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Auf und nieder, immer wieder. Die Leistungskurve von Jenny Wolf in dieser Saison ist ein ständiges Auf und Ab. Trotzdem führt sie die Gesamtwertung im Weltcup an. Foto: dpa

© AFP

Sport: Fragen ohne Antworten

Jenny Wolf kämpft trotz Schwächen in Berlin um den Sieg im Gesamtweltcup.

Berlin - Jenny Wolf starrte auf den Fernseher, sie studierte jedes Detail, sie wurde immer unruhiger. Am Ende war sie regelrecht „schockiert“. Auf dem Bildschirm sprintete eine Eisschnellläuferin, die am Ende der ersten Geraden Geschwindigkeit verlor, die in der zweiten Kurve die Kufen nicht optimal einsetzte, dadurch langsamer wurde und die Ziellinie, nach 500 Metern, rund eine halbe Sekunde über ihrer Bestzeit überquerte.

Die Frau auf dem Bildschirm war sie selber.

Im Sportforum Hohenschönhausen hatten Techniker ein hochmodernes Gerät installiert, das jede technische Feinheit, jeden Geschwindigkeitsabfall eines Laufs dokumentierte. Das Ergebnis konnte man auf Video studieren. Und das Ergebnis war ernüchternd für Jenny Wolf, mehrfache 500-Meter-Weltmeisterin. „Schon nach 100 Metern verliere ich oft ein, zwei Zehntelsekunden“, sagt sie. Ausgerechnet da; ihr explosiver Start war immer ihre Erfolgsgarantie.

Aber diese Saison verläuft für Jenny Wolf wie eine Sinuskurve. Sie hatte mit Platz sieben einen katastrophalen Weltcupauftakt in Tscheljabinsk, sie hatte vor einer Woche am ersten Tag des Weltcups in Heerenveen nur Platz vier erreicht und mit den Tränen gekämpft, aber am zweiten Tag ihr bestes Rennen in dieser Saison geliefert. In Heerenveen gewann sie ihr 60. Weltcuprennen. Ein seltsames Auf und Ab. „Ich kann es nicht erklären“, sagt sie.

Aber sie führt, trotz allem, die Strecken-Gesamtwertung im Weltcup an. Ihre frühere Dominanz ist zwar weg, aber auch die Gegnerinnen zeigten unerwartete Schwächen. Und nun hat sie die Chance, zum siebten Mal diesen Gesamtweltcup zu gewinnen. Sie muss nur ab Freitag im Sportforum sehr gut laufen, dort findet das Weltcupfinale statt. Für Jenny Wolf aus Berlin ein Glücksfall. „Berlin motiviert mich besonders.“ Aber ihr Vorsprung ist gering, „und deshalb“, sagt sie, „brennt hier die Luft. So eine Spannung hatte keiner mehr erwartet.“

Und Jenny Wolf, die 33-jährige erfahrene Weltklasse-Läuferin, steht vor diesen ganzen Fragen, für sie sie keine Antwort hat. Warum hat sie derartige Schwankungen? Warum ist sie teilweise so müde? Warum verliert sie so viel Zeit auf den ersten 100 Metern? Ihren Weltrekord von 37,00 Sekunden hatte sie im Januar an ihre Rivalin Yu Jing verloren. Die Chinesin war die erste Frau, die unter 37,00 geblieben ist (36,94). Die magische Marke, die alle Weltklasse-Sprinterinnen anpeilten. Eigentlich wollte Jenny Wolf diese Marke unterbieten, es ging nicht. Dass die Chinesin nun den Weltrekord besitzt, „das hat mich nicht überrascht“. Die Bestmarke war schließlich drei Jahre alt. Außerdem, „ich hätte es ja selber in der Hand gehabt, Weltrekord zu laufen“. Aber es ging nicht. Die Form reicht dazu nicht aus.

Eigentlich hatte sie schon im Oktober 2011 gemerkt, dass es nicht läuft. Die Fehler wurden im Aufbautraining gemacht, nur welche, das haben sie und ihr Trainer nicht herausgefunden. Aber ihr Training wollte sie im Oktober auch nicht mehr umstellen, lieber startete sie bei den Weltcuprennen in Tscheljabinsk (Russland) und Astana (Kasachstan). Dort haben sie neue Hallen gebaut, Jenny Wolf kannte die noch nicht. Und eine neue Weltcupstation ist allemal Reiz genug für die Weltmeisterin. Sie kennt ja alle wichtigen Hallen auf dieser Welt.

Und das Sportforum, das kennt sie am besten. Sie hat am Wochenende Heimvorteil, eigentlich müsste ihr das entgegenkommen. Aber jetzt, in dieser Situation? Jenny Wolf lacht leise. „In dieser Saison“, sagt sie dann, „ist alles möglich.“

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