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Formel 1: Diffusor-Urteil löst Nachrüstungswettlauf aus

Das Diffusor-Urteil hat aus der Formel 1 eine Zweiklassengesellschaft gemacht - die anderen Teams versuchen jetzt so schnell wie möglich nachzurüsten.

Am Freitagnachmittag wurde ein in dicke Abdeckplanen verhülltes Paket ins Fahrerlager von Schanghai getragen. Es war der neue Unterboden mit dem Doppeldiffusor von Renault, der am Samstag beim Qualifikationstraining zum Großen Preis von China (8 Uhr/RTL und Premiere) am Auto von Fernando Alonso zum ersten Mal zum Einsatz kommen wird. Nach dem Urteil des Automobil-Weltverbands Fia, die umstrittenen Diffusoren bei Brawn GP, Toyota und Williams zu legalisieren, hat der größte Nachrüstungswettlauf begonnen, den die Formel 1 seit vielen Jahren gesehen hat. Die sieben Teams, die sich zunächst an eine interne Absprache in der Teamvereinigung Fota gehalten hatten, diesen strittigen Weg nicht zu gehen, der außerdem allen vereinbarten Zielen von mehr Überholmöglichkeiten und einer Senkung der Kurvengeschwindigkeiten zuwiderläuft, müssen nun Millionen investieren, um irgendwann wenigstens wieder halbwegs konkurrenzfähig zu sein. „Es ist ja keineswegs mit dem Diffusor getan“, sagt BMW-Teamchef Mario Theissen. „Es muss viel angepasst werden, damit es funktioniert. Das wird Zeit und Geld kosten. Ich kann nicht sagen, wann wir dieses System wie gut am vorhandenen Fahrzeug umsetzen können.“

McLaren-Mercedes hat in Schanghai bereits eine Zwischenlösung am Auto, „ die schon ein bisschen was bringt“, wie Weltmeister Lewis Hamilton feststellte. „Aber um das aufzuholen, liegt noch ein sehr langer Weg vor uns.“ Die ersten großen Schritte werden bei den meisten Teams erst für den Auftakt der Europasaison am 10. Mai in Barcelona erwartet. Bis dahin, so fürchten viele, ist der WM-Zug in Richtung Brawn und Jenson Button schon abgefahren. „Brawn GP und damit auch Button sind jetzt die großen WM-Favoriten. Es wird sehr, sehr schwierig werden, sie noch abzufangen“, glaubt BMW-Pilot Nick Heidfeld. Die Stimmung im Fahrerlager ist vergiftet, die Verlierer der Fia-Entscheidung, die letztlich für ihre Einhaltung einer Vereinbarung bestraft wurden, sind erbost. Es sei ja nicht so, dass da jemand etwas verschlafen hätte, betont Theissen immer wieder. Es ist über die Fia-Entscheidung unglücklich, „weil sie in ihren Konsequenzen all dem zuwider- läuft, was wir für die Formel 1 wollten“.

Während Theissen dabei diplomatisch bleibt, drückt sich Flavio Briatore deutlich heftiger aus. Wo denn die Glaubwürdigkeit der Formel 1 bleibe, fragt der Renault-Teamchef, und ob denn wirklich alle dächten, dass sämtliche Topteams der letzten Jahre einen so großen Fehler gemacht hätten, eine Reglementlücke zu übersehen, während Ross Brawn das einzige Genie der Formel 1 sei? „Und was ist das für eine WM, in der einer, der schon fast pensioniert war“ – damit meint er Rubens Barrichello – „mit einem anderen“ – Jenson Button – „um die WM kämpft, der zwar ein netter Kerl ist, aber so langsam wie ein Straßenbegrenzungspfeiler?“

„Das ist eine Zweiklassengesellschaft“, ärgert sich auch Ferrari-Pilot Felipe Massa, der letztes Jahr bis zur letzten Kurve mit Lewis Hamilton um den WM-Titel kämpfte. „Es ist frustrierend, zu fahren und zu wissen, dass die WM praktisch schon gelaufen ist.“ Man hatte bei Ferrari und vielen anderen Teams auch darauf gehofft, dass die Fia wenigstens für die Zukunft durch eine Konkretisierung der Regelauslegung diese Diffusoren verbieten würde.

So droht die Affäre nun nicht nur die WM in die Langeweile zu reißen, sondern gefährdet auch die Einigkeit der Teamvereinigung Fota. „Das ist eine gewaltige Zerreißprobe“, gibt Ferrari-Teamchef Stefano Domenicali inzwischen angesichts der ziemlich zerstörten Vertrauensbasis zu. Womit wenigstens zwei ihr Ziel erreicht hätten: Fia-Präsident Max Mosley und Formel-1-Boss Bernie Ecclestone. Denen war die neue Einigkeit der Teams schon lange ein Dorn im Auge.

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