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Schumacher

© dpa

Formel 1: Sabbatjahr für die Ewigkeit

Weil Ralf Schumacher kein Cockpit findet, will er eine Rennpause einlegen - eine Rückkehr in die Formel 1 ist äußerst unwahrscheinlich.

Berlin - Als Ralf Schumacher in Jerez aus dem Formel-1-Auto stieg, ahnte er schon, dass sich der Kreis für ihn geschlossen hatte. „Ich habe in diesem Team meine Karriere begonnen“, sagte der 32-Jährige nach den Testrunden am Nikolaustag für den Rennstall Force India, der 1997 noch Jordan und zwischendrin Midland und Spyker hieß. Etwas Heimeligkeit kam auf, aber das war auch das einzige positive Gefühl. Zweimal war er zuvor von der Strecke gekreiselt beim vergeblichen Versuch, die Zeit seines Konkurrenten Vitantonio Liuzzi um das letzte freie Formel-1-Cockpit für die kommende Saison zu schlagen, dann sagte er: „Es kann sein, dass das heute meine letzte Fahrt in einem Formel-1-Wagen war.“ Gestern nun schienen sich Schumachers Ahnungen zu bestätigen: Die Deutsche Presseagentur will aus seinem Umfeld erfahren haben, dass er eine einjährige Formel-1-Pause einlegt. Es könnte eine Pause für immer werden. Schumacher war gestern im Urlaub und nicht zu erreichen.

Zwar gibt es für ein Sabbatjahr in der Formel 1 historische Vorbilder wie Alain Prost Anfang der Neunziger, doch angesichts der umfangreichen technischen Änderungen in der kommenden Saison ist ein Comeback Schumachers nahezu ausgeschlossen. Sein Bruder Michael formulierte das vor einem Jahr so: „Die Formel 1 verändert sich ständig: die Technik, die Motoren, die Regeln, die Pisten. Wenn du einmal raus bist, bist du raus.“ Die Karriere des Kerpeners im Grand-Prix-Sport scheint also nach elf Jahren beendet – und damit nur eine Saison nach dem Rücktritt seines Bruders auch die Ära Schumacher. Auch der Pilot a. D. rechnet selbst offenbar kaum mit einer Rückkehr und bereitet sich schon auf sein Dasein ohne die Rennerei vor. „Ich werde die Formel 1 vermissen – sie war eine lange Zeit in meinem Leben“, sagte er vor kurzem. „Aber es gibt auch außerhalb des Motorsports Projekte, die mich interessieren.“

Wenige Wochen zuvor hatte sich Schumacher noch optimistisch gegeben. „Macht euch keine Sorgen, ich werde weiter Formel 1 fahren“, hatte er immer wieder betont. Doch die Sorgen schienen berechtigt, umso mehr, nachdem sein Engagement mit Toyota beendet wurde. Offiziell hat Schumacher gekündigt, weil er mit der Leistungsstagnation des Partners unzufrieden war. Gleiches ließe sich aber auch umgekehrt sagen – insbesondere da der Deutsche bei den Japanern mit rund 17 Millionen Dollar pro Jahr weltmeisterlich bezahlt wurde, aber keinen einzigen Sieg für das Team herausfuhr. Die Perspektive wäre bei Toyota in jedem Fall deutlich besser gewesen als beim Formel-1-Schlusslicht Force India, der einzig verbliebenen Alternative. Das sah auch sein Bruder so: „Bevor er mit diesem Auto, ich weiß gar nicht, wie es heißt, rumkriecht – das muss er sich nicht antun.“

Überhaupt – sein Bruder. Wäre Michael nicht gewesen, Ralf Schumacher wäre die deutsche Formel-1-Legende. Sechs Grand Prix hat er in seiner Zeit bei Jordan, Williams und Toyota gewonnen, mehr als jeder andere Landsmann – von der innerfamiliären Ausnahme einmal abgesehen. Doch sein großer Name war Ralf Schumacher immer eine Wagenlänge voraus, und er hat es nie ganz geschafft, ihn einzuholen. Herkunft und womöglich auch Talent mochte er mit dem erfolgreichsten Piloten überhaupt gemein haben, die nötige Konsequenz und den riesigen Ehrgeiz aber hatte er nicht.

Immerhin war es Ralf Schumacher, der beim ersten Doppelsieg eines Bruderpaares in der Formel 1 vorne war. 2001 ließ er Michael in Montreal nach einem packenden Duell hinter sich; es war vielleicht die Sternstunde seiner Karriere. Doch seine Leistung konnte noch so gut gewesen sein, auf der folgenden Pressekonferenz fiel spätestens bei der dritten Frage der Name des Bruders. Am Anfang hat ihn das genervt, am Ende hat er bereitwillig mitgespielt. Vielleicht hat Schumacher gehofft, dass ihm sein Name bei der Arbeitsplatzsuche doch noch einmal behilflich sein könnte. Dabei hatte er es doch eigentlich schon 1997 besser gewusst: „Einen Schumacher-Bonus gibt es nicht. Wenn man am Steuer sitzt, zählen nur Zeiten.“ Der Kreis hat sich geschlossen. Kaum vorstellbar, dass er sich noch einmal öffnet.

Christian Hönicke

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