zum Hauptinhalt
Hat hier jemand Reifen bestellt? Ein Formel-1-Mechaniker checkt das Material. Nicht immer kommt bei den Rennställen alles so einfach an.

© AFP

Formel 1: Zirkus aus der Kiste

Für die Logistiker der Formel-1-Rennen ist der Transport von Mensch und Material rund um die Welt eine große Herausforderung.

Aus Schaden wird man klug. Speziell in der Formel 1, wo es darum geht, alles zu perfektionieren: vom Auto bis zum komplexen Plan, wie man den ganzen Zirkus in einem Jahr zweimal um die ganze Welt schickt, mit mindestens 1000 Leuten und Hunderten von Tonnen Equipment. Aber weil es bei aller Perfektion auch Pannen gibt, bleibt auch einmal etwas liegen: „Einmal haben wir auf dem Weg nach China ein ganzes Auspuffset zu Hause in Hinwil vergessen“, sagt Sauber-Teammanager Beat Zehnder.

Die einzige Chance: Das Teil einem Mitarbeiter im Handgepäck mitzugeben. „Aber wir hatten niemanden mehr zu Hause, der ein Visum für China hatte – und das zu bekommen dauert in der Schweiz fünf Tage.“ Die Rettung war dann Zehnders Ehefrau, die zufällig gerade in Peking einen Event für VW organisierte und dafür sorgen konnte „dass das Teil nach Peking kam – und von dort habe ich es dann nach Schanghai holen lassen“. Die Lektion, die Zehnder daraus gelernt hat: „Jetzt besorgen wir für Länder wie China oder Indien, wo das kritisch ist, immer schon Visa für ein paar Leute, die normalerweise gar nicht fliegen würden – um im Notfall ein Back-up zu haben.“

Der Materialtransport ist ohnehin zentral organisiert: Über Bernie Ecclestones Management-Organisation, die FOM, und den Formel-1-Partner DHL, der das komplette Handling der Fracht übernimmt. An zentralen Flughäfen in London, Mailand und München holen die Frachtflieger die Container der Teams ab – und stellen sie ihnen an der Rennstrecke wieder mehr oder weniger direkt vor die Box: „Das kommt alles auf die Start-Ziel-Gerade, da können wir es uns dann abholen“, sagt Zehnder.

Das sei heute alles schon viel einfacher und besser als noch vor 15 oder 20 Jahren, da sind sich die Logistikmanager aller Teams einig. Mercedes-Sportdirektor Ron Meadows, dafür zuständig, vor Ort alles zu überwachen, was mit Auf- und Abbau zu tun hat, ist sich sicher: „Die Tatsache, dass man da immer mit den gleichen Leuten, mit absoluten Profis, zusammenarbeitet, ist eine große Hilfe für uns.“

Sind die Container da, geht für die Teams die Arbeit richtig los: Bei Sauber kommen zwölf Teammitglieder und die fünf Leute von der Cateringcrew schon am Montag für den Aufbau an die Strecke. Beim Abbau müssen dann alle mithelfen, sowohl bei den großen Teams wie Mercedes als auch bei den kleinen wie Sauber: „Alle bis auf die Fahrer und die Teamchefin vielleicht“, sagt Zehnder und lacht. „Die Ingenieure auch. Die packen ihre ganze Büroeinrichtung selbst zusammen, die Tische werden zusammengeklappt, alles kommt wieder in den Container.“

Wobei dieser Container nicht mit der Luftfracht transportiert wird, sondern als Seefracht unterwegs ist. Weil das viel länger dauert – „wir rechnen im Schnitt mit 45 Tagen von Hafen zu Hafen“ – hat man bei allen Teams fünf identische Kits in fünf Containern, die dann auf den Weg geschickt werden: „Den, der wir in Montreal hatten, den werden wir zum Beispiel in Japan wieder haben, und der von hier geht dann nach Brasilien ...“

Auto, Boxeneinrichtung und Werkzeuge werden in insgesamt acht Containern verstaut – alles an exakt definierte Plätze. Damit nichts kaputt geht und sich alles auf den ersten Griff wieder findet. Etwa sechs Stunden dauert das Einpacken. Dann gehen die Container in den Flieger – zur nächsten Strecke, im aktuellen Fall von Singapur nach Korea.

Das reine Auf- und Abbauen, auch unter Zeitstress, sei dabei eigentlich nicht die große Belastung für die Mitarbeiter, sagt Zehnder. „Es sind andere Faktoren, die da eine Rolle spielen und extrem an die Substanz gehen. Die Zeitumstellungen, Jetlag, die ständigen Klimawechsel, über 30 Grad in Singapur, dazu die hohe Luftfeuchtigkeit, dann vielleicht nur 15 Grad und eher trockene Luft in Korea. Dann wieder Hitze und Feuchtigkeit in Indien. Das macht sich bemerkbar.“

Am kompliziertesten wird die Logistik, wenn einzelne Teile zwischen den Rennen zurück nach Hause ins Werk geflogen und neue Teile nachträglich an die Strecke gebracht werden müssen. Etwa, weil etwas kaputtgegangen ist, weil es überprüft worden ist oder weil man doch noch eine Neuentwicklung ans Auto bringen will. Darum müssen sich die Teams dann einzeln kümmern: „Wichtig ist, dass man bei den entsprechenden Airlines schon mal ankündigt, dass am Sonntag Abend eine Luftfracht von bestimmter Größe und Gewicht kommen könnte – damit dann in der Maschine auch Platz ist.“

Auf dem Weg zurück hat man dann ein anderes Problem – vor allem, wenn es nach Indien gehen soll. Dort sind Bürokratie und Zollformalitäten so umständlich, dass eine Kiste, die man am Montag abschickt, „möglicherweise nicht bis Sonntag ankommt“, sagt Zehnder.

Sicherer ist der Transport aber geworden – Verluste oder kaputte Teile gibt es kaum noch. „Früher, als das alles noch in einzelnen Kisten war, war das anders“, erinnert sich Zehnder. „Da haben wir in Brasilien ein seitlich eingedrücktes Auto zurückbekommen.“ Auf dem Schaden blieb das Team damals sitzen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false