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Formel 1: Power im Schacht

In Barcelona tobt die Aufrüstungsschlacht der Formel 1 – im Zentrum steht der Luftkanal von McLaren.

Von Christian Hönicke

Sebastian Vettel hat ein gutes Gespür für Mode. Vor dem Rennen in Barcelona hat der Formel-1-Vizeweltmeister seinem Wohnmobil einen schicken neuen Anstrich in Teamblau verpassen lassen. Damit liegt er pünktlich zur alljährlichen Grand-Prix-Modemesse voll im Trend, denn wie immer in Barcelona präsentieren die Rennställe zum Frühlingsbeginn ihre Wagen in neuen Kleidern. „Alle Teams werden in Barcelona mit einem überarbeiteten Auto antreten, wir natürlich auch“, sagt Mercedes-Pilot Michael Schumacher. Auf das spannendste Accessoire der Saison muss der Rekordweltmeister bei seiner Jagd nach dem gelungenen Comeback allerdings noch verzichten.

Vor dem Start der Formel-1-Europasaison am Sonntag auf dem Circuit de Catalunya haben die Teams ihre neuesten Kreationen bis zuletzt in blickdichte Tücher gehüllt, um der Konkurrenz keine Einsicht zu gewähren. So ranken sich vor dem ersten Freien Training am Freitag vor allem Spekulationen darum, wer was an Bord hat. Die interessanteste Frage lautet dabei: Wer hat den F-Schacht? So wie im vergangenen Jahr der Doppeldiffusor der letzte Modeschrei war, scheint sich nun dieser mysteriöse Schacht zum „Must Have“ der Saison zu entwickeln. „Das ist etwas, das man haben muss, denn es bringt einen großen Vorteil“, sagt Sebastian Vettel. „Jeder ist unter Druck, es zu kopieren.“

Der Luftschacht quer durchs Auto ist eine Erfindung von McLaren. Zwei Jahre lang hat der Rennstall im Geheimen an dem System getüftelt; damit die Konkurrenz ja keinen Wind davon bekommt, hat man ihm einen völlig sinnfreien Namen gegeben. Die Idee für das Konstrukt schoss der Legende nach einem Praktikanten durchs Hirn: Durch einen Einlass an der Schnauze des Boliden strömt Luft ins Cockpit (siehe Foto). Wenn der Pilot das Austrittsloch im Cockpit auf den Geraden mit dem linken Knie verschließt, wird die Luft nach hinten durchs Auto weitergeleitet und schließlich auf dem Heckflügel wieder in die Freiheit entlassen. Dort stört sie den aerodynamischen Fluss so, dass der Flügel praktisch wirkungslos wird und der McLaren bis zu acht km/h schneller fährt – vor allem beim Überholen erweist sich das System mit dem Knie im Loch als äußerst nützlich. Das musste auch Red-Bull-Pilot Vettel beim vorigen Rennen in China erkennen. Da sei er einmal hinter Jenson Buttons McLaren in Überholposition gewesen, „aber stattdessen konnte er mir ab Mitte der Gerade wieder davonziehen“. Nicht zuletzt deswegen hat Button schon zwei Rennen in dieser Saison gewonnen und führt die WM-Wertung an. Einen von den anderen Teams eiligst geforderten Bann des F-Schachts lehnte der Automobil-Weltverband Fia ab. Das Reglement verbietet zwar Systeme, die dem Justieren der Aerodynamik während der Fahrt dienen. Doch im McLaren muss nichts verstellt werden bis auf das Knie des Piloten – und das ist nun mal kein Teil des Autos.

Nun müssen die anderen also wie einst beim Diffusor kostenintensiv nachrüsten. Doch das ist gar nicht so einfach. Sauber kopierte den Schacht zuerst – bislang ohne Erfolg. Hinzu kommt, dass sich aufgrund des Testverbots kaum Praxiserfahrung sammeln lässt. „Es wird Monate dauern, bis es richtig funktioniert“, glaubt Williams-Technikchef Sam Michael.

McLaren wird wohl noch einige Zeit von seiner genialen Praktikanten-Idee profitieren und kann sie sogar weiter optimieren – so schien die unschöne Lufthutze in Barcelona plötzlich versetzt worden zu sein. Ferrari will im Zuge der Aufrüstungsschlacht in Barcelona immerhin einen ersten Feldversuch durchführen. Mercedes wird nicht auf den Schacht setzen. Michael Schumacher und Nico Rosberg dürfen aber immerhin mit einer neuen „revolutionären“ (Rosberg) Motorabdeckung und einem verlängerten Radstand auf die Bühne in Barcelona. Auch Red Bull werde auf jeden Fall noch auf den F-Schacht verzichten, erklärte Sebastian Vettel. Er hat dafür an der eigenen Aerodynamik gefeilt. „Ich habe mir extra die Haare schneiden lassen“, sagte Vettel und blickte zum neben ihm sitzenden Ferrari-Star Fernando Alonso, der ebenfalls beim Friseur war. „Ich hoffe, dass ich dabei mehr Haare verloren hab als Fernando und dadurch weiterhin schneller bin.“

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