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Sebastian Vettel, 22, fährt seit 2007 in der Formel 1. 2009 wurde er mit Red Bull Vizeweltmeister. In dieser Saison hatte Vettel bisher mit vielen technischen Problemen zu kämpfen, zurzeit liegt er in der Fahrerwertung auf dem dritten Platz.

© dpa

Interview: Sebastian Vettel: "Wenn ich angefressen bin, zeige ich es"

Formel-1-Vizeweltmeister Sebastian Vettel spricht im Tagesspiegel-Interview über Pannen an seinem Auto, Musik, Frustbewältigung und sein Verhältnis zu Michael Schumacher.

Von Christian Hönicke

„Help!“, „Crying, Waiting, Hoping“, „I’m so tired“, „Why don’t we do it in the road?“, „We can work it out“. Was sagt Ihnen das, Herr Vettel?
Das sind Beatles-Songs.

Gut, das war nicht so schwer für Sie als Rock- und besonders Beatles-Fan. Welches Lied drückt die Gefühle zu Ihrem Auto vor dem Großen Preis von Monaco am Sonntag am besten aus?
Hm… „We can work it out“. Wir hatten einige schwierige Rennen und einige Probleme mit der Zuverlässigkeit. Aber wir haben trotzdem viele Punkte geholt, und jetzt hoffe ich einfach künftig auf weniger Zwischenfälle.

Hören Sie bestimmte Lieder in bestimmten Gefühlslagen?
Ich mag die Beatles, aber ich habe jetzt nichts Spezielles, was ich höre, wenn ich sauer bin oder glücklich. Ich höre das, was gerade im Shuffle-Modus auf meinem Ipod hochkommt, außerdem höre ich ja auch andere Sachen als die Beatles. Von allem ein bisschen.

Was haben Sie nach dem Grand Prix in Barcelona gehört?
Nichts, was Sie jetzt vielleicht erwarten, keine traurigen Songs, so nach dem Motto: alles schlecht, alles negativ. Eher das Gegenteil. Ich versuche, positiv nach vorn zu schauen und positive Vibes aufzubauen.

In Barcelona haben Sie zum vierten Mal im fünften Rennen Probleme am Auto gehabt. Manche in der Formel 1 glauben schon, dass ein Fluch auf Ihnen lastet.
Ich bin zwar ein bisschen abergläubisch, aber nicht so krass. Ich habe keine Angst davor, dass in den nächsten paar Rennen wieder was kaputt geht. Oder dass so eine Art böser Fluch auf mir lastet. Die Formel 1 ist sehr technisch, meistens passieren die Dinge aus gewissen Gründen und man kann es erklären. Was in den vier Rennen passiert ist, kann man erklären, und wir wissen ziemlich gut, was es war. Bei den Bremsproblemen in Barcelona sind wir noch nicht hundertprozentig sicher. Wir haben aber eine Ahnung davon, wie wir das hinbasteln können und hoffen, dass wir das Problem nicht noch einmal bekommen.

Sie haben also keine Angst, der Pechvogel der Formel 1 zu werden – ein neuer Nigel Mansell?
Mansell hat doch einen Titel gewonnen.

Aber ziemlich spät, nachdem er etliche vorher durch unfassbares Pech verloren hatte.
Ja, es hätte mehr als einer werden können. Aber ich denke, die Leute erinnern sich als tollen Fahrer und großen Champion an ihn und nicht an jemanden, der ständig vom Pech verfolgt wurde. Zumindest nicht immer. Ich habe auch gar keinen Schnauzer, also kann ich schon mal sowieso nicht Nigel Mansell sein.

Ihr Auto ist das schnellste im Feld, jedoch offensichtlich auch eines der anfälligsten. Würden Sie lieber ein wenig Geschwindigkeit für mehr Zuverlässigkeit eintauschen?
Niemals. Eine unserer Stärken dieses Jahr ist, das unser Auto so schnell ist – ich würde kein bisschen von der Geschwindigkeit opfern. Höchstens, wenn die Zuverlässigkeit echt desaströs ist, aber davon kann keine Rede sein.

Sie könnten die WM-Wertung deutlich anführen, stattdessen sind Sie nur Dritter.
Hätte, wäre, wenn bringt nichts. Und es ist ja immer noch besser als letztes Jahr, als wir einen schlechten Start hingelegt haben und gleich massiv im Rückstand waren. Speziell Jenson Button zeigt schon, wie wichtig es ist, ins Ziel zu kommen.

Woher rühren die Probleme?
Ein Formel-1-Auto ist eben dafür gebaut, schnell zu fahren – damit soll man ja nicht im normalen Verkehr fahren. Es ist normal, dass da mal was kaputt geht. Das waren prinzipiell kleine Sachen, nichts Großes oder Dramatisches. Natürlich können Kleinigkeiten manchmal einen großen Effekt haben. Aber das waren Sachen, die normalerweise sehr selten passieren. Und wir haben ja immer schnell reagiert und es ist nie zweimal das Gleiche passiert.

Bei Ihnen scheint aber häufiger etwas kaputt zu gehen als bei anderen. Im vergangenen Jahr hat Sie das den Titel gekostet.
Man fragt sich schon, warum. Doch es geht ja nicht nur uns so. Ferrari hatte jahrelang keine Motorprobleme, und dieses Jahr hatte Fernando Alonso schon zwei Motorplatzer, glaube ich. Oder Kimi Räikkönen – dem flog der McLaren-Mercedes ja zeitweise auch nur so um die Ohren. Man sieht: Der Wettbewerb ist eben verdammt hart, also muss man mit sich und dem Auto jedes Jahr aufs Neue an die Grenzen gehen. Manchmal macht man dabei Fehler.

Der Mann hinter Räikkönens damaligem und Ihrem heutigen Wagen heißt Adrian Newey. Ist der Autodesigner ein schlampiges Genie?
Nein. Adrian ist ziemlich schlau und manchmal nicht ganz so leicht im Umgang für uns alle. Ich meine das aber positiv, nicht negativ.

Geht Newey ein zu hohes Risiko ein?
Adrian hat sicher eine sehr aggressive und schwierige Herangehensweise. Aber wenn es funktioniert, zahlt es sich aus. Man muss immer den Mittelweg, die richtige Balance finden. Die Statistik dieses Jahr sieht natürlich nicht so toll aus. Ich hoffe, jetzt haben wir erstmal genug und es hört auf. Bisher habe ich hier in Monaco noch keine Teile abfallen sehen.

Und wenn es doch wieder passiert? Trösten Sie sich mit einem Frustbier?
Ich besaufe mich nicht, wenn ich sauer bin. Ich trinke sowieso kaum Alkohol, höchstens mal ein Glas Wein oder ein Bier. Aber nichts Hartes, das mich ausknockt. Und wenn man hungrig ist und das einzige in der Nähe ist Fastfood, dann kann man das schon mal machen. Man darf es nur nicht übertreiben. Schließlich muss ich ja auf meine Linie achten.

Sie sind hart ins Gericht gegangen mit Ihrem Auto in Barcelona. Kann es zum Nachteil werden, Ihren Frust so offen zeigen?
Glaube ich nicht. Die Formel 1 hat in dieser Hinsicht natürlich ein schlechtes Image, auch was diese ganzen politischen Spielchen angeht. Aber jeder Einzelne kann einen Unterschied machen. Ich bin, wie ich bin, und ich versuche nicht, jemand anderes zu sein. Wenn ich zufrieden bin, zeige ich das, und wenn ich angefressen bin, dann zeige ich es eben auch. Das kann man mögen oder nicht – so bin ich nun mal.

Wie ist Ihr Verhältnis zu Michael Schumacher, jetzt wo Sie gegeneinander fahren?
Ich komme immer noch ziemlich gut mit ihm aus. Ich kenne ihn ja schon, seit ich acht oder neun bin. Er war mein Idol, ich habe zu ihm aufgeschaut. Er war immer offen und ehrlich – und wenn ich ihn um Rat gefragt habe, war er sehr hilfsbereit.

Fragen Sie ihn auch immer noch um Rat?
Ja, manchmal. Und er gibt mir immer noch eine Antwort. Er könnte ja auch sagen: „Nö, jetzt wo wir gegeneinander fahren, musst du schauen, wo du bleibst.“

Was war Ihre letzte Frage an ihn?
Wir haben uns auf dem Rückflug aus Schanghai unterhalten. Sogar ziemlich viel – keine Geheimnisse natürlich, die behält jeder für sich. Es ging um Autos und die Reifen, und was er darüber denkt. Er hat eine Menge Erfahrung, und es tut gut, sich mal mit jemandem außerhalb des eigenen Teams auszutauschen. Vor allem, wenn der sich auch noch im Auto auskennt und es aus der Innenperspektive beurteilen kann. Das war ganz interessant.

Hat ihr einstiges Idol Sie denn mal um Rat gefragt? Er hat ja Probleme mit den Reifen.
Nein. Wie gesagt, man unterhält sich, man tauscht sich aus. Aber Ratschläge würde ich das nicht nennen.

Nochmal zurück zur Musik: Sie sagen, damit steigern Sie Ihre Angriffslust.
Ja, ich höre vor Qualifying und Rennen Musik, um mich in Stimmung zu bringen.

Was werden Sie vor dem Rennen in Monaco hören?
Keinen bestimmten Song, auch der Text ist nicht so wichtig. Es kommt vor allem auf die Melodie an. Wahrscheinlich etwas aus dem Soundtrack von Rocky.

Das Gespräch führte Christian Hönicke.

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