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Spielmacher unter sich. Kiels Regisseur Filip Jicha sah sich genau wie sein Berliner Gegenüber Bartlomiej Jaszka über die gesamte Spielzeit einer Sonderbewachung ausgesetzt. Nach 60 umkämpften Minuten trennten sich die Füchse und der THW 26:26. Foto: dpa

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Sport: Festtag ohne Fragen

Im Spitzenspiel der Handball-Bundesliga erkämpfen sich die Füchse Berlin nach Fünf-Tore-Rückstand noch einen Punkt gegen Meister THW Kiel.

Berlin - Bob Hanning hatte extra ein weißes Hemd aus dem Kleiderschrank geholt. Normalerweise bevorzugt der Manager der Füchse Berlin bei Punktspielen legere Kleidung. Gestern sollte allerdings ein Festtag werden in Berlin, zumindest aus handballerischer Sicht, schließlich war der Rekordmeister zu Gast in der Hauptstadt, quasi der FC Bayern der Handball-Bundesliga. Nach nicht immer hochklassigen, aber jederzeit spannenden 60 Minuten sollte sich Hannings modische Entscheidung vom Vormittag als angemessen erweisen.

Gegen den THW Kiel erkämpften sich die Berliner im Spitzenspiel des fünften Spieltags einen Punkt. Dabei hatte 50 Minuten lang nicht viel darauf hingedeutet. Zu abgeklärt kamen die Kieler daher, sieben Minuten vor dem Ende betrug ihr Vorsprung vier Treffer (24:20). Nach einer furiosen Schlussphase feierten die Berliner Fans unter den 9000 Zuschauern in der ausverkauften Max-Schmeling-Halle den 26:26-Endstand wie einen Sieg. „Kiel ist besser, Kiel war auch heute besser“, sagte Füchse-Trainer Dagur Sigurdsson. „Aber wir haben gefightet, haben den Glauben nicht verloren“, ergänzte der Coach. „Das ist ein gutes Gefühl.“ Sein isländischer Landsmann Alfred Gislason konnte diese Gemütslage nicht teilen. „Meine Mannschaft hätte das Spiel viel früher entscheiden müssen“, sagte der Kieler Trainer.

Taktisch hatten Sigurdsson und Gislason unabhängig voneinander die gleiche Vorgehensweise ausgebrütet. Beide Teams operierten – sehr atypisch zu ihrem gewöhnlichen Abwehrkonzept – von Beginn an mit offensiven 5-1-Deckungen. Markus Richwien verfolgte Ex-Welthandballer Filip Jicha auf Schritt und Tritt, Jicha wiederum nahm sich der Bewachung von Füchse-Regisseur Bartlomiej Jaszka an. Die Pläne aus der isländischen Taktikstube gingen, nun ja, sie gingen auf, auch wenn sie sich irgendwie egalisierten, weil sich sowohl die Berliner als auch die Kieler schwer taten mit der gegnerischen Abwehrformation. „Man hat gesehen, dass beide Teams noch nicht den Schwung haben wie am Ende der vergangenen Saison“, sagte Sigurdsson. Lediglich die Torhüter erbrachten den Nachweis außerordentlicher Frühform. Silvio Heinevetter im Berliner Kasten und sein Gegenüber Thierry Omeyer zeigten allein im ersten Durchgang mehr als 20 Paraden. Weil die Füchse im Abschluss noch fahriger mit ihren Chancen umgingen als die Gäste, fiel das Halbzeitergebnis entsprechend niedrig aus: 9:12.

In der Kabine hatten die Berliner noch einmal an der taktischen Feinjustierung gearbeitet. Zumindest schafften sie es nun im Kollektiv, die Kreisanspiele für den überragenden Marcus Ahlm zu unterbinden, der in der ersten Halbzeit vier Treffer selbst erzielt sowie vier Strafwürfe und zwei Zeitstrafen provoziert hatte. Zwischen der 35. und 50. Minute forcierten die Berliner merklich das Tempo und ihre Bemühungen, jenen Fünf-Tore-Rückstand zu egalisieren, für den Kiels Aron Palmarsson nach der Pause beinahe im Alleingang gesorgt hatte (12:17/37.). Selbst in dieser Druckphase schien der Champions-League-Sieger aus Schleswig-Holstein jedoch stets eine Antwort zu haben. Vor allem Christian Zeitz tat sich mit unorthodoxen, aber erfolgreichen Hüftwürfen hervor.

„Man darf auch nicht vergessen, dass wir hier heute gegen eine Mannschaft gespielt haben, die nach der letzten Saison als die vermeintlich beste aller Zeiten tituliert wurde“, sagte Evgeni Pevnov. Dabei war der Füchse-Kreisläufer gewissermaßen selbst die Antwort auf die vermeintliche Kieler Erhabenheit. Seine Einwechslung sowie die von Iker Romero und des oft gescholtenen Mark Bult gab den Impuls zu einer Aufholjagd, wie sie gegen internationale Spitzenteams wie den THW Kiel nur selten gelingt. Jaszka, Bult und Romero markierten die letzten sechs Treffer der Berliner. Als Bult nach 58 Minuten von der Siebenmeterlinie den 25:25-Ausgleich erzielte, erreichte der Lautstärke-Pegel in der Schmeling-Halle ein Niveau, wie man es bestenfalls von den großen Europapokalauftritten der Berliner im vergangenen Jahr kannte. „Man muss den Zuschauern ein großes Kompliment machen, sie haben uns unabhängig vom Spielstand immer angefeuert“, sagte Pevnov. Nach dem Tor zum 26:26-Endstand durch Bartlomiej Jaszka waren die Anhänger sogar dermaßen mitgenommen, dass sie nichts mehr infrage stellten, schon gar nicht die Musikauswahl in der Halle. Es lief „So sehen Sieger aus“. Und fast alle klatschten mit.

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