Sport: Formel I: Der Star aus dem Kindergarten
Verspottet haben sie ihn, nannten ihn "verantwortungslos" oder "Kindergärtner". Als Peter Sauber mit Nick Heidfeld und Kimi Räikkönen die Fahrer seines Rennstalls für diese Saison präsentierte, sahen sich Kenner der Formel-1-Szene allenthalben zu bissigen Kommentaren genötigt.
Verspottet haben sie ihn, nannten ihn "verantwortungslos" oder "Kindergärtner". Als Peter Sauber mit Nick Heidfeld und Kimi Räikkönen die Fahrer seines Rennstalls für diese Saison präsentierte, sahen sich Kenner der Formel-1-Szene allenthalben zu bissigen Kommentaren genötigt. Vor allem der damals 20-jährige Räikkönen, zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal im Besitz der für Grand-Prix-Rennen erforderlichen Superlizenz, wurde wegen seiner fehlenden Erfahrung eher als Risiko für alle Beteiligten denn als Konkurrent für die Stars angesehen.
Zum Thema Online Spezial: Formel 1 Foto-Rückblick: Schumachers Weg zur WM Online-Gaming: meinberlin.de sucht den Formel-1-Champion! Ein halbes Jahr später sieht alles anders aus. Der Finne mit dem unscheinbaren Äußeren hat die gesamte Grand-Prix-Szene eines Besseren belehrt. Während Fachleute und Medien den anderen Neuling Juan-Pablo Montoya in Diensten von Williams-BMW abwechselnd in den Himmel lobten und danach wieder verteufelten, fuhr Räikkönen im Sauber-Petronas fast unbemerkt von Rennen zu Rennen immer neue Spitzenplatzierungen heraus. Ohne dabei kapitale Aussetzer wie Montoya zu fabrizieren und sich danach mit fehlender Erfahrung entschuldigen zu müssen. Obwohl man ihm es hätte abnehmen müssen, schließlich hatte er nach eigenen Angaben vor seinem "ersten Formel-1-Start kein Rennen live gesehen".
Räikkönens Vita ist in dieser Hinsicht nicht einzigartig. Auch Michael Schumacher übte sich vor seinem Eintritt in die Formel 1 ihr gegenüber in Ignoranz. Überhaupt hat Räikkönen einiges mit dem viermaligen Weltmeister gemein - sei es seine Abneigung ("Ich lese keine Bücher") gegenüber dem geschriebenen Wort oder sein Hang zur Popmusik. Wenngleich das so gar nicht zu seinem mit "finnisch" wohl am zutreffendsten beschriebenen Temperament passen will - man möchte ihm eher abnehmen, dass er sich für so emotionsgeladenes Zeug wie Musik gar nicht interessiert.
Dennoch konnte auch Michael Schumacher gewisse Parallelen wohl nicht leugnen und bot sich sogar an, Räikkönen zu seinem Nachfolger bei Ferrari aufzubauen. Im Gegensatz zum Heißsporn Montoya beließ es der Finne bei den Rivalitäten auf der Strecke und bemerkte dann auch artig, er fühle sich "geschmeichelt", als Schumacher ihm das Potenzial eines zukünftigen Weltmeisters bescheinigte.
Doch die Chancen, den talentierten Kimi zu verpflichten, standen von Anfang an schlecht für die Italiener, selbst wenn der 21-Jährige zugab, dass er davon träume, "einmal bei Ferrari zu fahren. Und irgendwann wird es auch klappen." Doch mit dem aufstrebenden Räikkönen, dem McLaren-müden Mika Häkkinen und dessen Manager Keke Rosberg waren es der Finnen dann doch mindestens einer zu viel für Ferrari, um das Unvermeidliche aufzuhalten. Zumal auch Häkkinen aus seiner Wertschätzung für Räikkönen keinen Hehl gemacht hatte: "Kimi hat in diesem Jahr sein Talent gezeigt. Er ist ein potenzieller Grand-Prix-Sieger." Dass er sich davon zwar schmeicheln, nicht aber den Kopf verdrehen lässt, belegt ein Blick in Räikkönens Ausweis. Während es die meisten Formel-1-Piloten praktisch mit der Unterzeichnung ihres ersten Kontrakts nach Monte Carlo oder in andere Schutzgebiete des süßen Lebens und der gesenkten Steuern zieht, stehen in Räikkönens Pass zwei Wohnorte: sein Geburtsort Espoo und Chigwell/Großbritannien. Dort ist es für einen Finnen heiß genug.
Christian Hönicke