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Sport: Formel 1: Weißer Rauch kündet vom Sieg der Roten

Mika Häkkinen verriet nichts, und das war irritierend. Er stand einfach da, im Fahrerlager, vor dem riesigen Motorhome seines Teams McLaren-Mercedes, und zeigte nichts.

Mika Häkkinen verriet nichts, und das war irritierend. Er stand einfach da, im Fahrerlager, vor dem riesigen Motorhome seines Teams McLaren-Mercedes, und zeigte nichts. Alle starrten auf ihn, alle warteten auf eine Reaktion. Es musste doch etwas kommen: Enttäuschung. Frustration. Ärger. Kopfschütteln notfalls. Aber Mika Häkkinen wirkte nur - gefasst. Es war eine dieser Mienen, die alles offen lässt - ob sie Trauer verbirgt oder ob alles wirklich nicht so schlimm war. Aber es war doch schlimm, Häkkinen sagte es doch selber. "Ich bin sehr enttäuscht", bekannte er, "ich habe alles versucht. Und kurz vor dem Ziel schoss mir durch den Kopf: Hey, was wäre das, wenn du hier zum vierten Mal gewinnst."

Er gewann nicht zum vierten Mal in Barcelona, beim Großen Preis von Spanien in der Formel 1. Ihm fehlten 300 oder 400 Meter. 300 oder 400 Meter später wäre er der strahlende Held gewesen. "Wenn es zwei Kurven später passiert wäre", sagte Häkkinen, "hätte ich noch ins Ziel rollen können. Ab da ging es ja nur noch bergab." Stattdessen zog sein Auto weiße Rauchschwaden hinter sich her und rollte mit einem Motorschaden ins Kiesbett. Von da an war Mika Häkkinen nur noch die tragische Figur. Er hatte in Führung gelegen, klar vor Michael Schumacher, dem Weltmeister. Dieser schlich, noch eine kleine Tragik innerhalb des großen Dramas, mit einem kaputten Auto ins Ziel. Zwischenzeitlich hatte er vier Sekunden vor Häkkinen geführt, er schien wie der eigentliche Sieger auszusehen. Schumacher hatte dieses Rennen rund 50 Runden lang dominiert, aber dann spürte er Vibrationen und ging auf Nummer sicher. Er stieg vom Gas, und dennoch konnte er zehn Minuten später den Champagner spritzen lassen. Er hatte gewonnen, vor Pablo Montoya (BMW-Williams) und Jacques Villeneuve (BAR-Honda). Es war nicht bloß ein Rennen, es war eine perfekte Inszenierung.

Häkkinen bog in die letzte Runde ein, als er dem Regieraum von McLaren-Mercedes mitteilte: "Hier läuft irgend etwas schief." Bei Mercedes-McLaren waren sie alle überrascht. "Bei so einem Schaden", sagt Alexander Wurz, der McLaren-Testfahrer, "gibt es keine Vorwarnung. Da kannst Du auch nichts machen."

Und genau deshalb sagt Norbert Haug, der Motorsportchef von Mercedes, "ist der Mika auch gefasst. Er konnte nichts dafür. Wenn er das Auto ins Kiesbett gefahren hätte, hätte er jetzt ein Problem." Das ist die nüchterne Analyse, die Version, in der Emotionen keine Rolle spielen. Aber Häkkinen hat Gefühle und Nerven. Vier Punkte hat er bisher geholt, er liegt weit abgeschlagen in der Punktewertung. Ein Sieg in Barcelona hätte ihm wieder Glanz gegeben und seine alte Größe bestätigt. Er ist schließlich zweimaliger Weltmeister. Aber Häkkinen ließ niemanden in seine Seele blicken, nicht öffentlich jedenfalls.

Bei vielen musste er das auch gar nicht tun. Die verstehen ihn auch ohne Worte. "In so einer Situation", sagt Wurz, "musst du einen allein lassen." Und Michael Schumacher verlor diese Emotionslosigkeit, die er sich für die Öffentlichkeit so oft zurecht legt. "Ich fühle mich schuldig, ach, nein, eigentlich nicht schuldig, aber ich habe Mitleid mit Mika. Das ist schockierend", sagte er. "Ich kann mich nicht richtig freuen, weil ich so eigentlich die Rennen nicht gewinnen will." Noch im Ziel lief er auf Häkkinen zu, umarmte ihn und - entschuldigte sich. Das hatte nichts von Heuchlei. Es war eine nette, aufrührende Geste in einem harten Geschäft. "So ist nun mal der Rennsport", sagte Schumacher nämlich auch, "irgendwann trifft es jeden. Mich hat es auch mal getroffen, heute hatte Mika dieses Pech." Das klang nur etwas kühl, in Wirklichkeit war es ein ehrlicher Satz. Häkkinen hätte im umgekehrten Fall das Gleiche gesagt. Nachdem er Schumacher um Verzeihung gebeten hätte.

Schumacher führt jetzt mit acht Punkten Vorsprung die WM-Wertung an, vor David Coulthard, dem zweiten McLaren-Mercedes-Piloten. Coulthard hätte ihm gefährlich werden können, er lag vor Barcelona mit Schumacher gleichauf. Aber er würgte vor der Aufwärmrunde den Motor ab, musste aus der letzten Reihe starten, und verlor dann auch noch 40 Sekunden, weil er früh einen kaputten Frontflügel austauschen lassen musste. Nach einer grandiosen Aufholjagd landete er immerhin noch auf Platz fünf. Ralf Schumacher (BMW-Williams) kam gar nichts ins Ziel. Bremsfehler, Ende auf dem Kiesbett. Dort schied auch Heinz-Harald Frentzen (Jordan-Honda) nach einer Kollision mit Pedro de la Rosa aus. Rubens Barrichelo, Michael Schumachers Teamkollege, musste wegen eines technischen Defekts aufgeben.

Häkkinen war da noch im Rennen. Was ihm durch den Kopf gegangen sei, als der Finne in der letzten Runde ausschied, wurde Mercedes-Sprtchef Haug gefragt. "Es beginnt mit S und endete mit E", antwortete Haug. Vermutlich schoss das auch Häkkinen durch den Kopf. Er entschied nur, dies nicht zu sagen.

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