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Sport: Fragen im Walde

Nach Herthas Blamage am Betzenberg schickt Trainer Stevens seine Spieler zum Joggen – und Nachdenken

Von Klaus Rocca

und Michael Rosentritt

Berlin. Die erste öffentliche Nachricht aus Herthas Hauptquartier gestern hatte etwas Überrachendes. Der Fußball-Bundesligist und die BVG bieten zum Pokalspiel Herthas in Bremen am 3. Dezember günstige Reisemöglichkeiten an, heißt es in der Pressemitteilung aus der Geschäftsstelle des Vereins. Für die Busfahrt werden pro Person zehn Euro verlangt. Das ist bestimmt eine feine Sache, aber hat Hertha BSC einen Tag nach dem 2:4 von Kaiserslautern, der schlimmsten aller Saisonniederlagen, keine anderen Sorgen? Im Ausblenden der Probleme hat es Hertha seit dem Sommer zu einer gewissen Meisterschaft gebracht.

Montagmittag um 13.48 Uhr auf dem Vereinsgelände am Olympiastadion: Dieter Hoeneß, der Manager, geht in die Kabine zur Mannschaft. Erst 40 Minuten später kommt er wieder raus. Ob er eine Standpauke gehalten habe, wird er gefragt. Keine Antwort. „Ich rede am Abend bei der Mitgliederversammlung genug“, sagt Hoeneß und lässt die Journalisten stehen.

Reden will kaum jemand. Niko Kovac geht durch die Hintertür in die Kabine, Josip Simunic präsentiert den Handy-Trick: Auf dem Weg zum Auto in die Kabine tut er so, als ob er mit jemandem spreche. Bart Goor ist freundlicher. Noch vor der Ansprache von Hoeneß sagt er: „Wir können nach dem Spiel so viel reden und analysieren, wie wir wollen. Wenn wir auf dem Platz nicht umsetzen, was wir vorher besprechen, hilft das alles nichts.“ Und dann übt er Kritik, vielleicht auch Selbstkritik: „Wozu haben wir denn so kopfballstarke Leute, wenn Tore nach hohen Flanken fallen? Und warum haben wir so viele Spieler in Nationalmannschaften, wenn die in entscheidenden Situationen ihre Nerven nicht im Griff haben?“

Fragen, die sich auch Trainer Huub Stevens immer wieder stellen dürfte. Gestern wollte er keine Antworten geben. Er vermied den Kontakt zu den Fans. Kein Training also auf dem Schenkendorffplatz. Das war ohnehin nicht vorgesehen. Doch die Blamage am Betzenberg konnte Stevens nicht ohne Konsequenzen hinnehmen. Also schickte er die Mannschaft zum Joggen auf den Teufelsberg.

Das Besondere an der Niederlage in Kaiserslautern war, dass Hoeneß erstmals die Mannschaft in die Verantwortung nahm. „Verlangen Sie bitte keine Erklärung von mir“, hatte der Manager direkt nach dem Spiel gesagt. „Da muss auch mal was von der Mannschaft kommen.“ Gestern kam von der Mannschaft reichlich wenig.

Dieter Hoeneß prophezeit den Spielern schwere Wochen bis zur Winterpause. Hertha BSC hat derzeit elf Punkte, einen Punkt Vorsprung auf die Abstiegsränge. „Wir sind nicht stabil genug, um Rückschläge wegzustecken. Das wird ein mühsamer Prozess. Unser einziges Ziel kann es sein, irgendwie noch ins Mittelfeld zu kommen“, sagte Hoeneß direkt nach dem Abpfiff in Kaiserslautern.

Irgendwie. Doch die vier Gegner bis zum Ende der Hinserie werden aller Voraussicht nach den Berlinern die Punkte nicht freiwillig überlassen. Am Sonntag ist Stevens’ früherer Verein Schalke 04 zu Gast im Olympiastadion. Anschließend steht das Spiel bei Borussia Dortmund an (6. Dezember). Es folgen das Heimspiel gegen den TSV 1860 München (13. Dezember) und das Spiel beim 1. FC Köln (16. Dezember). Zwanzig Punkte sollten es bei Saisonhalbzeit sein. Doch wie soll die verunsicherte Mannschaft in den ausstehenden Spielen neun Punkte holen?

In der Winterpause wolle man sich zusammensetzen und Bilanz ziehen. Das hatte Hoeneß schon oft in dieser Saison angekündigt. Besonders dann, wenn Diskussionen über Stevens aufkamen. Zuletzt war das der Fall vor dem Ultimatum vor vier Wochen. Das Ultimatum (zwei Siege in zwei Spielen) wurde zwar mit viel Glück erfüllt, aber die Hoffnung auf eine Zukunft frei von Störungen eben nicht. Hertha wird sich nicht darauf verlassen können, eine großartige Rückrunde zu spielen. Bayer Leverkusen musste in der vergangenen Saison bis zum letzten Spieltag um den Klassenerhalt zittern, weil der Ernst der Lage zu spät erkannt wurde.

Nachkäufe im Winter schließt Hoeneß aus. „Wir haben nicht vor, den Kader zu erweitern.“ Etwas muss aber passieren in der Winterpause. Die Hoffnung, dass die vermeintlichen Leistungsträger noch zu sich finden, ist vage. Sie haben viel zu viel mit sich selbst zu tun. Und dass die Neuen nicht die erhofften Verstärkungen sind, wurde wieder am Betzenberg deutlich. Fredi Bobic kam erst nach 74 Minuten, Niko Kovac wurde ausgewechselt, und Artur Wichniarek war erst gar nicht dabei. Auch im Wald hatten sie keine Antworten.

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