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Sportstätte des SV Eintracht Sermuth.

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Frank Willmann über Fußball: Der Osten bleibt das graue Niemandsland des Fußball

Mit Blick auf den einstigen Todesstreifen der Berliner Mauer sinniert unser Kolumnist über die Fußballvereine im Osten. Auch in diesem Jahr bleibt die Bundesliga für sie unerreichbar. Jammern möchte er deswegen aber nicht.

Wenn ich nicht gerade irgendetwas mit Medien mache, schaue ich gern aus dem Fenster. Ich wohne in der Nähe des Nordbahnhofparks. Noch in Mitte. Gott sei Dank! Vor mir liegt der längst begrünte, einstige Todesstreifen der Berliner Mauer. Dahinter der Wedding in seiner SPD-Variante. Grrrh, Wedding! Triste 70er Jahre Neubauten, die scheinbar ewig leben wollen.

Ostklubs hocken am Ende der Tafel

Der 1. FC Union Berlin will auch ewig leben, jedenfalls singen das seine Fans oft, gern und laut. Unsterblichkeit, ach ja, der alte Traum der Menschheit. Die Halbwertzeit eines Fußballvereins im Osten Deutschlands beträgt erfahrungsgemäß im Bundesligageschäft kein Dutzend Jahre. Die hat Union noch nicht absolviert. Insofern gibt es ein wenig Hoffnung. Der Verein wird noch eine Weile seine Anhänger im grauen Niemandsland der zweiten Liga beglücken. Aber Vorsicht! Union hat soeben seinen zweckdienlichen Schleifer und Freund des einfachen Rundstrick-Fußballs Uwe Neuhaus von seinen Aufgaben entbunden.

Will Union nun richtigen Spitzenfußball spielen? Mit welchen Spielern und mit welchem Geld? Union steht für Kraftfußball. Die Fans singen ja nicht „Wir wolln euch spielen sehn!“ sondern „Wir wolln euch kämpfen sehn!“ Schöngeister ziehen sich auf der Köpenicker Ersatzbank schnell einen Splitter ein. Vom Trainer wird solide Arbeit erwartet. Mein Haus hat vier Ecken, im Keller fangen wir an zu bauen. Mein Kopf hat auch vier Ecken. Geniale Fußballer landen nicht bei Union. Wie alle anderen Ostclubs hockt Union am Ende der reich gedeckten Tafel. Dort, wo naturgemäß die Feinkost längst aufgefuttert ist. Und noch Leckereien wie ranziger Hackepeter, Griebenschmalz und Pustekuchen zu haben sind.

 Bundesliga bleibt Terra Incognita

Unsere Bundesliga mit ihren höchsten Weihen des Profifußballs bleibt 2014 für den Osten Terra Incognita. Die deutsche Nationalmannschaft wurde zuletzt (gefühlt) im vorigen Jahrhundert beim Immobilienkauf in der Zone erwischt. Selbstverständlich nicht beim Kicken. Wahrscheinlich liegt das an der geografischen Nähe zu Polen. Ukraine ist auch gleich um die Ecke. Deutsche Nationalspieler haben einfach Angst um ihre wertvollen Autos. Kann man ja auch verstehen. Wer lang hat, will es lang hängen lassen. Und nicht immer nur abgeben, abgeben, abgeben. Wir leben doch nicht im Kommunismus! Also spart euch das Gejammer und haltet die Hand hin. Wo dann und wann nette Almosen wie RB Leipzig landen. McDonalds Magdeburg oder Starbucks Berlin klingt auch nicht schlecht. Heul, Jammer und Winsel.

Energie Cottbus hat den Löffel abgegeben und landet endgültig in Matsch und Abraum. Aus diesem erhebt sich Didi Mateschitzens RB Bubenelf und umklammert fest die Brausedose. Didi wurde immerhin 2014 in Leipzig gesichtet. Er denkt global. Nicht national, wie die Herumschicker der deutschen Nationalelf. Und an die Anwesenheit von RB Leipzig im deutschen Fußball werden wir uns gewöhnen müssen. 42.000 glückliche Kaffeesachsen bejubelten am Wochenende den RB-Aufstieg. Was für ein ausgehungerter Haufen Fußballfans. Ich sage Fußballfans, nicht RB-Fans. Die wären auch Lok, Chemie oder sonst wem gefolgt. Sie wollen einfach nur richtigen Fußball gucken. Schön, erfolgreich, international. BSG Wismut Aue und Dynamo Dresden mit einem Bein in der 3. Liga. Dynamo stolpert vielleicht kommenden Sonntag noch eine Treppe tiefer und holt sich frische Wunden am schartigen Leib. Der Dresdner Kreisel der 80er Jahre ist längst der Dresdner Dauer-Krise gewichen. 

Wer ist eigentlich Chef im  Nordosten?

Kommen wir nach Rostock. Hansa, du traurige Kopie eines einstmals stolzen Vereins. Drittklassige Funktionäre und tollwütige Idioten auf den Rängen. Vor zwei Wochen beim Heimspiel gegen RB Leipzig offenbarte der gestörte Mob, worum es ihm eigentlich geht. Allen auf die Fresse hauen, egal ob RB-Fan, Polizist, Ordner oder Hansa-Fan. Darüber hinaus hochgradig enthirnt das eigenen Stadion demolieren. Und warum das Ganze? Damit einige Semikriminelle sich wie Kaiser Wilhelm fühlen können.

Alle, die letztes Jahr dachten, es könnte nicht noch beschissener in Sachen Zonenfußball kommen, sehen sich nun eines Besseren belehrt. Wer ist eigentlich Chef im  Nordosten? Den Typen bekommt man nicht mit. Hat er seinen Schäfchen nichts zu sagen? Hat er keine Vision auf Tasche? Will er uns nicht langsam das Paradies auf Erden versprechen? Vielleicht plant ja der Nordostdeutsche Fußballverband e.V. Entführungen und Banküberfälle für den Sommer. Um die Vereine endlich konkurrenzfähig zu machen. Selbstverbrennungen verzweifelter Funktionäre könnten die Konturen der Gesamtsituation schärfen. Eine Art Rebellion. Zwischen denen, die nichts haben und denen, die alles haben. Bayern, Dortmund, Schalke, Leverkusen. Dort hängt der Speck in der Kamera, dort ruht das aufgetürmte Festgeldkonto.

Mir träumt, die Nachrichtenblage sei nie günstiger gewesen: der gescheiterte Wir–tanzen-im-Kreis-Trainer Guardioala auf dem Absprung nach Saudi Arabien. Daddelkönig Hoeneß im Gelben Elend, dem Bautzener Knast. Der fürstlich entlohnte Sportbotschafter Russlands und Botschafter der russischen Gasindustrie Sky-Weisheitslehrer Beckenbauer I. aus naheliegenden Gründen gen Putin emigriert. Merke: Nur deshalb hat er sich einen Bart Marke Felix Dzerzhinsky wachsen lassen.

Los, runter von den Balkonen zwischen Saßnitz und Suhl. Die letzte Schlacht gewinnen wir. Oder etwa nicht?

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