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Sport: Fithalten mit Platoon

Bis der Zoff um den America’s Cup vorbei ist, segelt Jochen Schümann mit den Überresten des Team Germany woanders

Die Außenalster verschwindet in einer grauen Suppe, aber Jochen Schümanns braunes Gesicht strahlt in den Räumen des Norddeutschen Regatta Vereins wie die Sonne über der Karibik. Keine Spur Zweifel und Depression, die die internationale Segelszene wegen der juristischen Dauerquerelen zwischen BMW/Oracle und Alinghi seit zehn Monaten lähmt. Der zweifache America’s-Cup-Sieger hat eine interessante Wandlung erlebt. Vom verbissenen, reservierten Sportler hin zum hyperaktiven Entwicklungshelfer für den deutschen Segelsport. Von dem wünscht er sich, dass er in Zukunft auf internationaler Ebene wieder eine Rolle spielen soll: „Es gab ja mal eine Zeit, als wir mit Booten wie Pinta, Rubin oder Container auf internationalem Parkett vorne mit dabei waren. Aber seitdem haben wir seglerisch und technisch den Anschluss verloren.“ Es ist eine der wenigen Male an diesem Tag, dass Schümann in Beschwörungs-Moll redet. Ansonsten bestimmt leuchtendes Dur die Vorstellung eines neuen Segelprojektes, das für Schümann ein Schritt in Richtung erfolgreiche Visionsumsetzung sein soll. Denn das eigentliche Zukunftsprojekt, das neue deutsche America’s-Cup-Team, war ja Ende März aufgelöst worden, weil niemand wusste, wann und unter welchen Bedingungen die bekannte Regatta das nächste Mal stattfinden wird.

Nun steigt Schümann als Steuermann und Ideengeber im Team mit dem Namen Platoon des Hamburger Immobilien-Maklers und Seglers Harm Müller-Spreer ein. Mitgebracht hat Schümann mit Audi nicht nur einen der Hauptsponsoren des deutschen Cup-Teams, sondern auch das Marketing-Team und eine Rumpf-Mannschaft: 13 Segler aus neun Nationen. Darunter wiederum sechs Deutsche, zum Beispiel Tim Kröger, der 2007 im südafrikanischen Cup-Team Shosholoza angestellt war. „Wir wissen noch nicht, wie es im Cup weiter geht“, sagt Schümann, „aber wir gehen nicht vor Gericht, sondern segeln.“ Eine Pause „wäre tödlich. Wir müssen die Zeit nutzen, um seglerisch und technisch am Ball zu bleiben. Die TP52-Regatten bieten dafür den bestmöglichen Weg, auch wenn man alles im ungefähren Maßstab 1:10 im Vergleich zum Cup sehen muss.“

Die TP52-Yachten wie die Platoon sind über 15 Meter lang, extrem leicht und schnell und mit einer 14-köpfigen Crew bestückt. Gesegelt wird unter anderem im „Med-Cup“, in dem 20 Teams aus zwölf Nationen zwischen Mai und September an sechs Mittelmeerstationen gegeneinander antreten werden. Gesponsert wird der Wettbewerb ebenfalls von Audi, das trotz der derzeit vertrackten Situation sein Engagement im Segelsport verstärkt und festigt. „Wir wissen alle, dass der Segelsport wegen der Ungewissheiten im Cup zurzeit nicht sonderlich gut dasteht“, sagte Bernd Qunizler, Leiter des Sportmarketings beim Ingolstädter Automobilhersteller, „aber wir sehen ein starkes Potenzial und sind deswegen sehr glücklich über diese Kooperation.“

Für viele hochkarätige Cup-Segler wird der „Med-Cup“ in diesem Jahr zur willkommenen Ersatzbeschäftigung. So wird der Neuseeländer Dean Barker, der im vergangenen Sommer noch im Cup-Finale gegen Alinghi unterlegen war, die Yacht des spanischen Königs Juan Carlos steuern. Außerdem wird der Cup-Streithahn BMW/Oracle mit seinem Super-Steuermann Russell Coutts ein Team ins Rennen schicken, was wohl indirekt zeigt, wie ruhig und gelassen das US-Team dem bevorstehenden Katamaran-Duell mit Alinghi im America’s Cup entgegen sieht. Die Schweizer dagegen haben kein TP52-Team aufgestellt.

Für Szene-Kenner war es wenig überraschend, dass das Montabaurer Unternehmen „United Internet“, das immerhin die erste deutsche Cup-Kampagne initiiert hatte, bei Platoon nicht an Bord ist. „Dort bestand kein Interesse“, sagte Schümann lakonisch. Er selbst hatte nie einen Hehl daraus gemacht, dass er zwar aus Sponsoren-Sicht den Rückzug aus dem Cup verstehen könne, dass es aber aus seglerischer Sicht wenig Sinn mache, die Entwicklung zu unterbrechen. Denn eines hat Schümann in einer auch krisengeschüttelten Karriere gelernt. Wer zur Sonne will, muss lernen, sie sehen zu wollen. Selbst wenn sie sich hinter einer dichten grauen Suppe verbirgt.

Ingo Petz[Hamburg]

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