deshalb sehe ich den kommenden Tagen voller Zuversicht entgegen“, sagte Armstrong.

Die Pyrenäen mit den Bergankünften werden zeigen, ob Lance Armstrong in der Bretagne lediglich einen schlechten Tag hatte oder ob er ein großer Champion ist, der den Zenit seiner Kraft und Klasse einfach überschritten hat. Große Aufgaben warten auf Armstrong und die anderen: Die elfte und zwölfte Etappe am Donnerstag und Freitag führen nach La Mongie, über die Skistation am Tourmalet, und auf den Plateau-de- Beille. An diesen Anstiegen geht es um Minuten – nicht mehr um Sekunden. Lance Armstrong ist sicher, dass er schon in wenigen Tagen das Feld der Tour anführt. Zu seinem jetzigen Rückstand sagt er: „Ich lebe noch. Ich habe nur das Zeitfahren verloren, schlafe deswegen aber nicht schlecht.“ Und außerdem: „Was sind schon 52 Kilometer bei über 3000 Kilometern Gesamtstrecke."

Wann und wo Armstrong angreift, will er nicht verraten. „Ich plane nichts. All meine Angriffe sind spontan. Ich besitze einen guten Instinkt." Freilich: Bei Armstrongs Gegnern wirkt der psychologische Effekt eines angeschlagenen Favoriten. „Armstrongs erste Niederlage bei einem großen Tour-Zeitfahren macht seinen Gegnern Mut“, glaubt der Spanier Galdeano. „Vor den Pyrenäen ist das ein sehr wichtiger Punkt. Denn die Pyrenäen sind das Gebirge der Spanier. Hier beginnt die Tour aufs Neue.“

Vor der Gebirgsschlacht um die Gesamtwertung gilt die Aufmerksamkeit aber noch einmal dem Kampf um das Grüne Trikot des Sprintbesten. Auf den 147 flachen Kilometern der zehnten Etappe muss Erik Zabel am Mittwoch seinen winzigen Vorsprung von zwei Punkten gegen den Australier Robbie McEwen verteidigen. Beide wollen unbedingt Grün in den Pyrenäen tragen – als erleichtere die Farbe der Hoffnung die Leiden der Sprinter in den Bergen.

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