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Nico Rosberg (vorne) muss auf die Wiese ausweichen. Sebastian Vettel (rechts) und Lewis Hamilton profitieren.

© AFP

Formel 1: Nico Rosberg und sein Umweg durch die Wiese

Nico Rosberg steuert nach starkem Saisonstart in die Krise – Ferrari ist nach dem Rennen in Montreal dagegen im Aufwind.

Sebastian Vettel war bester Laune. Nach dem Großen Preis von Kanada unterbrach er im Fahrerlager von Montreal sogar ein Fernsehinterview mit dem Sieger Lewis Hamilton, um mit dem aktuellen Formel-1-Weltmeister über „selbstmörderische Seemöwen“ am Streckenrand zu flachsen, denen er ausgewichen sei. Dieses Thema hatte die beiden schon vor der Siegerehrung kurz beschäftigt, bei der der Brite ganz oben auf dem Podest stand, Vettel als Zweiter neben ihm.

Eine Siegerehrung, bei der die Reihenfolge der beiden Erstplatzierten auch umgekehrt hätte ausfallen können. Wenn nicht Ferrari mal wieder eine falsche Strategie gewählt hätte: Sebastian Vettel lag nach seinem starken Start von Platz drei vor Hamilton in Führung und schien den Weltmeister auch auf Abstand halten zu können, als in der elften Runde das Virtuelle Safety Car angezeigt wurde, weil Jenson Button auf der Strecke stehengeblieben war. Die Ferrari-Strategen holten Vettel deswegen zu einem frühen Reifenwechsel an die Box. „Unsere Idee war, dass wir am Ende einen deutlich frischeren Reifen haben würden und dann richtig attackieren könnten“, sagte Vettel. „Aber die Reifen bei Lewis haben länger gehalten, als wir das gedacht hatten.“ Die Strategie kritisieren wollte er nicht: „Die Entscheidung tragen wir als Team.“

Vettel sieht einige Fortschritte

Maurizio Arrivabene war der Frust über seine Strategen, die wie schon in Australien und Barcelona eine diskussionswürdige Taktik wählten und damit eine echte Siegchance vergaben, dagegen deutlich anzumerken. „Das war eine Fehlentscheidung“, sagte der Ferrari-Teamchef. „Wir hatten heute eine Menge Potenzial, haben es aber nicht genutzt.

Vettel schien über den zweiten Platz dennoch wirklich nicht unglücklich. Er sah vor allem die Fortschritte, die Ferrari mit neuem Turbolader und modifizierter Hinterachse in Kanada gemacht hatte. Erstmals in dieser Saison brachte ein Update wirklich auf Anhieb sichtbare Fortschritte, erstmals waren die Roten in der Lage, über die komplette Länge der Geraden zusätzlich elektrische Energie aus dem Hybridsystem abzurufen. Auch in Sachen Traktion aus den engen Kurven heraus schienen sie stärker denn je. „Wir waren näher dran“, sagte Vettel. „Wir hatten endlich einmal keine Probleme und konnten vielleicht einige Zweifel ausräumen.“

Wenig Grund zur Freude hatte Nico Rosberg. Er wurde nur Fünfter, nach einem Rennen voller Probleme, einem zusätzlichen Boxenstopp wegen eines Reifenschadens und einem Dreher in der letzten Runde beim verzweifelten Versuch, am Red Bull von Max Verstappen vorbeizukommen. Gesprächsstoff bot hinterher aber vor allem Rosbergs Start. Er stach gleichauf mit seinem Teamkollegen Hamilton in die erste Kurve, wurde aber nach einer Berührung von ihm aufs Gras abgedrängt und fiel auf Platz zehn zurück. Nach erstem Ärger gab Rosberg später zu: „Es war ein hartes Manöver von ihm, aber das gehört zum Racing dazu. Nächstes Mal muss ich sehen, dass ich wieder auf der Innenseite bin.“

Rosbergs Vorsprung schrumpft

Auch Niki Lauda sah das so. Allerdings war genau das eingetreten, was der Aufsichtsratschef des Mercedes-Teams schon vor dem Start befürchtet hatte: „Ich hab den beiden gesagt, dass sie zwei Dinge vermeiden müssen: Sich ins Auto fahren und den anderen in die Wiese abdrängen.“ Trotzdem hielt er sich mit Schuldzuweisungen zurück: „Ein normaler Rennunfall, wie er beim Start passieren kann. Lewis wollte sich gegen Vettel verteidigen und ist dabei nach außen gerutscht.“ Selbst Gerhard Berger, der für Rosberg mit Mercedes um dessen neuen Vertrag verhandelt, nahm Hamilton in Schutz: „Lewis hat nur seine Linie verteidigt. Nico haben vielleicht 20 Zentimeter gefehlt, dann hätte Lewis auch nicht rüberziehen können.“

Stück für Stück schrumpft so auch Rosbergs Vorsprung an der Spitze der WM-Wertung. Hamilton hat ihn in nur zwei Rennen von 43 auf neun Punkte reduziert. Nico Rosberg muss aufpassen, nach dem starken Saisonauftakt mit vier Siegen jetzt nicht doch wieder in eine Abwärtsspirale zu geraten.

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