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Sport: Frankfurt Skyliners: den Retortenclub auf Vordermann zu bringen ist für Trainer Stefan Koch nicht gerade stressarm

Stefan Kochs Schläfen sind in diesem Sommer grau geworden. Dabei ist er mit 34 Jahren einer der jüngsten Trainer der Basketball-Bundesliga.

Stefan Kochs Schläfen sind in diesem Sommer grau geworden. Dabei ist er mit 34 Jahren einer der jüngsten Trainer der Basketball-Bundesliga. Sicher hat sein neuer Job zu den Grautönen beigetragen. Koch wechselte vom MTV Gießen zum neuen Frankfurter Retortenklub der Liga, und die Vorbereitung hat ihn geschlaucht. Denn bei dem zum Hochglanz-Sportunterhaltungs-Produkt Frankfurt Skyliners mutierten Provinzklub Tatami Rhöndorf knirscht es laut hörbar. Kurz vor dem Saisonstart gibt es erhebliche Probleme, in der Stadt der Banken und Erstligisten (Eintracht Frankfurt - Fußball, Frankfurt Lions - Eishockey, SG W/M Frankfurt - Handball, Frankfurt Galaxy - American Football) Fuß zu fassen und Basketball aus dem Nichts heraus zum Top-Event zu machen.

Skyliners-Manager Gunnar Wöbke gibt sich locker und verweist auf das Zwei- bis Drei-Jahres-Konzept, das "noch einigen Spielraum" lasse. Wie es aussieht, wird der neue Bundesligist auch ein Weilchen brauchen, sich zu etablieren. Allein in sportlicher Hinsicht: Coach Koch sind mit Gary Collier und Alexander Frisch nur zwei Spieler aus dem Rhöndorfer Kader geblieben. Den dritten, Steven Johnson, schickte er wegen "extremer Meinungsverschiedenheiten in Sachen Disziplin" fort. Obwohl der Skyliners-Etat mit vier Millionen DM für hessische Verhältnissse gigantisch hoch ist, konnte Koch seinen Wunsch-Center James Shields nicht an den Main locken. Der zog ein Angebot aus Griechenland vor.

Erfolglos war der Einkaufsbummel trotzdem nicht. Immerhin verpflichteten die Frankfurter den deutschen Europameister von 1993, Kai Nürnberger, als Spielmacher, daneben mit Pascal Roller, dem Kanadier Peter Guarasci und dem Italiener Alberto Viannini weitere Nationalspieler. Ein Coup war die Rückkehr von Sinisa Kelecevic aus Izmir nach Deutschland; der Kroate war einst bei den Telekom Baskets Bonn Topscorer der Liga. Dazu kamen weitere Spieler mit großem Potenzial; die Experten trauen dem Team viel zu. Nur: Kelecevic konnte erst am vergangenen Freitag das Training aufnehmen. Eine Fersenverletzung legte ihn über Wochen lahm. "Wir treten im Training auf der Stelle", ärgert sich Stefan Koch, dass er die auf Kelecevic zugeschnittenen Systeme bislang nicht üben konnte. Apropos Training: Bis vor wenigen Tagen konnte keine einzige Einheit in der zur Spielstätte erkorenen Höchster Ballsporthalle abgehalten werden. Es gab noch keine Korbanlagen. Außerdem wollen die ebenfalls in der 5000 Zuschauer fassenden Halle beheimateten Handballer der SG WM Frankfurt nicht auf Parkett trainieren. So muss Koch auch während der Saison häufig in andere Übungsstätten ausweichen oder in Höchst auf Linoleum trainieren.

Das alles ficht die optimistischen Macher in Mainhattan ebenso wenig an wie die Tatsache, dass sich noch kein adäquater Werbepartner für die Trikotwerbung akquirieren ließ und der Dauerkartenverkauf eher stockend vonstatten zu gehen scheint. Auf Nachfrage antwortet Wöbke vielsagend: "Wir haben schon welche verkauft." Wenn auch das Interesse der Fans wie der Sponsoren noch in einer Grauzone dümpelt, stehen die unbescheidenen sportlichen Ziele der Skyliners dennoch fest. In der Bundesliga soll es in der Saison 1999/2000 wenigstens das Halbfinale werden, im DBB-Pokal das Final Four, im Saporta-Cup das Achtelfinale sowie in der Northern European Basketball League ebenfalls das Final Four. Coach Koch versucht, die Erwartungen zu bremsen, zählt vor, dass die Skyliners mit 50 zu absolvierenden Partien vor dem Erreichen auch nur eines dieser Ziele das umfangreichste Programm aller deutschen Klubs haben. Aber bei seinen Vorgesetzten findet er damit kaum Gehör. Die haben sich schließlich ein "German Dreamteam" zum Ziel gesetzt. Die Skyliners sollen nach Wunsch von Wöbke und Co. binnen der nächsten drei Jahre Deutscher Meister werden, den DBB-Pokal gewinnen und den starken Klubs aus Süd- und Osteuropa Paroli bieten.

Zusätzlich erschwert der Lokalrivale Eintracht Frankfurt, der ebenfalls hohe Ziele anpeilt, die Situation der Zugereisten. Der Zweitliga-Aufsteiger will innerhalb der nächsten zwei Spielzeiten den Sprung in die Bundesliga schaffen. Dann wäre Streit programmiert. Die Ballsporthalle ist von der Stadt Frankfurt für fünf Jahre exklusiv an die Skyliners vergeben - was Eintracht-Manager Aria Azizpour nicht hinnehmen will: "Da werden wir der Stadt keine Ruhe lassen." Graue Haare wie Koch werden ihm darüber aber nicht wachsen, glaubt er: "Wer weiß, ob es die Skyliners in drei Jahren noch gibt."

Wolfgang Lehmann

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