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Ort der Tragödie. Am 5. Oktober 2014 rutschte Jules Bianchi mit seinem Marussia-Rennwagen beim Grand Prix von Japan unter einen Bergungskran. Der Franzose erlitt schwere Kopfverletzungen, fiel ins Koma und starb im Juli im Alter von 25 Jahren.

© dpa

Update

Formel 1: Grand Prix in Suzuka: Zurück am Ort der Tragödie von Jules Bianchi

Die Formel 1 kehrt nach Suzuka zurück, wo vor einem Jahr Jules Bianchi verunglückte. Der Unfall des Franzosen wirkt im Fahrerlager immer noch nach - die Stimung ist gedrückt. Im Qualifying gab es wieder eine Schrecksekunde.

In der schicksalsträchtigen Kurve 7, in der sich das Drama abspielte, liegen viele Blumen. Am Eingang der Marussia-Box haben Fans selbstgemalte Plakate mit Aufschriften wie „Jules forever“ oder „Jules, Du wirst immer bei uns sein“ hinterlassen. Vor einem Jahr war der französische Formel-1-Pilot Jules Bianchi beim Grand Prix in Suzuka verunglückt, am 5. Oktober 2014 raste er unter einen Bergungskran, erlitt schwere Verletzungen und fiel ins Koma. Am 17. Juli starb Jules Bianchi, er wurde nur 25 Jahre alt.

Die Formel 1 kehrt an diesem Wochenende an den Ort der Tragödie zurück. Und in Suzuka sind es nicht nur die Fans, die die Erinnerung wachhalten. Auch im Fahrerlager spürt man den Schatten der Ereignisse. Für die Jüngeren in der Formel 1, die das Horrorwochenende von Imola 1994 mit den tödlichen Unfällen von Roland Ratzenberger und Ayrton Senna nicht miterlebt haben, ist es das erste Mal, dass sie mit der Situation konfrontiert werden, an die Stelle eines tödlichen Unfalls zurück zu kommen. Die Stimmung im Fahrerlager ist deutlich gedrückt, das Regenwetter in den ersten Tagen trägt noch zusätzlich dazu bei, den fatalen Rennsonntag 2014 ins Gedächtnis zu rufen.

"Es öffnet einem die Augen, was wir da eigentlich tun"

Das Manor-Marussia-Team, für das Bianchi fuhr, hatte schon im Vorfeld darum gebeten, an diesem Wochenende nicht allzu viele Fragen beantworten zu müssen, „um diese schwierige Situation in Ruhe hinter uns zu bringen“. Es ist für die Marussia-Teamführung auch deshalb besonders schwierig, über Bianchi zu sprechen, weil man insgeheim weiß, an dem Drama vielleicht eine gewisse Mitschuld zu tragen. Auch wenn es lange Zeit keiner hören wollte: Die vom Motorsport-Weltverband Fia ausgewerteten Daten und Fakten beweisen, dass das Team Bianchi per Funk aufforderte, zu pushen, Druck zu machen, weil von hinten ein Konkurrent näher kam – ungeachtet von Regen, schlechter Sicht und gelber Flaggen. Als Bianchi von der Strecke rutschte, zeigten doppelt geschwenkte gelbe Flaggen den Fahrern an: „Langsam Fahren, zum Anhalten bereit machen“. Zu diesem Zeitpunkt war der Franzose mit Tempo 213 unterwegs.

Für Adrian Sutil ist die Rückkehr als Williams-Ersatzfahrer nach Suzuka noch extremer als für die meisten seiner Fahrerkollegen. Weil Sutil von der Strecke abgekommen war, wurde jener Bergungskran eingesetzt, der Bianchi zum Verhängnis wurde. Hinter der Leitplanke musste Sutil den Unfall aus nächster Nähe miterleben. „Das sind Momente und Ereignisse im Leben, die bestimmt prägen, die das Leben ein bisschen verändern, wenn man drüber nachdenkt“, sagt der 32-Jährige. Und wenn man so etwas live mitbekomme, dann sei es natürlich noch wesentlich intensiver: „Das war ein extremer Unfall und es hat gedauert, bis einem solche Momente wieder aus dem Kopf gehen. Es öffnet einem die Augen, was wir da eigentlich tun.“

Virtuelles Safety-Car als direkte Folge

Die Formel 1 hat seitdem einige Konsequenzen gezogen. Auch direkt in Suzuka. Das Drainagesystem wurde verbessert, damit das Wasser bei Regen besser abfließen kann. In der Unfallkurve steht jetzt ein größerer Kran außerhalb der Leitplanken, der von dort aus ein gestrandetes Auto bergen kann. Generell ist das seit Anfang der Saison eingeführte virtuelle Safety-Car eine direkte Folge des Bianchi-Unfalls: Es gibt den Piloten elektronisch genaue Geschwindigkeiten vor. Das über Jahre immer mehr zur Gewohnheit gewordene und von den Team zum Teil auch noch geförderte und sogar geforderte Ignorieren gelber Flaggen ist damit ausgeschaltet.

Jules Bianchis Vater Philippe, der sich zwar seit dem Unfall seines Sohnes keinen Grand Prix mehr angeschaut hat, möchte die Erinnerung an Jules derweil auf eine besondere Art wach halten. Eine, die direkt mit dem Rennsport verbunden ist. „Ich möchte eine Stiftung gründen, die jungen Fahrern zum Beispiel im Kartbereich helfen soll, wenn sie nicht genug Geld haben“, sagt Philippe Bianchi. „Ich spreche mit vielen Formel-1-Piloten und ich bin mir sicher, dass sie mir helfen wollen. Ich denke, dass dieser dramatische Vorfall alle Fahrer sehr berührt hat.“

Pole für Rosberg - heftiger Kwjat-Unfall

Auch in diesem Jahr kam es zu einem heftigen Unfall in Suzuka, das Qualifying wurde daraufhin Sekunden vor dem eigentlichen Abschluss beendet. Daniil Kwjat kam auf trockener Strecke mit seinem Red-Bull-Rennwagen vom Kurs ab, krachte mit dem Heck in die Leitplanken und überschlug sich. Die linke Hälfte des Autos war praktisch abgerissen. Kwjat stieg aber aus eigener Kraft und offensichtlich unverletzt aus dem Wrack.

Nico Rosberg hat sich indes die Pole Position gesichert, denn Hamilton blieb nach dem Unfall kein weiterer Versuch, die Zeit von Rosberg zu unterbieten und seine 50. Pole zu holen. Wie vor einem Jahr fuhr Rosberg somit in der Qualifikation die schnellste Runde auf dem Kurs in Suzuka und verwies WM-Spitzenreiter und Teamkollege Lewis Hamilton auf den zweiten Platz. Sebastian Vettel, am vergangenen Wochenende Polesetter und Sieger in Singapur, wurde im Ferrari Vierter. Er liegt im Klassement als Dritter acht Punkte hinter Rosberg und 49 hinter Hamilton. Rosberg sicherte sich zum zweiten Mal in diesem Jahr und zum 17. Mal in seiner Karriere die Pole.

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