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Formel 1: Des Wunderkinds wundersame Wende

Die Karriere von Jenson Button galt als gescheitert. Doch nach seinem Sieg zum Saisonauftakt reist der Mann mit dem Playboy-Image nicht nur als Favorit zum nächsten Rennen nach Malaysia - er ist plötzlich sogar Titelkandidat Nummer eins in der Formel 1.

Als der Mann vom Podest hinuntergestiegen war, erwarteten alle große Worte, Gefühle, vielleicht auch Tränen. Doch Jenson Button wirkte seltsam gefasst. „Es ist schon irgendwie surreal“, sagte er nach seinem Sieg zum Auftakt der Formel-1-Saison in Melbourne, „aber eher, weil es mir so normal vorkommt.“ Das ist in der Tat surreal, schließlich wusste der 29-Jährige, der jetzt in Malaysia zum ersten Mal überhaupt in seiner Karriere als WM-Führender zu einem Grand Prix reist, vor ein paar Wochen noch nicht einmal, ob er je wieder in einem Formel-1-Auto sitzen würde. Nach dem plötzlichen Rückzug von Honda stand er vor dem Schicksal, einer der teuersten Arbeitslosen der Welt zu werden – mit einem 20-Millionen-Dollar-Vertrag in der Tasche, der in dem Fall hätte ausbezahlt werden müssen, aber ohne Auto.

Versuche, in einem anderen Team unterzukommen, unternahm Button dennoch nicht. „Ich habe immer daran geglaubt, dass das Team weiter bestehen würde“, sagt er. „Ich wusste, dass wir ein sehr gutes Auto haben würden. Ich wollte dieses Auto haben – und kein anderes.“ Er bekam es: Anfang März übernahm Teamchef Ross Brawn den Rennstall. Mit seiner Treue und seinem Start-Ziel-Sieg belohnte Button sich selbst, gab aber auch dem Team etwas zurück, denn unumstritten war der Brite zuletzt nicht immer.

Als Button im Jahr 2000 in die Formel 1 kam, wurde er als Wunderkind gefeiert, doch bald verblasste der Glanz zugunsten eines zwielichtigen Playboy-Images. Mangelnde Ernsthaftigkeit und fehlender Einsatz wurden ihm nachgesagt, ein paar unglückliche Entscheidungen (unter anderem unterschrieb er Verträge bei zwei Teams gleichzeitig) festigten das Bild des Unsteten, an dem auch der einzige Sieg in Ungarn 2006 unter chaotischen Umständen nicht viel ändern konnte.

Als dann 2007 auch noch Lewis Hamilton die Formel-1-Bühne betrat, geriet Button in seiner Heimat beinahe in Vergessenheit. Im vergangenen Jahr sah man ihn nur, wenn er überrundet wurde, weil der neue Teamchef Ross Brawn das Auto nicht weiterentwickelte und sich lieber gleich an den 2009er Wagen setzte.

Ein paar Monate später ist genau dieser Jenson Button plötzlich der erste Kandidat auf den Weltmeistertitel und geht auch am Sonntag in Malaysia als Favorit an den Start. Vor allem deshalb, weil er das Lenkrad eines Autos in den Händen hält, das zumindest im Moment aufgrund eines umstrittenen, als Diffusor bekannten Unterbodenbauteils keinerlei Konkurrenz zu fürchten hat. Immerhin hat Button es vollbracht, den erwarteten Sieg auch tatsächlich einzufahren. Dass diese Nervenstärke nicht selbstverständlich ist, zeigt sein Teamkollege. Rubens Barrichello wirkte angesichts der Titelperspektive so übermotiviert, dass er sich in Melbourne mehrere Fehler leistete. Button dagegen, dem gerne fehlende mentale Härte nachgesagt wird, geht recht abgeklärt an die neue Situation heran. Und er freut sich zwar sichtlich über die neue Aufmerksamkeit, stolziert aber nicht gleich durchs Fahrerlager, als ob es ihm allein gehöre.

Stattdessen redet er den Vorsprung von Brawn GP klein und auch lieber nicht über den Titel. „Natürlich ist das der Grund, weswegen wir alle Formel 1 fahren – wir wollen Weltmeister werden“, sagt Button. „Aber daran zu denken bringt uns jetzt nicht weiter. Wir müssen die Punkte an Land ziehen und schauen später in der Saison, wo wir damit stehen.“ Nicht ganz unwichtig könnte in diesem Zusammenhang der 14. April werden. An diesem Tag wird der Automobil-Weltverband Fia bei der Berufungsverhandlung entscheiden, ob Brawn den Diffusor weiter verwenden darf. Und damit vermutlich auch, ob der Name des Weltmeisters 2009 Jenson Button lauten könnte.

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