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Trübe Aussichten. Bernie Ecclestone sieht sein Lebenswerk bedroht – kann er das Ende seiner Formel 1 verhindern?

© dpa

Formel 1: Bernie Ecclestone: Der Milliardär muss betteln

Bernie Ecclestone gibt sich eine Mitschuld an der Finanzkrise vieler kleiner Teams in der Formel 1. Um den Zusammenbruch der Rennserie zu verhindern, appelliert er nun an die Moral der Konzerne hinter den großen Rennställen.

In der Debatte um die Finanzkrise in der Formel 1 konnte man mit vielem rechnen – aber wohl kaum damit, dass Bernie Ecclestone Reue zeigen würde. Doch der Formel-1-Geschäftsführer, der die Probleme der kleinen Rennställe bisher wahlweise ignorierte oder bagatellisierte, hat nun offenbar eingesehen, dass es so wie bisher nicht weitergehen kann. „Das Problem ist, dass zu viel Geld schlecht verteilt wird. Das ist vermutlich mein Fehler“, erklärte der Brite vor dem Großen Preis der USA.

Hintergrund dieser bemerkenswerten Worte sind Streikandrohungen der nach den Pleiten von Marussia und Caterham verbliebenen kleinen Rennställe. Zwar wollte sich in Austin offiziell keiner der betreffenden Teamchefs von Force India, Sauber und Lotus dazu äußern. Doch das Brodeln im Hintergrund reichte offenbar, um Ecclestone dazu zu bewegen, sich doch einmal ernsthaft mit der aktuellen Misere auseinander zu setzten.

Das Ergebnis kam dann auch für Insider überraschend: Der kleine, große Boss gab sich selbstkritisch. Die Geldverteilung aus den TV- und Werbeeinnahmen, die die reichen Spitzenteams massiv begünstigt, sei falsch. Mit diesem System versuchte er lange Zeit, die Loyalität der wichtigen Teams zu erkaufen. Ecclestones Angebot: „Ich zerreiße alle Verträge, die ich mit den Teams habe. Und ich wäre bereit, von den Einnahmen dieses Jahres alle Schulden der Teams zu tilgen, soweit sie Lieferanten betreffen. Das Restgeld würde ich im nächsten Jahr nach einem neuen, gerechteren Schlüssel verteilen.“

Die Zeiten, in denen Ecclestone aus der Portokasse die Formel-1-Teams retten konnte, sind angesichts der heutigen Budgets vorbei

Der 84-Jährige erwähnte allerdings auch den großen Haken an der Sache: In Eigenregie kann er das gar nicht tun. Alle solchen Änderungen verlangen nach dem derzeitigen Regelwerk Einstimmigkeit. Auch die großen Teams müssten zustimmen, was sie so natürlich nie tun würden. Marco Mattiacci für Ferrari und Niki Lauda für Mercedes lieferten sofort den Beweis dafür, indem sie alle Veränderungen kategorisch ablehnten. Die Einstimmigkeitsregelung hat Ecclestone einst selbst forciert, in dem Wissen, dass es unter den Teams nie Einigkeit geben würde. Lange stärkte das seine Macht, nun fällt es ihm auf die Füße. Die Zeiten, in denen der Milliardär Ecclestone mal eben mit Zahlungen aus der Portokasse Teams retten konnte, sind angesichts der heute aufgerufenen Budgets vorbei.

In Austin wirkte Ecclestone nun wie einer, der erkennt, dass sein Lebenswerk in Gefahr ist. Und der gerissene Gebrauchtwagenhändler wirkt ratlos: „Ich weiß, was falsch ist. Aber ich weiß nicht, wie ich es anpacken soll.“ Das Problem hat er erkannt: Die Teamchefs der Konzernrennställe, ob Toto Wolff (Mercedes), Mattiacci (Ferrari) oder Christian Horner (Red Bull), sind keine Teambesitzer mehr, die langfristige Perspektiven im Auge haben. Ecclestone schlussfolgert daraus: „Ich muss mit den Konzernbossen selbst reden. Vielleicht verstehen sie, dass sich etwas ändern muss, bevor es zu spät ist.“

Ob Ecclestone dabei Erfolg hat, ist zumindest fraglich. Denn mit Ausnahme der Fiat-Tochter Ferrari ist die Formel 1 für die großen Hersteller letztlich nur ein kleiner Punkt im Businessplan. Ausgerechnet sie sollen nun weniger Gewinne in Kauf nehmen, um die Formel 1 zu retten? Da sucht man sich wahrscheinlich mittelfristig lieber eine andere Spielwiese.

So bleibt dem Mann, der einmal das Geld zur einzig wahren Weltreligion ausrief, nur der Weg des Bettlers: Er baut moralischen Druck auf. „Wir können uns nicht zurücklehnen und hoffen, dass die Probleme von alleine verschwinden wie ein Schnupfen“, sagt Ecclestone. „Wenn genügend Leute eine Lösung wollen, werden wir eine Lösung bekommen. Es muss nur jeder bereit sein, Opfer zu bringen.“ Und wenn sich die Großen trotz der flehentlichen Bitten weiter stur stellen? Dann kann wohl nur noch ein totaler Zusammenbruch des derzeitigen Systems die Formel 1 retten, der schließlich auch die Hersteller vertreibt. Danach könnte man mit kleinen Privatteams noch einmal ganz von vorn starten. So weit will es Bernie Ecclestone aber nicht kommen lassen: „Ich will nicht, dass die Formel 1 verschwindet und die Leute mir nachsagen, dass es meinetwegen war.“

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