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Durchgereicht: Nico Rosberg startete als Erster und kam als Sechster ins Ziel.

© AFP

Formel 1: Mercedes kommt nicht voran

Schnell von vorne nach hinten: Beim Grand Prix von Spanien muss Mercedes endgültig erkennen, dass es ein Problem seit mehr als drei Jahren nicht in den Griff bekommt.

"Einen Weckruf" nannte es Mercedes-Sportchef Toto Wolff am Sonntagabend in Barcelona – und erstmals schien es ihm wirklich schwer zu fallen, die übliche optimistische Strahlemann-Pose aufrecht zu erhalten. Man könnte es schließlich auch ein Desaster nennen: Beim Grand Prix von Spanien musste Mercedes endgültig erkennen, dass man ein Problem, mit dem man sich seit mehr als drei Jahren herumschlägt, einfach nicht in den Griff bekommt. Das Auto ist zwar auf eine Runde schnell, im Rennen aber geht es dann immer noch radikal rückwärts. Da werden die Mercedes-Piloten gnadenlos durchgereicht, weil das Auto zu viel Reifengummi frisst und die Geschwindigkeit einfach nicht gehalten werden kann.

Mehrere neue Spitzen-Ingenieure hat man im Laufe der Jahre von anderen Teams abgeworben, zuletzt Aldo Costa von Ferrari – grundlegend geändert hat sich nichts. Mercedes wird allmählich zum Gespött im Fahrerlager. Wetten darauf, wann der Absturz diesmal wohl beginne, wurden in Barcelona gleich am Samstag angenommen, nachdem Nico Rosberg und Lewis Hamilton gemeinsam in die erste Startreihe gefahren waren. Die Konkurrenz kann es kaum glauben, dass Mercedes das Problem tatsächlich nicht in den Griff bekommt. „Das gibt es überhaupt nicht, dass man ein Auto nicht so abstimmen kann, dass es zwar im Qualifying etwas langsamer wäre, im Rennen aber etwas konkurrenzfähiger“, sagt ein Teamchef, der aber lieber anonym bleiben möchte. „Die müssen tricksen und es eben auf die Quali-Erfolge anlegen, damit sie wenigstens einmal ganz vorne sind.“

Mercedes bestreitet das mit aller Vehemenz. „Wir haben in Barcelona nur fürs Rennen gearbeitet, überhaupt nicht fürs Qualifying“, sagte Nico Rosberg immer wieder, „wir waren von der Pole-Position sogar selbst überrascht.“ Weil bisher niemand die Ursachen des Problems kennt, will Toto Wolff jetzt nach ganz neuen Ansätzen suchen. „Out-of-the-Box-Denken“, nennt er das in seinem österreichisch gefärbten Marketing-Englisch, was nichts anderes heißt als: alles hinterfragen, alles auf den Kopf stellen, was in den vergangenen drei Jahren gemacht, entwickelt und als absolut sicher und richtig angesehen wurden, „das Set-up, die Fahrzeugkonstruktion, die Reifenbehandlung, Aufhängungspunkte. Irgendwo da ist der Hund drin, der das Auto zwar nicht absolut langsamer macht, aber eben dafür sorgt, dass der Reifen im Rennen nicht das aushält, was wir ihm abverlangen.“

Niki Lauda, Wolffs Partner bei Mercedes, machte es sich einfach, indem er mal wieder auf den Reifenhersteller Pirelli einprügelte. Der sei schuld, der müsse eben haltbarere Reifen machen. Wolff widersprach deutlich: „Niki redet halt manchmal emotional, frei von der Leber weg – es ist viel eher so, dass wir das hinbekommen müssen, ein Auto zu bauen, das mit dem Reifen umgehen kann.“

Wenn man jetzt alles auf den Kopf stellt, ist zu befürchten, dass es noch eine Weile dauert, bis Mercedes das Problems beheben kann. Dabei drängt die Zeit – nicht nur mit Blick auf die aktuelle Saison. Wolff gibt zu, dass es im Prinzip keinen Sinn hat, mit der Entwicklung des neuen Autos für 2014 zu beginnen, ehe man die Ursachen für die Probleme gefunden hat: „Mit dem neuen Reglement für 2014 und den Turbomotoren wird die Reifenbelastung eher noch größer.“ 2013 wird dem neuen Führungsduo, den Anteilseignern Wolff und Lauda, als Übergangsjahr wohl noch zugestanden. Sollten aber 2014 immer noch keine Erfolge kommen, dürfte das Formel-1-Projekt bei Mercedes erneut auf dem Prüfstand stehen.

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