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Finanzkrise: Ist die Formel 1 noch zu retten?

Einheitsmotor und Normalsprit – der teure Rennzirkus versucht nach dem Ausstieg von Honda fieberhaft, sich krisenfest zu machen. Dabei gibt es viele Möglichkeiten, zu sparen.

Honda steigt aus, die Finanzkrise geht weiter – in der Formel 1 ist die Notwendigkeit von Sparmaßnahmen drängender als je zuvor. Die Teamvereinigung Fota, in der alle verbliebenen neun Teams (darunter die fünf Autohersteller BMW, Daimler, Ferrari, Renault und Toyota) vertreten sind, will mit dem Automobil-Weltverband (Fia) bis kommenden Freitag Lösungen erarbeiten, um die jährlichen Ausgaben von bis zu einer halben Milliarde Euro pro Team zu senken. Neben einer Budgetobergrenze erscheint die Standardisierung ein gangbarer Weg, die Formel 1 zu retten – derzeit sind praktisch alle Teile eines Rennwagens teure Spezialanfertigungen.

MOTOR

Er ist Herzstück des Autos und der Kosten. Ein Motor ist etwa 300 000 Euro wert, das hört sich vergleichsweise wenig an. Auf die Saison hochgerechnet liegen die Kosten für den Antrieb inklusive Getriebe aber bei ungefähr 30 Millionen Euro. Um diesen Betrag zu senken, hat die Fia die Firma Cosworth mit dem Bau eines Einheitsmotors mit dazugehörigem Einheitsgetriebe beauftragt. Interessierte Teams können diesen Service ab 2009 gegen eine Einmalzahlung von knapp zwei Millionen Euro für einen Dreijahresvertrag und für einen Preis von sechseinhalb Millionen Euro pro Saison in Anspruch nehmen. Um die großen Autobauer nicht zu vergrätzen, die sich gegen den Eingriff in ihre Kernkompetenz wehren, sollen die nach den Cosworth-Plänen auch weiterhin ihre eigenen Motoren bauen dürfen. Eine andere Sparvariante: Die Hersteller entwickeln weiter selbst Motoren, bieten sie aber auch den unabhängigen Teams für fünf Millionen Euro pro Saison zum Kauf an. Als sicher gilt, dass die Motoren künftig drei statt bisher zwei Rennen lang halten müssen. Eine weitere Möglichkeit ist, das Reglement für Motoren und andere wichtige Bausteine künftig über mehrere Jahre einzufrieren, um die hohen Kosten für Neuentwicklungen einzudämmen. Bisher werden jede Saison 65 Prozent der Teile an den Autos komplett neu gebaut. Teuer ist auch die Entwicklung der Hybridtechnologie Kers. Das System, das ab 2009 frei werdende Bremsenergie zurück in den Antrieb leiten soll, erhöht zwar die Energieeffizienz der Autos, kostet aber jeden Rennstall auch etwa 50 Millionen Euro. Hier wird deshalb ebenfalls über ein Standardsystem für alle Teams diskutiert. Ein Aufschub der Einführung von Kers um ein Jahr scheitert bisher an BMW.

AERODYNAMIK

Die Wissenschaft vom perfekten Luftfluss ist durch die ständige Weiterentwicklung auch während der Saison zu einem riesigen Kostenfaktor geworden. Das irrwitzige Wettrüsten hat sogar dazu geführt, dass sich die Teams Raumfahrt equipment zulegen müssen, um mithalten zu können. Ein derzeit für die Entwicklung des Chassis unerlässlicher Windkanal etwa kostet bis zu 40 Millionen Euro – die Betriebskosten des Stromfressers bei einem Rund-um-die-Uhr-Parallelbetrieb von zwei Windtunneln nicht eingerechnet. Die Fia will auch hier ansetzen: Ein Einheitschassis wird es wohl nicht geben, dafür aber ein restriktiveres Chassisreglement, das teure aerodynamische Spielereien mit klaren Vorgaben unterbindet. Derzeit ist diese Änderung für 2011 angekündigt – gut möglich, dass sie unter dem Eindruck des Honda-Ausstiegs aber schon früher kommt. In der nächsten Saison wird schon einmal bei den Flügeln angefangen: Vorgeschriebene breite Front- und schmale, hohe Heckflügel lassen den Ingenieuren wenig Spielraum, außerdem sollen sie die Überholchancen erhöhen. Nachteil: die Optik. „Das ist das hässlichste Formel-1-Auto aller Zeiten“, findet BMW-Pilot Nick Heidfeld.

BENZIN

Gegenwärtig verbraucht ein Formel-1- Auto rund 75 Liter pro 100 Kilometer. Jedes Team kommt so auf einen Bedarf von etwa 200 000 Litern Benzin und 25 Tonnen Öl pro Jahr, den Mineralölkonzerne mit mehr als zwei Millionen Euro teuren Spezialmischungen befriedigen – mit kaum erkennbaren Auswirkungen auf der Strecke. Die Fia schlägt deshalb ein handelsübliches Einheitsbenzin für alle Teams vor. Ab 2011 soll die Spritmenge pro Rennen zudem begrenzt werden.

TECHNIK

Teure Spielereien sind in der Formel 1 allgegenwärtig. „Brauchen wir wirklich Lenkräder, die 40 000 Euro kosten?“, fragt Renault-Teamchef Flavio Briatore. Etwa 150 Sensoren sind in einem Formel-1-Auto installiert, allein 20 überwachen die Funktionsweise des Motors. Pro Rennen häufen die Teams auf diese Weise mehr als zwei Gigabyte an Telemetriedaten an, die von bis zu 30 Millionen Euro teuren Supercomputern ausgewertet werden. Ein Verbot der Telemetrie könnte hier drastische Einsparungen bringen.

PERSONAL

Auch hier ist Sparpotenzial vorhanden. Ferrari ließ sich sein Pilotenduo Felipe Massa/Kimi Räikkönen in diesem Jahr geschätzte 30 Millionen Euro kosten. Nicht weniger entfällt auf den Rest des Teams: Die großen Rennställe zahlen für ihre teils mehr als 1000 Mitarbeiter im Schnitt insgesamt 40 Millionen Euro.

MATERIAL

Die reinen Materialkosten eines Formel-1-Rennwagens belaufen sich gegenwärtig auf knapp eine Million Euro. Das teure Raumfahrtmaterial Karbon, das vor allem in Chassis und den Bremsen zu finden ist, lässt sich aber nicht so einfach ersetzen. Es ist gleichzeitig leicht und ultrasteif und damit wichtig für die Sicherheit. Doch auch in diesem Bereich können Auswüchse bekämpft werden: Die Radschrauben etwa kosten pro Stück 1000 Euro. Weil man sie nur einmal verwenden kann, gibt jedes Team im Jahr eine Million Euro nur für Radschrauben aus.

TESTFAHRTEN

Ein Testkilometer kostet etwa 1000 Euro. Derzeit ist der Umfang auf jährlich 30 000 Kilometer begrenzt, ab 2009 sollen es nur noch 20 000 sein.

SONSTIGE KOSTEN

Reisen, Catering und die Unterbringung der Teammitglieder und glamourösen Gäste an der Rennstrecke kosten bis zu 30 Millionen Euro pro Jahr. Ein Umdenken hat bereits eingesetzt: Toyota hat die öffentliche Präsentation des Autos für die neue Saison unlängst abgesagt.

Christian Hönicke

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