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Taube oder Falke? Lange galt Nico Rosberg als zu weich für die Formel 1 – inzwischen hat er die Kritik mit schnellen Runden widerlegt.

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Formel 1: Nico Rosberg - Britney war gestern

Bisher wusste die Formel 1 trotzdem nicht so richtig, was sie von diesem Nico Rosberg halten sollte. Doch das Mercedes-Teamduell mit Lewis Hamilton verschafft Nico Rosberg endlich Respekt.

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In der betont coolen Formel-1-Szene wirkt Nico Rosberg manchmal wie ein Schuljunge auf dem Pausenhof, der sich in die Clique der größeren Jungs verirrt hat. Er redet oft hastig und emotional und korrigiert sich manchmal innerhalb von zwei Sätzen. Diese offene Art bringt ihm in der durch und durch von Strippenziehern bevölkerten Formel 1 nicht nur Vorteile. Von seinem Arbeitgeber Mercedes bekam er sogar einmal ein Schimpfverbot erteilt, weil er das Wort „Katastrophe“ zu oft in den Mund nahm, wenn er über sein Auto sprach. Doch diese unbekümmerte Art ist auch das Besondere an Nico Rosberg – ausgerechnet der Junge aus der surrealen Parallelwelt Monaco wirkt am authentischsten im Fahrerlager.

Bisher wusste die Formel 1 trotzdem nicht so richtig, was sie von diesem Nico Rosberg halten sollte. Dass er schnell war, war schon bei seinem Debüt im Williams 2006 klar. Aber sonst? Dass er in den vergangenen drei Jahren seinen Teamkollegen Michael Schumacher in Schach hielt, wurde eher dem fortgeschrittenen Alter des Rekordweltmeisters zugeschrieben als ihm selbst. Das mit Spannung erwartete Teamduell mit Lewis Hamilton definiert Rosbergs Image in der Formel 1 noch einmal neu. Und das Ergebnis ist erstaunlich: Der 27-Jährige ist nach seinem Sieg in Monaco der Pilot der Stunde.

Lange galt der Sohn des Weltmeisters von 1982, Keke Rosberg, als schnell, aber nicht, nun ja, hart genug für die Formel 1. Vor gerade einmal zwei Monaten sagten ihm nicht wenige eine Zukunft als ewige Nummer zwei hinter dem neu eingekauften Superstar Lewis Hamilton voraus. Eine Laufbahn im Schatten der großen Jungs, wie sie Mark Webber bei Red Bull, Felipe Massa bei Ferrari oder früher Rubens Barrichello und David Coulthard eingeschlagen haben. Damals folgte Rosberg beim Rennen in Malaysia dem Stallorderbefehl von Mercedes und blieb artig hinter seinem Teamkollegen Hamilton, obwohl er eigentlich deutlich schneller hätte fahren können. Der frühere Formel-1-Pilot Marc Surer nannte Rosberg einen „braven Soldaten“.

Nach der Aktion in Malaysia wurde auch „Britney“ wieder ausgebuddelt. Den Mädchen-Spitznamen hatten ihm englische Fahrerkollegen schon vor einigen Jahren in Anlehnung an Britney Spears wegen seiner weichen Gesichtszüge und seiner langen blonden Haare verpasst. Sebastian Vettel ernannte Rosberg auch einmal zur schönsten Frau im Fahrerlager. Das muss ihn doch ein wenig gewurmt haben – seit einiger Zeit trägt Rosberg Dreitagebart und kürzere Haare. Mehr Respekt hat ihm der neue Look nicht unbedingt eingebracht, auch der abrupte Imagewandel musste für Witzchen herhalten.

Balkonparty. Rosberg und sein Pokal daheim in Monaco.
Balkonparty. Rosberg und sein Pokal daheim in Monaco.

© Youtube/nicorosbergtv

Doch vor dem Großen Preis von Kanada (Sonntag 20 Uhr, live bei RTL und Sky) registrieren viele in der Formel-1-Szene verwundert, dass sie den gebürtigen Wiesbadener wohl zu Unrecht so oft verspottet haben. Dass sich Rosberg gegen den hoch eingeschätzten Hamilton behauptet, hat seinen Stellenwert im Fahrerlager in den letzten Wochen rapide steigen lassen. Das erkennt man auch an den Respektsbezeugungen, die ihm die Fahrerkollegen neuerdings zuteil werden lassen. Die Testaffäre um das Mercedes-Team, die am 20. Juni vor dem Tribunal des Weltverbands Fia verhandelt werden soll, überlagerte seinen Erfolg in Monaco zwar. Doch ausgerechnet Vettel nahm Rosberg von jeder Kritik an dem unlauteren Wettbewerbsvorteil aus. „Es wäre absolut unfair, Nico den Sieg in Monaco abzuerkennen“, sagte Vettel, ihn treffe keine Schuld.

Zwar liegt Lewis Hamilton in der WM-Wertung noch vor Rosberg, doch das ist auch dem Pech geschuldet, das den Deutschmonegassen zu Saisonbeginn ereilte. Vor dem Rennen in Montreal zeigte sich der Trend im Rennstall klar als Rosbergs Freund, auch wenn er nach der Qualifikation als Viertplatzierter zwei Plätze hinter seinem Stallgefährten ins Rennen gehen wird. Der Triumph in seiner Heimat und die drei gewonnenen Qualifying-Duelle zuvor, diese Fakten lassen sich nicht einfach wegspötteln. Der frühere Pilot John Watson nannte das Kräfteverhältnis bei Mercedes „eine der Überraschungen der Saison“, und auch Stefano Domenicali zeigte sich von Rosberg angetan. „Er war im Qualifying schon immer gut, aber jetzt hat er auch gezeigt, dass er im Rennen gereift ist“, sagte der Ferrari-Teamchef der „Bild“.

Lewis Hamilton wirkt derzeit ähnlich überrascht. Der Brite leidet normalerweise nicht an einem zu kleinen Ego; dass Rosberg ihm gefährlich werden könnte, war bei seinem Wechsel von McLaren zu Mercedes vor der Saison kein Thema für ihn. Nach dem Rennen in Monaco wirkte der sonst selbstbewusste Weltmeister von 2008 kleinlaut und räumte ein, er müsse härter arbeiten, um wieder an Rosberg heranzukommen. Wie sehr ihm die Situation zusetzt, konnte man auch an seiner Reaktion auf die Frage erkennen, ob ihn sein Hund Roscoe ablenke, den er neuerdings mit an die Strecke bringt. „Ich verstehe nicht, wie mich ein Hund ablenken kann!“, blaffte Hamilton zurück. Nico Rosberg saß daneben, grinste cool und sagte nichts. So, wie es ein großer Junge eben macht.

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