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Football: Held der Arbeit

Mit Brett Favre verlässt ein bescheidener Sportler das Feld - und Amerikas größter Footballer.

Er ist einer, der auch im Verlieren Größe zeigen konnte. Er ist einer, der immer seinen Job machte, wenn es nötig war. Deshalb war er ein großer Sportler. Brett Favre, der vielleicht beste, wenn auch nicht der erfolgreichste Footballer aller Zeiten, ist zurückgetreten. Mit ihm verliert Amerika eine Projektionsfläche für sportliche Träume. Aber auch für Bodenständigkeit und Demut.

„Ich weiß, dass ich noch weitermachen könnte“, sagte der 38-Jährige am Dienstagabend. „Aber ich bin mental einfach müde.“ Vielleicht war ihm klar, dass es nicht mehr besser werden konnte, dass es nicht noch einmal zum Superbowl reichen würde. Und dass er schon genug erreicht hatte, vor allem: die Herzen der amerikanischen Fans. Im vergangenen Jahr wurde Brett Favre zum „Sportler des Jahres“ in den USA gewählt. Der nach Dopingskandalen erschütterte US-Sport sehnte sich nach einem unbefleckten Helden, da kam man auf ihn.

Der Quarterback hat für die Green Bay Packers noch einmal eine hervorragende letzte Footballsaison gespielt. So übertraf Favre den langjährigen Rekord für Touchdown-Pässe, den die Miami-Dolphins-Legende Dan Marino gehalten hatte. Favre war sowohl bei der Zahl der erfolgreichen Abgaben als auch beim Raumgewinn besser. Die Packers hatten mit Favre die National Conference gewonnen – doch das Team scheiterte im Halbfinale an den New York Giants, dem späteren Meister. Im Superbowl-Finale dann führte Eli Manning den Außenseiter New York Giants zum Sieg über die New England Patriots und ihren roboterhaften, aber dann doch fehlbaren Saisonstar Tom Brady. Von Brett Favre sprach keiner mehr.

Das größte Spiel des Brett Favre war nicht das gewonnene Superbowl-Finale gegen New England von 1997. Es war vielmehr jene denkwürdige Vorstellung am 22. Dezember 2003 gegen die Oakland Raiders. Favre lieferte an diesem Abend eine Glanzvorstellung ab, er warf Pässe mit einer Gesamtlänge von 399 Yards. Seine Packers gewannen 41:7. Trotzdem gaben auch die Raiders-Fans Favre stehende Ovationen. Denn erst am Abend zuvor war Favres Vater Irving, genannt „Big Irv“, gestorben. Favre hatte vor aller Augen gelitten und am Ende triumphiert. Ein Held der Arbeit. Ein bodenständiger Kerl, der das Leben kennt und trotzdem seinen Job erledigt.

Nichts in seiner 17-jährigen Karriere ist nicht öffentlich abgelaufen, jeder erlebte die Dramen dieses Mannes mit, der um seine krebskranke Frau bangte und trotzdem seine Touchdowns warf. Favre hat in der Öffentlichkeit mit seiner Alkohol- und Medikamentensucht gerungen und ist vom spätpubertierenden Haudrauf zum Vorbild gereift. Egal, was gerade wieder geschehen war, er spielte. Mehr als 250 Mal in Folge stand er in der Startaufstellung der Packers – keiner hat das sonst in der NFL geschafft.

Im Herbst seiner Karriere gab es kaum noch einen Fan, der ihm nicht einen großen Abgang gegönnt hätte. Nachdem Favre am 16. Dezember 2007 gegen St. Louis den Yard-Rekord von Dan Marino übertroffen hatte, wurde das Spiel unterbrochen und das ganze Stadion spendete minutenlang Szenenapplaus, inklusive der Anhänger der heimischen Rams.

Viele Geschichten von Brett Favre sind Legende, nicht nur seine Touchdowns und Rekorde. Für Favre selbst zählen vor allem „die schweren Zeiten, in denen ich down war und harte Schläge ertragen musste. Da habe ich mich selbst gefunden, deshalb waren es die wertvollsten Momente“. Sie werden für immer bleiben im Sportgedächtnis Amerikas.

Sebastian Moll

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