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Formel 1: Staatschefs am Lenkrad

Aus finanziellen Gründen lassen sich die Formel-1-Teams mit dubiosen Financiers wie geltungsbedürftigen Politikern ein. Die lange Saison kostet viel Geld - das haben nur noch die Topteams.

Ein Formel-1-Rennfahrer, der auf Kundgebungen seines Staatschefs Parolen von Vaterland und Sozialismus skandiert, ein russischer Ministerpräsident, der ein paar Runden in einem Formel-1-Auto drehen darf: Das ist keine abwegige Fantasie mehr, sondern das reale Ergebnis eines neuen Geschäftsmodells. Die Formel 1 hat die Politik entdeckt, oder die Politik die Formel 1, wie auch immer, das Interesse ist jedenfalls beidseitig.

Die Formel-1-Teams haben nach dem Rückzug vieler Automobilhersteller und den schmaleren Budgets regulärer Sponsoren von Banken bis zu Großkonzernen Probleme, Geldquellen für ihren teuren Sport aufzutreiben. Auch angesichts der immer längeren und damit teureren Saison geraten inzwischen fast alle Rennställe außer den Spitzenteams in Finanzierungsnöte. Neue Geldgeber werden händeringend gesucht – und gefunden. Begehrte Financiers sind etwa macht- und publicitybewusste Politiker vom Schlage eines Hugo Chavez oder Wladimir Putin. Die Politiker sehen die Formel 1 als ideale Spielwiese zur eigenen Image-Aufbesserung. Auch weil dadurch junge Fahrer aus ihren Ländern den Sprung in die Königsklasse schaffen, bei denen das reine Talent dazu eher nicht gereicht hätte.

Schon in der vergangenen Saison kam auf diese Weise der Russe Witali Petrow zu Renault. Nachdem sich der französische Automobilhersteller sehr weit zurückgezogen hatte, setzte der neue Teambesitzer Gerard Lopez aus Luxemburg auf Petrow und seine Verbindungen. Denn es geht nicht nur um direkte russische Sponsorengelder – auch wenn kolportiert wurde, Petrow habe sich mit einer Mitgift von 15 Millionen Euro angeboten. Dass dieser Betrag wirklich geflossen ist, wird in der Szene bezweifelt. Aber für den Finanzinvestor Lopez ist ohnehin viel wichtiger, dass Petrow ihm den riesigen russischen Markt für sein Geschäft geöffnet hat. Gerade mit Blick auf den ersten russischen Grand Prix, der für 2013 in Sotschi geplant ist, erwartet er sich für die Zukunft größere Gewinne. Renault-Teamchef Eric Boullier wäre Petrow, der leistungsmäßig in der ganzen Saison kaum überzeugen konnte, gern losgeworden, musste den Russen dann aber doch behalten. Zwar schaffte er es in Melbourne jetzt zum Auftakt auf Startplatz sechs, aber seine Fehlerquote gilt immer noch als sehr hoch.

Bei Williams sieht die Lage ähnlich aus. Das Traditionsteam verlor durch den Rückzug von vier großen Sponsoren rund 20 Millionen Euro – das wurde dem Deutschen Nico Hülkenberg zum Verhängnis. Er wurde ein Opfer der Venezuela-Connection: Pastor Maldonado, der trotz des Meistertitels in der Nachwuchsserie GP2 unter Experten nicht gerade als Supertalent gilt, rühmt sich direkter Beziehungen zu Venezuelas Staatschef Hugo Chavez. Der finanziert ihm das Abenteuer Formel 1, auf dem Umweg über die staatliche venezolanische Ölgesellschaft PDVSA. 24 Millionen US-Dollar jährlich über drei Saisons soll Maldonado geboten haben.

Williams-Geschäftsführer Adam Parr griff zu.Parr singt seitdem bei entsprechenden Events in Venezuela schon mal das große Loblied auf die Politik des nicht gerade immer sehr demokratisch agierenden Chavez. Ein anderer, bei dem sich Maldonado ebenfalls angeboten hatte, lehnte ab. Dem Schweizer Peter Sauber war die ganze Geschichte nicht geheuer. Erstens ist er nicht völlig überzeugt, dass das versprochene Geld auch wirklich kommt, zweitens macht er sich schon auch Gedanken über die politische Abhängigkeit. Allerdings hatte Sauber auch eine der heute seltenen eher konventionellen Alternativen: Bei ihm finanziert der reichste Mann der Welt, der mexikanische Telmex-Chef Carlos Slim, dem jungen mexikanischen Nachwuchsfahrer Sergio Perez einen Platz in der Formel 1. Und Sauber damit einen Teil des Teambudgets.

So ganz reichte aber auch Williams das Finanzierungsmodell Venezuela nicht. Oder wollte man sich absichern für den Fall, dass die Geldquelle doch nicht so sprudeln sollte wie die Ölquellen im fernen Südamerika? Jedenfalls ging man mit dem Team auch an die Börse, um an weitere Millionen zu kommen. An die Frankfurter allerdings, nicht an die Londoner, was für ein englisches Team eigentlich naheliegender gewesen wäre. Der Hintergrund: In London hätte man beim Börsengang viel mehr interne Finanzdaten offenlegen müssen, was das Team offensichtlich nicht wollte. Die Skepsis bei Finanzexperten über die Seriosität der ganzen Aktion war dann auch überall deutlich zu spüren. Und selbst in Formel-1-Kreisen schüttelten die meisten auf die Frage, ob sie denn diese Aktie kaufen würden, nur grinsend den Kopf. Der Erlös blieb dann auch um ein Viertel hinter den Erwartungen zurück: 60 statt der erhofften 80 Millionen Euro kamen in die Kasse. Und die sollen auch nicht wirklich in das Team fließen. Sondern in erster Linie in die Taschen des bisherigen Williams-Mitbesitzers Patrick Head, der seine Anteile verkaufen und aussteigen möchte.

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