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Sport: Flatternd nach Fulham

Beim 2:2 gegen Wolfsburg verspielt Hertha eine 2:0-Führung und wichtiges Selbstbewusstsein

Berlin. Es hätte ein so schöner Tag werden können. Als Eyjölfur Sverrisson in der 89. Minute eingewechselt wurde, wusste er zwar, dass er nur eine kurze Vorstellung geben würde, doch es war sein 250. Bundesligaspiel – und das wäre eigentlich Grund genug zum Feiern gewesen. Doch Sverrisson war gestern nicht nach Feiern zumute. Kaum zehn Sekunden stand er auf dem Platz, da sah er die Gelbe Karte. Weitere 25 Sekunden waren vergangen, da fiel in der Nachspielzeit jenes Tor, das im eiskalten Olympiastadion Entsetzen, Lähmung und Wut hervorrief. Da war dem Dänen Kim Madsen, VfL Wolfsburgs gelerntem Abwehrspieler, noch das 2:2 gelungen, das nicht einmal unverdient war. Ein Tor, das Hertha BSC noch tiefer in die Ratlosigkeit stürzt.

Huub Stevens erlebte das Spiel in einer abgeschlossenen Loge. Die vom DFB wegen wiederholter Entgleisungen an der Seitenlinie ausgesprochene Verbannung hat ihn möglicherweise davor bewahrt, die vielen bösen Rufe nach dem Schlusspfiff zu hören. „Stevens raus!“, brüllten erboste Fans, die mitangesehen hatten, wie Hertha eine scheinbar sichere 2:0-Führung noch verspielt hatte. „Auch wenn wir den Ausgleich erst kurz vor Schluss geschafft haben – dieses 2:2 war hoch verdient. Wir hatten das Spiel jederzeit kontrolliert und auch noch jede Menge Torchancen“, sagte Wolfsburgs Trainer Wolfgang Wolf.

Bei Herthas 2:0-Führung, erzielt durch Josip Simunics erstes Bundesliga-Tor und Bart Goors fünften Saisontreffer, konnte freilich nicht davon die Rede sein, dass die Wolfsburger das Spiel kontrollierte. „Doch danach haben wir zu Recht Probleme bekommen“, sagte Stevens. Weil die klarsten Torchancen (Marcelinho, Roberto Pinto) vergeben wurden, weil eine unerklärliche Unsicherheit um sich griff und weil der zuvor so sicheren Abwehr plötzlich „haarsträubende Klopse“ (Manager Dieter Hoeneß) unterliefen. So auch Gabor Kiraly, der mit seinen Fehlern seine Vorderleute ansteckte.

Schon beim Anschlusstor durch Robson Ponte machte der Ungar nicht die beste Figur. Später konnte er seinen bösen Abspielfehler gegen den davon profitierenden Tomislav Maric gerade noch wettmachen. Und beim Ausgleichstor durch Madsens erstes Bundesliga-Tor überhaupt war er erneut nicht im Bilde. „In der letzten Minute muss man sich dazwischenwerfen, da darf man nicht so halbherzig zum Ball gehen“, kritisierte Hoeneß. Und doch wollte er das Tor nicht allein dem Torhüter ankreiden, sondern sprach von einer „Kollektivschuld“.

Ob sich dabei auch Stevens angesprochen fühlen durfte? Der Trainer beklagt stets, er könne durch Verletzungen nicht seine Idealelf aufbieten. Doch wie soll so etwas wie Konstanz und Harmonie in die Mannschaft einziehen, wenn Stevens unaufhörlich umbaut und rotieren lässt? Dass Marcelinho in der Sturmspitze nur die Hälfte wert ist, wurde schon vor einer Woche beim 0:2 in München deutlich. Der Brasilianer ist dann stark, wenn er von hinten kommt. Und warum erhält Pinto nicht von Anfang an seine Chance? Mit ihm bekommt das Spiel über die Flügel sehr viel mehr Druck.

Dieses 2:2 wirkte wie eine Niederlage, es unterstreicht Herthas Mittelmäßigkeit. Aus den letzten drei Spielen wurde gerade ein Punkt geholt. Und anstatt Selbstvertrauen für das Rückspiel gegen den FC Fulham zu gewinnen, ist weiterhin Verunsicherung angesagt. „Wenn wir gegen Fulham auch so schwere Abwehrfehler machen, sehe ich schwarz“, sagte Hoeneß. Es droht eine sehr freudlose Winterpause für die Herthaner zu werden. Ein Weihnachtsurlaub, in dem niemandem zum Feiern zumute sein könnte. So wie gestern Eyjölfur Sverrisson.

Klaus Rocca

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