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Formel 1: Nico Rosberg: „Ich plane jetzt 15, 20 Jahre im Voraus“

Der WM-Führende Nico Rosberg spricht im Interview über seine Titelchancen, neue Perspektiven als Vater und die Vereinbarkeit von Formel 1 und Familie.

Von Christian Hönicke

Herr Rosberg, wie fühlt es sich an, schon nach drei Rennen morgens als WM-Führender mit dem Vorsprung von 36 Punkten aufzuwachen?

Das ist jetzt nichts, worüber ich mich jeden Morgen freue, wenn ich aufstehe. Die meiste Freude gibt mir das Gewinnen, das ist einfach genial.

Und Ihre Familie, oder?
Und meine Familie, klar. Das Private läuft ganz toll. Die Geburt meiner Tochter Alaia war ein besonderes Erlebnis für mich. Wir haben auch Glück damit, wie es seither läuft, es kann ja mit kleinen Kindern durchaus schwieriger oder einfacher sein.

Früher hat man in der Formel 1 gesagt, pro Kind wird ein Pilot um eine halbe Sekunde langsamer, weil er nicht mehr bereit ist, volles Risiko zu gehen. Das scheint bei Ihnen nicht zuzutreffen.
Anscheinend nicht (lacht).

Sie scheuen weiterhin keine riskanten Manöver?
Nein, da hat sich nichts verändert. Ich gehe beim Fahren nicht weniger Risiko ein, ich gebe weiter Vollgas.

Für viele junge Eltern rückt das Berufliche erst einmal in den Hintergrund. Wenn nun etwas im Auto schiefläuft, sehen Sie das ein wenig entspannter als vorher?
Nein. Wenn etwas schiefläuft, ist es trotzdem blöd. Wenn ich an der Rennstrecke bin, lege ich den vollen Fokus darauf, da hat sich nichts getan. Aber natürlich hat das Privatleben einen Einfluss auf den Job, das ist auch im Rennsport so. Wenn es im Privaten so eine Euphorie gibt wie gerade bei mir, das hat sicher einen positiven Effekt.

Wenn Ihnen Ihre Tochter privat und beruflich so viel Glück bringt, denken Sie bestimmt schon an das nächste Kind.
Ich bin mit italienischen Familien um mich herum aufgewachsen. Das waren Riesenfamilien, der Tisch war immer voll. So sieht ein bisschen meine Wunschfamilie aus. Aber keine Ahnung, wo die Reise hinführt.

In welchen Bereichen haben Sie sich konkret weiterentwickelt, seitdem Sie Vater sind? Behalten Sie unter Druck nun eher die Nerven, weil Sie zu Hause mit einem schreienden Kind üben können?
Ich habe jetzt eher einen Sinn für Verantwortung entwickelt. Mir ist bewusst, dass ich für diesen kleinen Menschen mitdenken muss. Ich habe nie besonders weit vorausgedacht, aber nun muss ich die Zukunft 15, 20 Jahre im Voraus planen. Ich will ihr alles ermöglichen, ihr ein tolles Leben geben.

Sie haben also zwischen den Rennen schon die Schule für Ihre Tochter ausgesucht?
Ja, habe ich tatsächlich. Da müssen wir uns jetzt schon einschreiben. Sie wird auf meine alte Schule in Monaco gehen. Das ist lustig, dass ich meine Tochter jetzt dort anmelden muss. Es kommt mir vor, als sei ich gestern selber noch da gewesen.

Viele Eltern erleben sich selbst weniger egoistisch und selbstbezogen als vor der Geburt. Geht Ihnen das auch so?
Ja, das kann sein. Aber das werde ich sowieso mit dem Alter, das hat nicht unbedingt etwas mit unserer Tochter zu tun, glaube ich.

Gibt es Parallelen zwischen den Herausforderungen an der Strecke und denen einer jungen Familie?
Alles ist Organisationssache. Wichtig ist die Kommunikation. Wir versuchen auch zu Hause, alles offen anzusprechen, die Dinge, die einen beschäftigen, auch wenn es schwierig ist. Wir wollen uns die Zeit nehmen, uns hinzusetzen und alles durchzudiskutieren, was wir fühlen, was wir meinen. Das ist so wichtig, und es hilft.

Nico Rosberg ist seit 2014 mit Vivian Sibold verheiratet, im August 2015 kam ihre Tochter zur Welt.
Nico Rosberg ist seit 2014 mit Vivian Sibold verheiratet, im August 2015 kam ihre Tochter zur Welt.

© Felix Hörhager/dpa

Sie sind durch Ihre Dienstreisen häufig komplett abwesend. Vermissen Sie Ihre Familie an der Rennstrecke?
Klar. Ich kriege zwar Bilder zugeschickt, aber natürlich vermisse ich sie. Andererseits sind die Reisen ja auch eine tolle Herausforderung. Es ist nicht so, dass ich mich dazu zwingen muss, weil ich das nicht will. Es ist schon eine gute Balance, finde ich.

Kompensieren Sie Ihre Abwesenheit durch besondere Hingabe an die Familienarbeit, wenn Sie zu Hause sind?
Ja, schon. Wenn ich da bin, ist die Zeit mit der Familie recht intensiv. Normale Büromenschen sind tagtäglich von neun bis fünf weg, dafür aber morgens und abends zu Hause. Ich bin während meiner Reisen tagelang komplett weg, aber wenn ich da bin, bin ich auch wirklich viel im Haus. Ich muss natürlich auch dann trainieren und arbeiten, ich gehe auch ins Büro. Aber ich helfe trotzdem auch tagsüber viel.

Sind Sie ein moderner Vater oder ein klassischer, der die Familienarbeit der Frau überlässt?
Modern würde ich schon sagen, auch wenn ich nicht wirklich weiß, was das bedeutet (lacht). Ich mache alles, es ist alles okay. Nur mit dem Füttern tue ich mich schwer, das muss ich zugeben. Wenn der Pustekuchen kommt mit dem vollen Mund und das Essen überall hingeht – das ist der einzige Punkt, wo es bei mir schwierig wird. Ich habe mir schon überlegt, einen Helm mit Abreißvisier überzuziehen (lacht). Ich finde es nicht eklig, es ist nur einfach ein riesiges Chaos. Das Zeug ist überall, an den Wänden, auf dem Boden, dann kommt auch noch der Hund und schleckt überall dran rum.

Und wer steht nachts auf, wenn Ihre Tochter schreit? Haben Sie eine Strichliste oder sind Sie als Hauptverdiener davon befreit?
Wenn ich mal eine Erholungsphase brauche, macht es Vivian. Wenn ich gut drauf bin, mache ich das schon auch einmal. Besonders frühmorgens nehme ich meine Tochter häufiger – das macht mir nichts, früh aufzustehen. Aber wir haben Glück, die Kleine schläft sowieso meistens durch.

Viele sehen Sie nun als WM-Favoriten. Die Chancen auf Ihren ersten WM-Titel stehen gut.
Es macht keinen Sinn, jetzt schon an die Weltmeisterschaft zu denken. Mein Teamkollege ist nach wie vor Lewis Hamilton, er ist weiter fokussiert und auf dem gleichen Level wie die letzten Jahre. Es wird auch dieses Jahr nicht leicht gegen ihn. Es bringt daher überhaupt nichts, schon nach drei Rennen von irgendetwas zu träumen. Ich will weiter diese Siege genießen und Rennen für Rennen gewinnen. In einem halben Jahr können wir dann gern mal über Punkte und den WM-Stand reden.

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